Dr. Jörg Lauer, Rechtsanwalt, langjährige Geschäftsverantwortung im Immobilien-Finanzierungsgeschäft im Landesbankenbereich, Lehrbeauftragter an der Akademie der Hochschule Biberach, Hemsbach
Das deutsche Baugewerbe steckt in der Krise. Seit dem zweiten Halbjahr 2022 entwickeln sich die Bauinvestitionen rückläufig; im ersten Quartal 2023 lagen sie allein im Wohnungsbau 4 % niedriger als im Vorjahresquartal, in den Folgequartalen minus 2,1 % bzw. 1,9 %[1]. Dabei liegen diesen Zahlen noch abzuarbeitende Auftragsposter zugrunde. Gravierender für die Zukunft ist jedoch, dass die Baugenehmigungen für Wohnungen in Deutschland in den ersten neun Monaten 2023 um 31,7 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf rund 195.700 zurück gegangen sind[2]; dieser Trend setzte sich im Januar und Februar 2024 fort[3]. Die Auftragseingänge im Wohnungsbau verminderten sich in den ersten drei Quartalen 2023 um 22,3 %[4].
Gestiegene Lebenshaltungs-, Bau- und Finanzierungskosten bremsen die Nachfrage nach Wohnraum; die Verkaufspreise sinken[5]. Kapitalanleger meiden Immobilien vielfach wegen fehlender Rentabilität. Das Angebot an Wohnungen ist dünn: Die erschwerte renditeorientierte Kalkulierbarkeit einer Baumaßnahme infolge steigender Material- und Lohn- sowie gestiegener Finanzierungskosten führt dazu, dass genehmigte, aber noch nicht begonnene Bauvorhaben verschoben oder ganz aufgegeben werden. Zwar sinkt der Baupreisindex für Wohngebäude tendenziell, er ist aber im Februar 2024 um 2,8 % gegenüber Februar 2023 gestiegen nach einem Anstieg in den ersten drei Quartalen 2023 von 15 %, 8,8 % und 3,8 % über dem Niveau der Vorjahresquartale und 4,3 % im November 2023 gegenüber dem Vorjahresmonat[6].
Kostensteigerungen bei begonnenen, aber noch nicht fertiggestellten Projekten können kaum an die Kunden weitergegeben werden. Erschwerend kommen Lieferengpässe und der Fachkräftemangel hinzu; verlängerte Bauzeiten lösen höhere Zinsen für die Errichtungsphase aus. Daraus resultiert die Gefahr, dass ein Vorhaben „steckenbleiben“ kann. Teuer eingekaufte Vorratsgrundstücke und deren Finanzierung über einen längeren Zeitraum als ursprünglich geplant binden zusätzlich Liquidität. All dies erhöht die Insolvenzgefahr bei Bauträgern, die ihr Geschäftsmodell aktuell nicht anpassen[7]: In 2023 stiegen die Insolvenzzahlen im Baugewerbe um 20,8 % gegenüber 2022; im Januar 2024 nahm die Zahl um 26,2 % gegenüber Januar 2023 zu[8]. Leistungsstörungen auf Seiten des Bauträgers beschäftigen also verstärkt die Beteiligten.
Die Komplexität dieser Thematik gründet sich auf die unterschiedlichen, ineinandergreifenden Rechts- und Vertragsverhältnisse:
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Beitragsnummer: 22595