Dr. Matthias Merkelbach, Partner, Flick Gocke Schaumburg
Verhältnis zur Auslegungshilfe zur IVV vom 16.02.2018
Durch die neuen FAQ zur IVV soll die Auslegungshilfe formal ersetzt werden. Die in der Auslegungshilfe beschriebene Verwaltungspraxis ausweislich der FAQ ebenfalls nicht mehr beibehalten werden, auch wenn sie in den FAQs keine Aktualisierung erfährt. Ob sich dies in der tatsächlichen Aufsichtspraxis so konsequent niederschlagen wird, erscheint aus heutiger Sicht fraglich. Anders als nach der Auslegungshilfe, bei der die Vorgaben der EBA-Guidelines für eine solide Vergütungspolitik lediglich berücksichtigt wurden, sollen die EBA-Guidelines nunmehr neben den FAQ (und die Auslegungshilfe) unmittelbar von den Instituten angewendet werden. Die Komplexität des regulatorischen Rahmens nimmt damit weiter zu.
„Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter“-Programme
Neben prämierten Leistungen (insbesondere schöpferischer Art) mit denen zur Effizienzsteigerung, Kostenminimierung oder zu mehr Sicherheit im Unternehmen beigetragen wird, können nun auch Prämienleistung aus „Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter“-Programmen bei der Bestimmung der Vergütung nach § 2 I IVV unberücksichtigt bleiben.
Bestimmung des Werts der Leistungen zur Altersversorgung
Leistungen zur Altersversorgung gelten weiterhin unabhängig von der (Un-)Mittelbarkeit der Zusage als Vergütung nach § 2 I IVV. Bei der Ermittlung der Rückstellungen ist dabei nun der Rechnungslegungsstandard, der auch für die Bilanzierung verwendet wird, anzulegen. Bei einer Bilanzierung nach IFRS können dabei im Falle einer 100%igen Ausfinanzierung einer Direktzusage die erwarteten Erträge aus dem Planvermögen entsprechend den IFRS-Grundsätzen berücksichtigt werden. Im Falle der Auflösung von Pensionsrückstellungen, aufgrund von Schwankungen im Zeitverlauf, die aus versicherungsmathematischen Gründen oder aus Änderungen sonstiger Erwartungen resultieren, ist als Betrag für Leistung zur Altersversorgung eine „Null“ anzusetzen.
Leistungsanerkennungsprämien an Risikoträger
Explizit äußern sich die FAQ zu variablen Vergütungen in Form von Leistungsanerkennungsprämien („Recognition Awards“), die regelmäßig an einen kleinen, wechselnden Kreis an Mitarbeitern vorgesehen werden, um deren außerordentliches Engagement – unabhängig von einer Zielvereinbarung und der variablen Vergütung – zu honorieren. Für Risikoträger in bedeutenden Instituten sollen entsprechende Prämienzahlungen nach den FAQ zur IVV generell unzulässig sein. Gestützt wird dies insbesondere auf die Vorgaben des § 19 IVV (einjähriger Bemessungszeitraum und Vereinbarung von Zielen).
In der Sache überzeugt dies nicht. So gilt sowohl mit Blick auf die Regelungen des § 19 IVV zum Betrachtungszeitraum sowie zur Vereinbarung von Zielen, dass sich diese jeweils insgesamt auf die Ermittlung der variablen Vergütung beziehen. Den regulatorischen Materialien ist dabei zu entnehmen, dass diesen Anforderungen eine Gesamtbetrachtung der variablen Vergütung der Risikoträger/Geschäftsleiter zugrunde liegt und sich die Anforderungen nach den seinerzeit maßgeblichen regulatorischen Materialien nicht ausnahmslos auf jeden einzelnen (betragsmäßig begrenzten) Bestandteil der variablen Vergütung beziehen müssen. Auf der Gesetzesebene zeigen dies bereits die Regelungen in § 5 Abs. 7, Abs. 5 und Abs. 6 IVV, die sich jeweils auf variable Vergütungskomponenten beziehen, die schon nach dem Gesetz an Risikoträger gewährt werden können, ohne dass die Anforderungen gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 und 3 IVV (Betrachtungszeitraum) sowie § 19 Abs. 2 IVV (vereinbarte Ziele) zu beachten sind.
