Donnerstag, 20. April 2023

Berechnung VFE: Ansatz einer negativen Wiederanlagerendite?

OLG Frankfurt/M. zum Ansatz einer negativen Wiederanlagerendite im Rahmen der Vorfälligkeitsentschädigung

Carsten Sieper, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Frankfurt

 Im Rahmen von Streitigkeiten über die zutreffende Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung kommt es immer wieder auch zu Diskussionen darüber, ob der Darlehensgeber berechtigt ist, im Rahmen der Aktiv-Passiv-Methode eine negative Wiederanlagerendite anzusetzen. Vergleichbares gilt für Fallkonstellationen, bei welchen um eine Nichtabnahmeentschädigung gestritten wird. So wird von Darlehensnehmerseite des Öfteren teils vehement eingewandt, dass der Ansatz einer negativen Wiederanlagerendite zu einer angeblichen Überkompensation des Darlehensgebers führen würde, da sie den Schaden unbillig vergrößern würde.

Das Oberlandesgericht Frankfurt/M. hat nun mit aktuellem Hinweisbeschluss vom 03.04.2023 – 17 U 176/22 – ausgeführt, dass mit der Vorfälligkeitsentschädigung unter anderem der Zinsverschlechterungsschaden auszugleichen sei, welcher der Nachteil in Höhe der Differenz zwischen dem Vertragszins und dem Wiederausleihzins sei und dadurch entstehe, dass die Bank das vorzeitig zurückerhaltene Darlehenskapital für die Restlaufzeit des abgelösten Darlehens nur zu einem niedrigeren als dem Vertragszins wieder ausleihen könne. Folglich dürfe die Bank das in den Negativbereich gesunkene Kapitalmarktzinsniveau ihrer Berechnung zugrunde legen, weil hierin die Ursache des auszugleichenden Schadens liege. Daher könne es dahinstehen, ob ein Darlehensgeber eine negative Wiederanlagerendite bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung angesetzt habe, was die dortige Klägerseite gerügt hatte. 

Anzumerken hierzu ist der guten Ordnung halber noch, dass im dortigen Fall unstreitig im maßgeblichen Berechnungszeitpunkt der herangezogene Titel zur Berechnung der Wiederanlagerendite im negativen Bereich verzinst war.

 

PRAXISTIPP

Das Oberlandesgericht Frankfurt/M. vertritt in vorstehender Entscheidung völlig zu Recht und mit überzeugender Begründung die Rechtsauffassung, dass die Aktiv-Passiv-Methode vereinfacht dargestellt auf dem Prinzip beruht, dass der Darlehensgeber das Delta zwischen Vertragszins und Wiederanlagerendite zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückführung ersetzt erhält. Dieser Grundsatz gilt, so das OLG Frankfurt, unabhängig davon, ob die Wiederanlagerendite positiv oder negativ ist. In dem Sinn hat auch bereits das OLG Stuttgart mit Urteil vom 23.02.2022 – 9 U 168/21 oder aber auch das LG Bonn mit Urteil vom 24.03.2022 – 17 O 209/21 entschieden. Der Hinweisbeschluss des OLG Frankfurt/M. bekräftigt somit die bereits von anderen Instanzgerichten vertretene Meinung und kann als weitere Argumentationsstütze dienen. 

Freilich ist anzumerken, dass die Relevanz der Thematik negativer Wiederanlagezinsen mit dem Anstieg der Zinsen entsprechender Titel im Jahr 2022 wieder zurückgegangen sein dürfte und eher nur „Altfälle“ aus heutiger Sicht hiervon berührt werden.


Beitragsnummer: 22106

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