Freitag, 2. August 2024

Arbeitszeitbetrug im Homeoffice – nur vorgetäuschte Tätigkeit?

Erleichtert Homeoffice Arbeitszeitbetrug? – Worauf Arbeitgeber achten sollten und wie mögliche Risiken minimiert werden können

Dr. Karsten de Niet, Rechtsanwalt der AWADO Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

 

Die Pandemie hat den Weg für eine größere Akzeptanz und Verbreitung des Homeoffice (damit sind in diesem Beitrag alle Formen des mobilen Arbeitens gemeint) geebnet. In vielen Bereichen setzen mittlerweile Bewerber[1] und Arbeitnehmer die Möglichkeit, zumindest teilweise im Homeoffice zu arbeiten, als selbstverständlich voraus. Verweigert der Arbeitgeber diese Option, kann dies für ihn durchaus einen Wettbewerbsnachteil bedeuten.

Zudem haben die meisten Unternehmen durch das „pandemieerzwungene“ Homeoffice festgestellt, dass diese Form der Arbeit in aller Regel gut funktioniert. So wurden Führungskräfte in der „Mobile Arbeit – Sozialpartnerstudie 2023“ des Fraunhofer-Instituts befragt, ob sie der Aussage „Manche Mitarbeitende erbringen trotz guter Unterstützung keine vergleichbaren Arbeitsergebnisse zur Arbeit im Betrieb“ zustimmen. Über 80 Prozent gaben an, dass dies überhaupt bzw. eher nicht zuträfe.

Doch gibt es Missbrauchsfälle, zumal die zunehmende Verbreitung mobiler Arbeitsmodelle auch Risiken für Arbeitgeber birgt. So müssen sich Arbeitgeber mit der Frage auseinandersetzen, wie sich immer neuen Möglichkeiten des Arbeitszeitmissbrauchs im Homeoffice entgegenwirken lässt. Manche Mitarbeiter tricksen, um langweilige Onlineschulungen und Homeoffice-Arbeiten unbemerkt zu schwänzen.

Arbeitszeitbetrug liegt vor, wenn der Mitarbeiter Vergütung für Arbeitszeit erhält, die er nicht erbracht hat. Dabei unterscheidet sich der Arbeitszeitbetrug im Homeoffice „technisch“ nicht vom herkömmlichen Arbeitszeitbetrug: Der Mitarbeiter kann Falschangaben im Zeiterfassungssystem vornehmen oder schlicht während seiner Arbeitszeit anderen Beschäftigungen nachgehen, angefangen vom privaten Surfen während der Arbeitszeit, über ausgedehnte Kaffeepausen bis hin zu Besuchen im Supermarkt.

Allerdings wird die Schummelei im Homeoffice durch verschiedene Faktoren erleichtert: Selbst bei außerhäuslichen Aktivitäten kann der Beschäftigte jederzeit vorgeben, mit seiner Arbeit beschäftigt zu sein, denn die Erreichbarkeit ist – dem Smartphone sei Dank – dennoch gewährleistet. Hinzu treten die Abwesenheit eines Vorgesetzten vor Ort sowie die mangelnde soziale Kontrolle durch Kollegen. Zudem arbeiten Beschäftigte, die ihre Arbeitsleistung auch mobil erbringen können, in der Regel mit dem Kopf. Das macht es meist schwer, anhand von (schlechten) Arbeitsergebnissen nachzuweisen, dass sie ihre Arbeitszeit für private Dinge genutzt haben – was jedoch gleichermaßen für eine Tätigkeit im Homeoffice wie im Büro gilt. 

Es finden sich inzwischen zahlreiche Soft- und Hardwarelösungen auf dem Markt, die eine Vortäuschung von Arbeitstätigkeiten erheblich erleichtern können. So können im Internet kostenlos Programme heruntergeladen werden, die einen Mausklick simulieren. Alternativ können für wenig Geld sogenannte (Maus-)Jiggler erworben werden, die – mechanisch oder technisch – ebenfalls Mausbewegungen erzeugen bzw. nachahmen. Alle diese „Lösungen“ haben zur Folge, dass die Bildschirmsperre des Computers nicht aktiviert wird und der User so bei verschiedenen Softwarelösungen, die die Aktivität eines Users erfassen (z. B. Teams, Zoom, Skype), als „anwesend“ angezeigt wird. Mouse-Jiggler und -Mover gaukeln dem PC vor, dass jemand die Maus benutzt. Man bleibt also „grün“ – obwohl man gar nicht am Platz ist, sondern z. B. staubsaugt oder sonstigen privaten Dingen nachgeht.