Jenseits dessen erkennen auch die EBA-Vergütungsguidelines (Rn. 134) – die nach den IVV-FAQ nunmehr unmittelbar anzuwenden sind – explizit an, dass „die variable und feste Vergütung von Instituten […] unterschiedliche Komponenten umfassen [kann], einschließlich zusätzlicher oder ergänzender Zahlungen und Leistungen“. Die Gewährung einer Leistungsanerkennungsprämie stellt gerade eine entsprechende zusätzliche oder ergänzende variable Vergütungsleistung dar. Weiterhin erkennen die EBA-Vergütungsguidelines auch explizit die Gewährung von Prämien „zur Sicherstellung des Abschlusses von Großprojekten“ an (Rn. 143). Dabei ist zu beachten, dass sich die EBA-Vergütungsguidelines nach ihrem Anwendungsbereich auf Identified Staff beziehen, d. h. Risikoträger im deutschen Sinne. Aus den EBA Vergütungsguidelines folgt mithin, dass zusätzliche oder ergänzende variable Vergütungsleistungen neben dem verzielten Bonus mit dem vorgesehenen Betrachtungszeitraum an Risikoträger gerade nicht ausgeschlossen, sondern zulässig sind.
Leistungsanerkennungsprämien an Nicht-Risikoträger
Für die übrigen Mitarbeiter stellen die FAQ detaillierte Anforderungen an die Zulässigkeit auf. Dazu zählt insbesondere, dass der Ermessensspielraum für die Prämiengewährung eingeschränkt sein muss, insbesondere müssen Höhe und Häufigkeit geregelt sein. Zudem muss es klar definierte Vorgaben bzw. Kriterien für die möglichen Gründe und Anlässe der Gewährung einer solchen Prämie geben, anhand derer Vorgesetzte bestimmen können, welche Mitarbeiter für eine solche Prämie aufgrund ihrer Leistung infrage kommen. Zusätzlich wird klargestellt, dass Leistungsanerkennungsprämien nicht als Ausgleich für eine nicht voll erlangte, eigentlich vereinbarte variable Vergütung genutzt werden dürfen. Allerdings können Leistungsanerkennungsprämien unter den zwingend einzuhaltenden Anforderungen an die Leistungsanerkennungsprämien, sowie aus der InstititusVergV auch in Instituten mit ansonsten reinen Fixvergütungssystem gewährt werden.
Ruhegehälter bei Nichtverlängerung der Bestellung als Geschäftsleiter
Vereinbarungen über Ruhegehälter sollen unter engen Voraussetzungen zulässig sein. Voraussetzung ist, dass sie sich ausdrücklich auf einen sehr begrenzten Übergangszeitraum beschränken, das Ruhegehalt unter den Bonuspoolvorbehalt des § 7 IVV gestellt wird und ein ausdrücklicher Vorbehalt für den Fall eines negativen Erfolgsbeitrags vorgesehen wird, damit die Vereinbarungen keine unangemessene Ausgestaltung des Vergütungssystems gemäß § 3 Abs. 1 und 2 IVV darstellen.
Negative Erfolgsbeiträge, Malus und Clawback
Die bei der Gestaltung von Organisationsrichtlinien und von Vergütungssystemen (sowohl von Risikoträgern als auch Nicht-Risikoträgern) und der Gewährung von Abfindungen zu berücksichtigenden „negativen Erfolgsbeiträge“ umfassen nach der IVV-FAQ insbesondere Verstöße gegen Vertragsverstöße und Verletzungen gegen die institutsinternen Organisationsrichtlinien, aber nicht mehr zwingend selbstauferlegte Ethikkodizes. Ob der Verstoß tatsächlich ein sittenwidriges oder pflichtwidriges Verhalten darstellt, muss im Wege der Einzelfallprüfung festgestellt werden. Das Vorliegen negativer Erfolgsbeiträge muss eine teilweise Reduzierung der Vergütung und bei gravierenden negativen Erfolgsbeiträgen eine vollständige Streichung der variablen Vergütung zur Folge haben. Dabei werden die diesbezüglichen Tatbestandsvoraussetzungen zum Teil abgeändert und neu gefasst. Allerdings müssen die Institute sich nicht mehr im Vorhinein in der Ermessensausübung, so weit als möglich binden, sondern sollen in den Organisationsrichtlinien nur eine Orientierung gegeben werden, bei welchem Fehlverhalten (nicht abschließend) in jedem Fall ein negativer Erfolgsbeitrag eines bestimmten Schweregrads vorliegt.
