Frank Neumann, Leiter Risikosteuerung/Compliance, Hohenzollerische Landesbank Kreissparkasse Sigmaringen
Am 29.05.2024 wurde durch die Bankenaufsicht die 8. MaRisk-Novelle verabschiedet. Mit dieser wurden die novellierten EBA-Leitlinien zu Zinsänderungsrisiken und Kreditspreadrisiken im Anlagebuch (EBA/GL/2022/14) auch für LSI-Institute in verbindliche Regelungen überführt. Die 8. MaRisk-Novelle konkretisiert die aufsichtlich erwartete Handhabung von Zinsänderungsrisiken und führt die Kreditspreadrisiken als verbindlich im Risikomanagement zu betrachtende Risikoart ein.
Zur Verdeutlichung der aufsichtlichen Erwartungen wurde ein eigenständiger BTR-Teil geschaffen. Dieser regelt dezidiert – unter Nutzung vielfältiger Verweise auf die EBA GL – die aufsichtlichen Erwartungen. Die Aufsicht führt – vereinfacht dargestellt – im Kreditspreadrisiko des Anlagebuchs die Komponenten Liquiditäts- und Bonitätsspread zusammen. Die aus Sicht des Autors entscheidende Passage findet sich in BTR 5 Tz. 2. Diese Tz. sieht eine Zuordnungspflicht von Portfolios zum Spreadbuch für die Institute vor. Nichtzuordnungen sind zu begründen und zu dokumentieren.
Diese verpflichtend vorzunehmende Erstabgrenzung des Spreadbuchs definiert den Umgang in allen folgenden Systemen. Aus dem Konsultationsprozess (insb. Protokoll des 17. FG MaRisk) ist erkennbar, dass zwischen Aufsicht und Deutscher Kreditwirtschaft unterschiedliche Positionen bestehen. Diese Positionen sind von hoher Relevanz für die praktische Umsetzung.
Die Deutsche Kreditwirtschaft vertritt vereinfacht ausgedrückt die Position, dass eine Abhängigkeit von Spreadentwicklungen nur dann gegeben ist, wenn die zu Grunde liegenden Bestände auch am Markt gehandelt werden bzw. ein Pricing-Einbezug erfolgt. Diese Abgrenzung führt dazu, dass insbesondere bei Kundenkreditgeschäften und Kundenrefinanzierungen unterstellt werden kann, dass keine Zuordnung zum Spreadbuch zu erfolgen hat. Im Kundengeschäft erfolgt somit weiterhin die Behandlung von Zinsänderungsrisiken, Liquiditätsrisiken (insbes. Refinanzierungskostenrisiken) und Adressrisiken (Ausfall- und Migrationsrisiken unter Berücksichtigung idiosynkratischer Faktoren und Korrelationen) getrennt voneinander. Aus der Perspektive der Aufsicht stellt sich die Situation anders dar. Die Zuordnung dieser Positionen kann zum Spreadbuch erfolgen.
Aus praktischer Sicht bleibt die Einschätzung der Aufsicht aus Sicht des Autors abzulehnen, da dieses Vorgehen aufgrund von Abgrenzungsproblemen und z. B. aufgrund der genutzten Spreadhistorien zu einer Doppelunterlegung von Risiken (z. B. Migrationsrisiken) führt und eine Risikobetroffenheit darstellt, die nicht der Realität entspricht. Den Ausführungen der Aufsicht folgend dürfen keine idiosynkratischen Spreads (außer diese sind konservativer) berücksichtigt werden. In der Realität vorhandene, risikoentlastend wirkende Faktoren wären somit unberücksichtigt – diese sind jedoch in vielen Fällen Teil der Entscheidungsgrundlage im Kundenkreditgeschäft (z. B. qualitative Bewertungen der Unternehmenszahlen). Auch ist nach Vorgabe der EBA GL von einer gleichbleibenden Bonität auszugehen. Bestehende Adressrisiken würden somit dem durchschnittlichen Risiko der Spreadklasse „gleichgestellt“. Korrelationen z. B. aus Sektoren – wie in Adressrisikomodellen gebräuchlich – sind nicht berücksichtigungsfähig. Migrationsrisiken wären unterschätzt und müssten in einem weiteren Modell berücksichtigt werden.
Das Vorgehen der Aufsicht kann auch Chancen generieren. In der Annahme der methodisch korrekten Abbildbarkeit (z. B. auf Grundlage migrationsfreier Spreadkurven) ist von geringeren Volatilitäten und durch die Berücksichtigung der Kundenpassiva (Liquiditätsnutzen) von natürlichen Hedge-Positionen auszugehen. Absolut gesehen können theoretisch Konstellationen auftreten, in denen die Risikotragfähigkeit insgesamt entlastet werden kann. Es bleiben jedoch Folgefragen und die Notwendigkeit einer mathematischen Überprüfung auf Institutsebene.
Zu den Folgefragen: Die Aufsicht gibt in den öffentlich nachlesbaren Positionspapieren keinen Ausblick auf den möglichen sachgerechten Umgang in Folgesystemen (z. B. der Berücksichtigung in BFA 3, der Anpassungen in BFA 7 oder zur Behandlung im SREP – Adressenrisiken werden in der Regel durch den KSA-Standardansatz abgedeckt – Marktpreisrisiken werden aktuell im Rahmen der Überhangrisikobehandlung bewertet).
PRAXISTIPPS
- Überprüfen Sie die bestehenden Prozessregelungen und Methoden im Zinsänderungsrisiko ad hoc auf Anpassungs- und Dokumentationsbedarf. Die Anforderungen sind Prüfungspraxis.
- Investieren Sie Zeit in die erforderliche Abgrenzung des Spreadbuchs. Neben der Datenverfügbarkeit (z. B. von Spreadkurven) und der Datenqualitätsprüfung ist auch die spezifische Betrachtung der vorliegenden Kundenportfolien sehr relevant.
- Planen Sie Zeit für die Behandlung von „Spezialitäten“ ein – nennenswert sind z. B. derivative Positionen und Datenlieferungen im Rahmen des Transparenzprinzips bei Fonds (inkl. Fremdwährungsbezug) sowie die Handhabung bei SSD.
Beitragsnummer: 22637