Wer solche Geräte benutzt, um seinen Arbeitgeber zu täuschen, sollte aber die Konsequenzen bedenken. Bei einer Manipulation der Arbeitszeiterfassung kennen Arbeitsgerichte wenig Gnade. Was können Arbeitgeber also tun, um sich vor Arbeitszeitbetrug im Homeoffice zu schützen und den Gang vors Arbeitsgericht zu vermeiden? 

Bei einer Homeoffice-Tätigkeit arbeiten Führungskraft und Mitarbeiter nicht mehr zur selben Zeit am selben Ort („Remote-Teams“). Dies stellt Führungskräfte vor neue Herausforderungen. Klassische Führungsaufgaben wie Mitarbeitermotivation sowie Leistungs- und Arbeitskontrollen werden erschwert.

Es bietet sich in diesem Fall an, bei den betreffenden Mitarbeitern in regelmäßigen Abständen Berichte über den Arbeitsfortschritt und bei Bedarf Teilarbeitsergebnisse anzufordern. Eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht des Arbeitnehmers zum Nachweis von Arbeitsergebnissen ist von der Rechtsprechung anerkannt. Vor diesem Hintergrund hat der Arbeitgeber auch die Möglichkeit, von Arbeitnehmern die Führung und Vorlage von Tätigkeitsnachweisen zu verlangen.

Als weitere präventive Maßnahme ist an einen intensivierten Dialog zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu denken. Möglichkeiten hierzu sind „klassische“ Elemente wie Entwicklungsgespräche und Zielvereinbarungen. Aber auch ein 360-Grad-Feedback, bei dem der Beschäftigte Feedback von verschiedenen Personen aus seinem Arbeitsumfeld wie z. B. Kollegen, Vorgesetzten und untergebenen Beschäftigten erhält, kommt in Betracht. Der verstärkte Dialog kann nicht nur helfen, Arbeitszeitbetrug zu verhindern, er kann auch eine Maßnahme bei der Aufklärung eines mutmaßlichen Arbeitszeitbetrugs sein. Entsteht beispielsweise der Eindruck, dass ein Mitarbeiter im Homeoffice weniger effizient arbeitet, kann es gelingen, durch einen verstärkten Austausch besser einzuschätzen, ob der betroffene Mitarbeiter tatsächlich Arbeitszeitbetrug begeht, oder ob die schwache Leistung andere Hintergründe hat. 

Unabhängig davon ist es ratsam, klare Regelungen zur Arbeitszeit zu treffen. Am einfachsten ist es, feste Arbeits- und Pausenzeiten festzulegen. Außerdem sollte klargestellt werden, dass jede Unterbrechung der Arbeitszeit als Pause zu kennzeichnen ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Klarstellung, dass während der Arbeitszeit jede andere Tätigkeit, angefangen von privaten Telefonaten bis hin zu Erledigungen wie Geschirrspüler ausräumen oder Einkaufen, unzulässig ist. Lediglich sehr kurze Unterbrechungen können als sozialadäquat angesehen werden und müssen daher nicht als Pausenzeit gekennzeichnet werden, z. B. kurze Telefonate, Toilettengänge, Kaffeeholen. Diese klaren Vorgaben tragen dazu bei, dass Beschäftigte sich darüber im Klaren sind bzw. sein müssen, was erlaubt ist und – viel wichtiger – was nicht. 

Überdies ist es hilfreich, wenn Arbeitgeber klare Maßgaben zur Nutzung des Internets und des beruflichen E-Mail-Postfaches machen. Ist die Privatnutzung betrieblicher Kommunikationsmittel generell untersagt, hat der Arbeitgeber weitreichendere Möglichkeiten der (technischen) Kontrolle seiner Mitarbeiter – und damit auch die besseren Möglichkeiten, Missbrauch aufzudecken (vom Einsatz von Keyloggern ist allerdings abzuraten). Generell lässt sich sagen, dass bei Vorliegen konkreter Verdachtsmomente in der Regel der Browserverlauf und/oder das E-Mail-Postfach des Arbeitnehmers ausgewertet werden dürfen, was den Nachweis von Arbeitszeitbetrug – auch bei geistiger Arbeit – erheblich erleichtert. Dabei ist immer die betriebliche Mitbestimmung zu beachten, wenn es einen Betriebsrat gibt. Gibt es hierzu hingegen keine klaren Regelungen oder ist die Privatnutzung ausdrücklich gestattet, wird eine Auswertung der Tätigkeiten des Arbeitnehmers am Dienstrechner datenschutzrechtlich in der Regel ausscheiden oder nur unter engen Voraussetzungen möglich sein. Gerade bei großzügigen Homeoffice-Regelungen kann die Empfehlung daher nur lauten, die private Nutzung des Firmen-PCs zu untersagen.

