Mittwoch, 22. Februar 2023

Unzulässigkeit von Verwahrentgelten/Negativzinsen

Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

Während das Landgericht Berlin sowie das Landgericht Düsseldorf die Rechtsauffassung vertreten haben, dass die Vereinnahmung von Verwahrentgelten AGB-rechtlich unzulässig ist, haben das Landgericht Leipzig sowie das Oberlandesgericht Dresden entschieden, dass die Vereinbarung eines Verwahrentgelts rechtswirksam ist (vgl. hierzu Banken-Times SPEZIAL Bankrecht, Ausgabe Februar 2022, 3 f. und Ausgabe Dezember 2021/Januar 2022, 130 f.). Zur Begründung letzterer Auffassung wurde darauf hingewiesen, dass der Girovertrag u. a. auch Zahlungsdiensterahmenvertrag i. S. v. § 675 f Abs. 2 BGB ist, dessen Hauptleistungspflichten, soweit das Girokonto Zahlungsdiensterahmenvertrag ist, die vom Geldinstitut als Zahlungsdienstleister regelmäßig zu erbringenden Zahlungsdienste sind. Daneben kann der Girovertrag auch weitere Bankdienstleistungen wie die Nutzung von Kreditkarten oder die unregelmäßige Verwahrung umfassen, welche dann denjenigen Regelungen unterliegen, denen sie auch ohne Verknüpfung mit einem Zahlungsdiensterahmenvertrag unterliegen würden. Damit würde das Verwahrentgelt dem Recht der unregelmäßigen Verwahrung unterfallen und im Ergebnis zulässig sein (vgl. hierzu auch Freitag, JZ 2022, 132 ff. sowie Edelmann, Banken-Times SPEZIAL Bankrecht 2022, Ausgabe März 2022, 17 f. sowie Ausgabe Februar 2022, 3 f.).

Bei sogenannten Alt-Schuldscheindarlehen hatte wiederum die 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (vgl. hierzu Edelmann, Banken-Times SPEZIAL Bankrecht, Ausgabe Oktober 2020, 123 f.) entschieden, dass die in einem zwischen zwei Unternehmen abgeschlossenen Schuldscheindarlehen enthaltene Zinsgleitklausel bei hinreichendem Absinken des Referenzzinssatzes zu einem rechtlich nicht zu beanstandenden Negativzins und damit zu einer Umkehr der Zahlungsströme führen kann. Demgegenüber hatten eine weitere Kammer des Landgerichts Düsseldorf sowie das Oberlandesgericht Düsseldorf festgehalten, dass die Vereinbarung von Negativzinsen auch in einem zwischen zwei Unternehmen abgeschlossenen Schuldscheindarlehen gegen den Leitbildgedanken des § 488 BGB verstößt und daher unwirksam ist (vgl. hierzu Edelmann, Banken-Times SPEZIAL Bankrecht, Ausgabe Dezember 2021/Januar 2022, 129, sowie Ausgabe März 2021, 19 f.). Erst kürzlich hat auch das Oberlandesgericht Schleswig diesbezüglich in einem rechtskräftigen Urteil vom 10.11.2022, 5 U 159/22, entschieden, dass durch die Auslegung einer entsprechenden Zinsgleitklausel offenkundig sei, dass die Untergrenze des Darlehenszinses und damit der implizierte Mindestzins von den Vertragsparteien stillschweigend auf 0 festgesetzt wurde, weswegen trotz Negativzins eine umgekehrte Zahlungsverpflichtung bei einem Schuldscheindarlehen nicht entstehen könne (vgl. OLG Schleswig, a. a. O., ZIP 2023, 240, 242 f.).

 

PRAXISTIPP

Nachdem das OLG Hamburg in seinem Urteil vom 11.05.2022, 13 U 1/21, anders als das Oberlandesgericht Schleswig sowie das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden und zugleich die Revision wegen abweichender Rechtsprechung zugelassen hat, dürfte der Bundesgerichtshof in naher Zukunft über die Frage entscheiden, ob aufgrund einer Zinsgleitklausel bei einem (Schuldschein-)Darlehen der Zins aufgrund eines negativen Referenzzinssatzes auch die Zins-Null-Grenze unterschreiten und zu einer Umkehr der Zahlungspflichten nach § 488 BGB führen kann.

Zudem dürfte der Bundesgerichtshof im Hinblick auf die divergierenden Entscheidungen des Landgerichts Berlin, des Landgerichts Düsseldorf, des Landgerichts Leipzig sowie des Oberlandesgerichts Dresden demnächst auch über die Frage entscheiden, ob im Rahmen eines Girovertrages ein Verwahrentgelt in zulässiger Weise vereinbart werden kann.


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