Freitag, 17. Mai 2019

Fehlerhafte Pflichtangabe unschädlich für Beginn der Widerrufsfrist

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

Seit dem 11.06.2010 bestand die Verpflichtung zur Erteilung der vertraglichen Pflichtangaben gem. § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6–13 EGBGB, wobei das Gesetz in Art. 247 § 9 EGBGB für Immobiliardarlehensverträge einen abweichenden, deutlich reduzierten Pflichtenkatalog vorsah. Diese Verpflichtung zur Erteilung der vertraglichen Pflichtangaben erlangte wiederum mit der Einführung des § 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 2b BGB zum 30.07.2010 insofern Bedeutung, als für das Anlaufen der Widerrufsfrist u. a. auch maßgeblich war, dass der Darlehensnehmer die maßgeblichen Pflichtangaben erhalten hat (vgl. hierzu Hölldampf, WM 2018 s. 114 f.).

In einem vor dem Oberlandesgericht Celle anhängigen Verfahren hatte der Darlehensnehmer unter Berufung auf vorstehenden Grundsatz behauptet, die Widerrufsfrist habe in Bezug auf die von ihm im Mai/Juni 2012 abgeschlossenen Immobiliardarlehensverträge entsprechend der Regelung des Art. 247 § 9 EGBGB in der maßgeblichen Fassung vom 11.06.2010 bis 20.03.2016 nicht zu laufen begonnen, weil der im Vertrag angegebene Effektivzins insofern fehlerhaft gewesen sei, als der effektive Jahreszins entgegen der damals maßgeblichen Fassung des § 6 Abs. 2 S. 1 PAngV nicht mit einem Kalenderjahr von 365 Tagen und einem Standardmonat von 30,41666 Tagen berechnet wurde, sondern nach der 30/360-Tage-Methode. Diese fehlerhafte Angabe sei wiederum dem Fehlen der entsprechenden Pflichtangabe gleichzusetzen, weswegen von einem Nichterhalt der entsprechenden Effektivzinspflichtangabe auszugehen sei.

SEMINARTIPPS

19. Heidelberger Bankrechts-Tage, 21.–22.10.2019, Heidelberg.

Aktuelle Rechtsfragen rund um die Baufinanzierung, 11.11.2019, Würzburg.

Dieser Rechtsauffassung folgte das OLG Celle nicht. Vielmehr hielt das OLG Celle in seinen Entscheidungen vom 03./28.01.2019, Az. 3 U 117/18, fest, dass eine fehlerhafte Angabe des effektiven Jahreszinses dem Fehlen bzw. dem Nichterhalt der Pflichtangabe nicht gleichzusetzen sei, die fehlerhafte Angabe des effektiven Jahreszinses daher ein Anlaufen der Widerrufsfrist nicht zu verhindern vermag. Nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung würde die Widerrufsfrist nur dann nicht zu laufen beginnen, wenn der Effektivzins gar nicht angegeben ist und nicht bereits dann, wenn der effektive Jahreszins fehlerhaft berechnet wurde. Hierfür spreche neben dem eindeutigen Wortlaut die Tatsache, dass der Gesetzgeber die fehlerhafte Angabe des Effektivzinses dahingehend gelöst habe, dass der zu niedrig angegebene effektive Jahreszins gem. § 494 Abs. 3 BGB allein dazu führt, dass sich der dem Verbraucherdarlehensvertrag zugrunde gelegte Sollzins um den Prozentsatz, um den der effektive Jahreszins zu niedrig angegeben ist, verringert.

Weitergehend entschied das Hanseatische Oberlandesgericht in einem Urt. v. 25.01.2019, Az. 13 U 56/18. Denn das OLG Hamburg geht davon aus, dass bereits keine fehlerhafte Pflichtangabe vorliegt, da „die 30,41/365-Tage-Methode … tatsächlich die gleiche wie die 30/360-Tage-Methode oder die 1/12-Methode“ ist. Hiervon unabhängig hält das OLG Hamburg weiter fest, dass die unterschiedlichen Berechnungsmethoden zu derart marginalen und geringen Abweichungen führen würden, dass diese unterhalb der Genauigkeit liegen würden, mit der der effektive Jahreszins nach Anmerkung der Anlage zu § 6 PAngV anzugeben ist.

PRAXISTIPP

Es ist zu begrüßen, dass das Oberlandesgericht Celle, anknüpfend an die Ausführungen von Hölldampf in WM 2018 S. 114, 115 f., festhält, dass auch in der Erteilung fehlerhafter Pflichtangaben vom Erhalt der Pflichtangabe i. S. v. § 492 Abs. 2 BGB auszugehen ist, die fehlerhafte Pflichtangabe somit dem Fehlen von Pflichtangaben nicht gleichzusetzen ist. Die Gleichsetzung von fehlerhaften Pflichtangaben mit dem vollständigen Fehlen solcher Pflichtangaben wäre bei der Angabe des effektiven Jahreszinses aufgrund Verwendung einer der beiden vorstehend dargestellten Berechnungsmethoden auch schon deswegen mehr als zweifelhaft, weil die Abweichungen je nach Berechnungsmethode entsprechend den zutreffenden Hinweisen des OLG Hamburg derart marginal sind, dass von einer fehlerhaften Angabe des Effektivzinses gar nicht gesprochen werden kann.



Beitragsnummer: 2238

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