Mittwoch, 17. April 2024

Grobe Fahrlässigkeit – Überweisungsbetrug II

Tilman Hölldampf, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart


Das Landgericht Köln hatte in seinem Urteil v. 08.01.2024 – 22 O 43/23 – ebenfalls über einen Überweisungsbetrugsfall zu entscheiden (s. Beitrag zuvor). Der Kontoinhaber hatte unter der Rufnummer seiner Sparkasse den Anruf eines ihm unbekannten Mitarbeiters erhalten, unter dem Vorwand, auf dem Konto des Kontoinhabers verdächtige Überweisungen festgestellt zu haben. Der Anrufer gab gegenüber dem Kontoinhaber vor, das Konto und die zugehörige Karte sperren zu müssen. Eine Entsperrung könne nur erfolgen, wenn der Kontoinhaber in der PushTAN-App eine entsprechende Freigabe erteilt. Der Kontoinhaber erteilte sodann in der App einem Auftrag mit dem Text „Registrierung Karte“ die Freigabe, obwohl er in der Nachricht darauf hingewiesen wurde, dass er keinen Auftrag freigeben soll, den er nicht explizit beauftragt hat. Tatsächlich wurde durch die Freigabe eine digitale Karte aktiviert, die der Betrüger auf seinem eigenen Mobiltelefon installiert hatte und zur Freigabe von Zahlungen nutzte.

Das LG Köln hat einen Erstattungsanspruch des Kontoinhabers gem. § 675u S. 2 BGB bejaht, weil – was letztlich unstreitig war – der Kläger die erfolgten Zahlungen nicht selbst autorisiert hat. Einen dem entgegenstehenden Schadensersatzanspruch der Bank hat das Landgericht hingegen verneint. Der Kontoinhaber habe bei dem Anruf eines ihm unbekannten Bankmitarbeiters nicht Verdacht schöpfen müssen und auch die missbräuchliche Nutzung fremder Telefonnummern durch „Spoofing“ hätte ihm nicht bekannt sein müssen. Aus dem angezeigten Text „Registrierung Karte“ habe der Kontoinhaber ebenfalls keinen Verdacht schöpfen müssen, auch wenn es nach den Angaben des Anrufers eigentlich um eine Entsperrung gegangen sei. Der Warnhinweis, der Kontoinhaber dürfe nur Aufträge freigeben, die er „explizit beauftragt“ hat, habe dem Kontoinhaber ebenfalls keinen Grund zu Misstrauen gegeben, da er den Auftrag telefonisch erteilt habe.


PRAXISTIPP

Die Entscheidung des Landgerichts Köln erfolgt zwar unter zutreffender Anwendung der §§ 675u S. 2, 675v Abs. 3 S. 2 BGB, jedoch verdient die Wertung des Gerichts Kritik. Denn der Maßstab, den das Landgericht an die Sorgfaltspflichten des Kontoinhabers angelegt, ist erheblich zu großzügig und von allzu großer Nachsicht gegenüber dem Kontoinhaber geprägt. Anders als das OLG Frankfurt (s. Beitrag zuvor) will das Landgericht Köln dem Kontoinhaber offenbar nicht abverlangen, die zahlreichen Warnhinweise der Sparkassen (wobei aus dem Urteil nicht ersichtlich ist, inwiefern dazu im Verfahren vorgetragen wurde) und die öffentliche Berichterstattung zu vergleichbaren Betrugsmaschen zur Kenntnis zu nehmen. Aufgrund der Sachverhaltsumstände lag hier ein Betrugsszenario durchaus auf der Hand (unbekannter Anrufer versucht den Kontoinhaber in Panik zu versetzen, um ihn zu einer unbedachten Handlung zu bewegen). Vor diesem Hintergrund muss einem sorgfältigen Kontoinhaber eigentlich schon auffallen, dass ein Auftrag zur „Registrierung“ einer Karte nicht dasselbe ist wie die „Entsperrung“. Denn wenn eine Karte „entsperrt“ werden soll, ist diese bereits registriert, so dass eine weitere Registrierung eigentlich keinen Sinn ergibt. Auch dass der Auftrag jedenfalls in vollkommen atypischer Art und Weise erteilt wurde, hätte dem Kontoinhaber eigentlich Anlass zum Misstrauen geben müssen. Auch eine Befassung mit der Frage, ob möglicherweise das Zusammenfallen mehrerer atypischer, auf eine Betrugstat hindeutender Umstände die Annahme grober Fahrlässigkeit des Kontoinhabers begründen können, findet in dem Urteil nicht statt. Dabei kann sich ein grob fahrlässiges Verhalten gerade auch daraus ergeben, dass der Kontoinhaber gleich mehrere kumulativ auftretende, auf eine Betrugstat hindeutende Auffälligkeiten ignoriert, selbst wenn jede dieser Auffälligkeiten allein für sich genommen (noch) nicht für die Bejahung grober Fahrlässigkeit ausreichen würden.


Beitragsnummer: 22580

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