Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
In seiner Entscheidung vom 13.06.2023, XI ZR 464/21 erinnert der Bundesgerichtshof zunächst daran, dass ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht aus einem Anlageberatungsvertrag mit dem Zustandekommen des Vertrages, auf den sich die Beratung bezieht, in Sinne der verjährungsrechtlichen Regelungen entsteht (Rn. 19).
Was wiederum die Reichweite der Hemmungswirkung von Rechtsverfolgungsmaßnahmen gem. § 204 Abs. 1 BGB anbelangt, so stellt der Bundesgerichtshof erneut klar, dass diese sich, ebenso wie die materielle Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO, nicht nach dem einzelnen materiell-rechtlichen Anspruch, sondern nach dem den Streitgegenstand bildenden prozessualen Anspruch richtet. Dieser erfasse wiederum alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die sich im Rahmen des Rechtsschutzbegehrens aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen, in Anlageberatungsfällen folglich sämtliche Pflichtverletzungen eines zu einer Anlageentscheidung führenden Beratungsvorgangs, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese Pflichtverletzungen vorgetragen worden sind oder vorgetragen hätten werden können und unabhängig davon, ob diese dem Anleger bekannt waren oder nicht (Rn. 21). Dementsprechend werde die Verjährung der Ansprüche für jeden einer Anlageentscheidung zugrundeliegenden Beratungsfehler gehemmt, wenn in unverjährter Zeit wegen eines oder mehrerer Beratungsfehler Klage erhoben oder ein Mahn- oder Güteverfahren eingeleitet wird. Aus diesem Grunde stehe auch die Rechtskraft einer Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch gegen eine Bank wegen eines Fehlers bei der Kapitalanlageberatung einer Klage auf Ersatz desselben Schadens wegen eines anderen Beratungsfehlers in demselben Beratungsgespräch entgegen (Rn. 21).
Praxistipp:
Obwohl es sich bei vorstehend dargestellten Grundsätzen des Bundesgerichtshofs zur Hemmung der Verjährung sowie zum Umfang der Rechtskraft um schon länger feststehende Grundsätze handelt, zeigt die vorstehende BGH-Entscheidung, dass diese Hemmungs- und Rechtskraftgrundsätze nach wie vor in der Instanzrechtsprechung jedenfalls teilweise unbekannt sind, weswegen immer wieder daran erinnert werden muss.
Beitragsnummer: 22254