Eine „maßgebliche Beteiligung“ im Sinne des für bedeutende Institute geltenden § 18 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 IVV soll vorliegen, wenn der Risikoträger durch sein Verhalten oder seine Entscheidungen eine Gefahr geschaffen oder erhöht hat, die sich in einem eingetretenen Misserfolg realisiert hat. Grundsätzlich ist ein Verschulden des Risikoträgers in Form von mindestens grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz erforderlich, wobei in extremen Ausnahmefällen aufgrund der Erheblichkeit des Verlustes kein Verschulden des Risikoträgers vorgelegen haben muss. Näher konkretisiert wird auch der in der Vorschrift enthaltene Begriff des „erheblichen Verlustes“. Eine Erheblichkeit soll demnach etwa indiziert sein, wenn der Verlust mindestens 1 % des vom Institut tatsächlich vorgehaltenen regulatorischen Eigenkapitals entspricht und der Risikoträger zu einem Exposure, dem ein unerwarteter Verlust von mindestens 1 % des Eigenkapitals zuzuordnen ist, durch zumindest grobe Fahrlässigkeit maßgeblich beigetragen hat. Weitere Vorgaben werden für die Ermittlung des Verlusts, die Zuordnung des negativen Erfolgsbeitrags zu einem Bemessungszeitraum und die Zusammenrechnung mehrerer einem Bemessungszeitraum zuzuordnender Verluste aufgestellt.
Insgesamt werden die Vergütungssysteme bedeutender sowie nicht-bedeutender Institute im Hinblick auf die bislang gängigen Malus- und ggf. Clawback-Klauseln zur Umsetzung der vorstehenden Anforderungen anzupassen sein werden.
Berücksichtigung von ESG-Risiken bei der Vergütung
ESG-Risiken, die ein Institut wegen seiner strategischen Ausrichtung in den jeweiligen Risikoarten verankert hat, sind nach den IVV-FAQ in den Vergütungssystemen zu berücksichtigen.
Gewährung von Abfindungen, Anpassung von Abfindungsgrundsätzen
Die regulatorischen Anforderungen an die Gewährung von Abfindungen wurden grundlegend überarbeitet. Im Hinblick auf den Begriff der Abfindung nach § 2 Abs. 5 IVV stellen die FAQs auf einen zeitlichen und kausalen Zusammenhang einer Vergütung zur Beendigung des Arbeits-, Geschäftsbesorgungs- oder Dienstverhältnisses ab. Eine Beendigung des Vertragsverhältnisses soll dann als „vorzeitig“ anzusehen sein, wenn sie im Falle einer fehlenden Befristung vor Erreichen des Renteneintrittsalters bzw. - im Falle einer Befristung - vor Fristablauf erfolgt. Bei der Beurteilung soll die gewählte Bezeichnung der Leistung für ihre Subsumierung unter den Abfindungsbegriff nicht ausschlaggebend sein. Abfindungsvereinbarungen dürfen weder einen Fehlanreiz für den Mitarbeiter setzen, noch die Entschließungsfreiheit des Instituts in Bezug auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit unzulässig beeinträchtigen. Bei der Beurteilung sind insbesondere der Vereinbarungszeitpunkt, das auslösende Ereignis und der Abfindungsumfang zu berücksichtigen. Damit verbunden werden die Abfindungsgrundsätze bedeutender sowie nicht-bedeutender Institute zu aktualisieren sein.
Festsetzung des Bonuspools
Es werden (weitere) Vorgaben für die Festsetzung des Bonuspools nach § 7 IVV aufgestellt, erstmals auch für Tochterinstitute im Inland, für die Kapital-Waiver nach Art. 7 CRR, § 2a Abs. 2 KWG und/oder Liquiditäts-Waiver nach Art. 8 CRR, § 2a Abs. 4 KWG bestehen. Auch diese Anforderungen sind im Rahmen der Aktualisierung der Vergütungsgrundsätze zu beachten.
Berichterstattung durch Prüfberichte und Vergütungskontrollberichte; Anforderungen an den Vergütungsbeauftragten und den Vergütungskontrollbericht
Die FAQs enthalten Klarstellungen für die Berichterstattung durch Prüfberichte nach § 12 Abs. 1 IVV und den Vergütungskontrollbericht nach § 24 Abs. 3 S. 1 IVV. Diese können unter bestimmten Voraussetzungen zusammengelegt werden.
