Dienstag, 17. Januar 2023

Keine Haftung der BaFin wegen Amtspflichtverletzung bei Wirecard

Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

In seiner Entscheidung vom 19.01.2022, 2-O4 O 531/20 (BKR 2022, 323 m. Anm. Schürger, BKR 2022, 328; ähnlich LG Frankfurt, Urteil vom 05.11.2021, 2-08 O 98/21, WM 2022, 564; ähnlich auch LG Wuppertal, Urteil vom 10.09.2021, 2 O 441/19, WM 2022, 179 m. Anm. Hammen, WUB 2022, 166 sowie OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 06.02.2020, 1 U 836/19, BKR 2020, 597 ff.) gelangt das Landgericht Frankfurt zum Ergebnis, dass einem Anleger, der in Wertpapiere von Wirecard investiert hat, gegen die BaFin keinerlei Schadensersatzansprüche zustehen. Dies weder wegen der Verletzung einer die Anleger schützenden Amtspflicht gemäß § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG, noch wegen Amtsmissbrauch nach §§ 839, 826 BGB, noch nach §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 32 KWG noch nach den Grundsätzen des europarechtlichen Staatshaftungsrechts.

Zur Begründung führt das Landgericht Frankfurt am Main aus, dass sich aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG keinerlei Amtspflichten der BaFin gegenüber den einzelnen Anlegern ergeben (Rn. 32 ff.); dies insbesondere deswegen nicht, weil der Anleger nicht zu dem Kreis der zu schützenden Dritten i. S. v. § 839 BGB gehört. Etwas anderes ergebe sich weder aus § 4 Abs. 4 FinDAG noch aus der durch das Kleinanlegerschutzgesetz mit Wirkung zum 10.07.2015 eingeführten Norm des § 4 Abs. 1 a FinDAG (Rn. 34–36) noch aus den Normen zum BilKonG (Rn. 37). 

Was die Norm des § 4 Abs. 4 FinDAG anbelangt, so würde nach Auffassung des Landgerichts Frankfurt der einzelne Anleger durch die bankaufsichtsrechtliche Tätigkeit der BaFin lediglich mittelbar als bloß reflexartige Folgewirkung der im öffentlichen Interesse gegenüber dem beaufsichtigten Unternehmen ergriffenen Maßnahmen geschützt (Rn. 34), was für eine Haftung nicht ausreicht. Zudem ergebe sich bereits aus den Gesetzesmaterialien der Vorgängernormen (§ 6 Abs. 4 KWG und § 4 Abs. 2 WpHG), dass der Staat wegen pflichtwidrig vorgenommener oder unterlassener Maßnahmen der BaFin von einzelnen Anlegern oder Bankkunden nicht in Anspruch genommen werden solle. Gleiches folge aus den Gesetzgebungsmaterialien zu § 4 Abs. 4 FinDAG (Rn. 35). Die Norm des § 4 Abs. 4 FinDAG würde auch weder gegen europäisches Gemeinschaftsrecht noch gegen die Grundrechte verstoßen, insbesondere nicht gegen Art. 14 GG. Denn den Anlegern werden in Bezug auf Maßnahmen der Bankenaufsicht keine Rechte gewährt (Rn. 38 u. H. a. BGH NJW 2005,742, 744). 

Was wiederum § 4 Abs. 1 a FinDAG anbelangt, so wurde zwar durch diese Norm der Vertrauensschutz als Ziel und Bestandteil der Aufsichtstätigkeit bestärkt. In Bezug auf diesen kollektiven Verbraucherschutz handele die BaFin jedoch ausschließlich im öffentlichen Interesse; dies deshalb, weil nicht der einzelne Verbraucher als Individuum, sondern die Verbraucher in ihrer Gesamtheit geschützt werden sollen (Rn. 36). In diesem Zusammenhang hält das Landgericht Frankfurt schließlich fest, dass eine Haftung der BaFin wegen fahrlässiger Amtspflichtverletzung oder fahrlässigem Amtsmissbrauch auch wegen der Anwendbarkeit des Verweisungsprivilegs gemäß § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht in Betracht kommt, da eine anderweitige Ersatzmöglichkeit gegen die vormaligen Abschlussprüfer sowie Wirtschaftsprüfer in Betracht kommt (vgl. Rn. 50–55 u. H. a. die Hinweisverfügungen des OLG München vom 20.12.2021 sowie 09.12.2021, 8 U 6063/21, WM 2022, 174; vgl. auch die weiter unten kommentierte Entscheidung sowie OLG München, Beschluss vom 21.04.2022, 84 4257/21, BKR 2022, 646 ff. m. Anm. Meyer zur Abschlussprüferhaftung bei P&R-Containern.). Schließlich hält das Landgericht Frankfurt fest, dass auch eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der als Schutzgesetz anzusehenden Norm des § 32 KWG nicht in Betracht kommt. Denn die Einordnung als Schutzgesetz betreffe allein das zivilrechtliche Verhältnis der Betreiber von unerlaubten Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen zu ihren Kunden. Das aufsichtsrechtliche Verhältnis der BaFin zu dem der Bankenaufsicht unterworfenen Unternehmen schützt wiederum die einzelnen Anleger nicht (Rn. 57 u. H. a. OLG Frankfurt BKR 2020, 597 Rn. 33).


PRAXISTIPP

Auch wenn die Ausführungen des Landgerichts Frankfurt in sich überzeugend klingen, kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass man in Bezug auf die Haftung der BaFin für etwaige im Zusammenhang mit Wirecard erfolgten Pflichtverletzungen durchaus eine andere Auffassung vertreten kann (vgl. hierzu Schürger, BKR 2022, 328, 329 ff.). Dies gilt erst recht, als die BaFin aufgrund § 4 Abs. 1 a FinDAG sich zwischenzeitlich immer wieder anmaßt, zu Gunsten der einzelnen Verbraucher Maßnahmen gegen Kreditinstitute zu ergreifen und amtsrechtliche Anweisungsverfügungen zu erlassen. Allerdings ist vor dem Hintergrund der bisher ergangenen Entscheidungen des Landgerichts sowie des Oberlandesgerichts Frankfurt sowie des Landgerichts Wuppertal kaum vorstellbar, dass ein Gericht sich dazu entschließt, einem Kapitalanleger gegen die BaFin einen Schadensersatzanspruch zuzusprechen.


Beitragsnummer: 21989

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