Außerdem werden die Anforderungen an die Qualifikation und an die Unabhängigkeit des Vergütungsbeauftragten und seines Stellvertreters sowie an die Mindestbestandteile des Vergütungskontrollberichts weiter konkretisiert. Der Vergütungsbeauftragte soll insbesondere nach § 23 Abs. 1 S. 3 IVV über grundlegende Kenntnisse zum Risikocontrolling verfügen, damit er Vergütungsentscheidungen risikoseitig hinterfragen kann. Vergütungskontrollberichte haben insbesondere eine Überprüfung der Vergütungssysteme der Mitarbeiter des Instituts anhand der Vorgaben der IVV und des KWG sowie eine Stellungnahme des Vergütungsbeauftragten zur Angemessenheit der Vergütungssysteme der Mitarbeiter des Instituts zu enthalten. Sofern für den Vergütungsbeauftragten keine Vollzeittätigkeit (unabhängig davon, ob der Beauftragte exklusiv für das Institut tätig wird) vorgesehen ist, soll der festgelegte Arbeitsanteil grundsätzlich mindestens 50 % an der Sollarbeitszeit umfassen und festgeschrieben sein. Ausnahmen hiervon sind nun in Instituten denkbar, deren Vergütungssysteme nur eine moderate variable Vergütung von bis zu höchstens 50.000 € p.a. für Risikoträger unterhalb der Geschäftsleitung vorsehen. Zwar gibt es nach § 23 I 2 IVV weiterhin nur einen zuständigen Vergütungsbeauftragten, allerdings ist diesem nun gestattet, Aufgaben und Tätigkeiten an seinen Stellvertreter und andere fachkundige Mitarbeiter oder Fachstellen in dem Institut zu übertragen, solange der Vergütungsbeauftragte die Gesamtverantwortung behält.
Vorgaben an Instrumente nach § 20 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 IVV und Umsetzung der Anforderungen bei nicht-börsennotierten Instituten
Die Vorgaben für aktienbasierte oder andere gleichwertige Instrumente nach § 20 Abs. 5 Nr. 2 IVV werden – insbesondere auch für nicht-börsennotierte Institute – angepasst und konkretisiert. Unterschreitet die harte Kernkapitalquote des Instituts nach Art. 92 Abs. 1 lit. a eine vom Institut festgelegte Schwelle, die nicht weniger als 7 % betragen darf, so ist eine Abschmelzung des Instrumentenwertes in einer Höhe vorzunehmen, die für die Erreichung der harten Kernkapitalquote in Höhe von 7 % (bzw. dem höher vom Institut festgelegten Wert) erforderlich ist. Eine solche Regelung ist nur dann nicht erforderlich, wenn zu allen relevanten Zeitpunkten eine entsprechende Abschmelzung des Instrumentenwertes durch die § 7- Prüfung sichergestellt wird, also auch zum Zeitpunkt der finalen Auszahlung nach Ablauf der einjährigen Sperrfrist. Die Instrumente müssen mit ihrem Marktpreis oder ihrem beizulegenden Zeitwert am Tag der Zuwendung dieser Instrumente bewertet werden. Sofern ein Durchschnittswert herangezogen wird, muss dieser auf Basis eines kurzen Zeitraumes von höchstens einem Monat, der sich in zeitlicher Nähe zum Tag der Zuwendung befindet, ermittelt werden. Die zeitliche Nähe bestimmt sich dabei nach dem administrativen Aufwand des Instituts. Die Wertermittlung kann dabei auch auf Basis der Zahlen zum letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr erfolgen.
PRAXISTIPPS
- Vielfältiger Überprüfungs- und ggf. Anpassungsbedarf ergibt sich für Vergütungssysteme und Organisationsrichtlinien. Diese sollten frühzeitig auf ihre Vereinbarkeit mit den neuen Vorgaben über negative Erfolgsbeiträge, Abfindungen und/oder Ruhegehältern, Bonuspools überprüft und ggf. angepasst werden. Für künftige Gestaltungen sind die Vorgaben der FAQs zu berücksichtigen.
- Überprüft werden sollte auch, ob der Vergütungsbeauftragte und sein Stellvertreter den Anforderungen der FAQs an ihre Qualifikation und Unabhängigkeit genügen. Hierbei ist insbesondere auch darauf zu achten, ob wegen einer eigenen Stellung als übergeordnetes oder teilkonsolidierendes Unternehmen verschärfte Anforderungen gelten. Die verlangten Kenntnisse sind durch geeignete Maßnahmen, etwa Schulungen, sicherzustellen.
- Im Hinblick auf Ansprüche auf Gewährung einer variablen Vergütung ist zu beachten, dass diese unter den Vorbehalt gestellt werden müssen, dass im Auszahlungszeitpunkt die Vorgaben des § 7 IVV erfüllt sind. Bei Vorableistung einer variablen Vergütung muss diese unter einen entsprechenden Rückzahlungsvorbehalt gestellt werden.
- Malus- und Clawback-Regelungen in Arbeits- und Dienstverträgen sowie Betriebsvereinbarungen sind an die neuen Anforderungen anzupassen.
- Ebenso wird in der Regel eine Anpassung der Abfindungsgrundsätze notwendig werden.
- In zeitlicher Hinsicht ist zu empfehlen, eine Anpassung der institutseigenen Vergütungsregelungen an die neuen FAQ zur IVV zum 01.01.2024 anzustreben.
Beitragsnummer: 22671