Schutzmöglichkeiten speziell gegen Jiggler & Co

Arbeitgeber können und sollten sich aber auch vor dem Einsatz von Software- oder Hardwarelösungen schützen, die eine Tätigkeit am Arbeitsplatz vortäuschen. Wichtig ist, dass Unternehmen sicherstellen, dass die Installation von Software nur durch Mitarbeiter mit Administratorrechten möglich ist. Dadurch wird das Herunterladen entsprechender Software verhindert. 

Bei Jigglern sind zwei Arten zu unterscheiden: Jiggler, die Mausbewegungen (nur) simulieren, werden in der Regel über USB an den PC angeschlossen; die Installation einer Treibersoftware ist nicht erforderlich. Wie eine echte Maus oder Tastatur werden sie den IT-Administratoren des Unternehmens jedoch bei aktivierter Geräteerkennung als (neues) „Human Interface Device“ (HID) des verwendeten PCs angezeigt. Unternehmen sollten die Geräteerkennung aktivieren, damit Admins über den Anschluss von HIDs informiert werden, was kritische Nachfragen erleichtert. Durch den Erwerb bestimmter Software ist es auch möglich, nur registrierte HIDs am Firmenrechner zu nutzen, also nur die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Tastatur, Maus usw., nicht aber einen entsprechenden Jiggler. Allerdings bedeutet dies immer eine Gratwanderung zwischen Sicherheit und Handhabbarkeit, der man sich bewusst sein muss.

Komplizierter wird es bei mechanischen Jigglern, die gerade nicht zwingend über einen USB- Anschluss mit dem Computer verbunden werden. Wenn der Verdacht besteht, dass Jiggler benutzt werden, sollte verstärkt auf Kontrollanrufe gesetzt werden und schon im Vorfeld darauf geachtet werden, dass ein Widerruf des Homeoffice möglich bleibt, z. B., indem man die Gewährung des Homeoffice mit einem Widerrufsvorbehalt oder Teilkündigungsrecht verknüpft. Denn weitergehende Maßnahmen wie etwa die Überwachung des Arbeitnehmers mittels Keylogger oder gar durch einen Privatdetektiv unterliegen sehr strengen Anforderungen – gerade, weil eine solche Überwachung der Wohnung des Arbeitnehmers empfindlich in die Privatsphäre des Arbeitnehmers und ggf. auch unbeteiligter Dritter, nämlich seiner Angehörigen, eingreift. Noch weitreichendere Überwachungsmöglichkeiten, z. B. in Form einer verdeckten Videoüberwachung mittels der Webcam scheiden im Hinblick auf die Unverletzlichkeit der Wohnung des Mitarbeiters und den Eingriff in den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts selbst beim dringenden Verdacht eines Arbeitszeitbetrugs stets aus und können überdies strafbar gemäß § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB sein.

Was können Unternehmen tun, wenn sich der Verdacht auf Arbeitszeitbetrug erhärtet?

Das Mittel der Wahl wird hier in der Regel zugleich die schärfste Sanktion sein, die das Arbeitsrecht kennt, nämlich die außerordentliche Kündigung. Arbeitszeitbetrug ist kein Kavaliersdelikt, sondern erschüttert das Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragsparteien massiv. Deshalb ist er in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) als wichtiger Grund anerkannt, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Dies gilt auch dann, wenn es sich nur um einen einmaligen Vorfall mit geringen finanziellen Auswirkungen handelt. Wichtig ist, dass der Arbeitgeber eine solche Kündigung immer auf zwei Säulen stützen muss, die Tat- und die Verdachtskündigung.

Bei einer Tatkündigung muss der Arbeitgeber eine erhebliche Pflichtverletzung des Arbeitnehmers nachweisen. Die von der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Anforderungen daran sind jedoch sehr hoch, sodass in jedem Fall zusätzlich eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden sollte. Diese ist bei einem begründeten Verdacht einer schweren Pflichtverletzung oder Straftat zulässig, die das Vertrauen des Arbeitgebers nachhaltig zerstören. Sie ist nur zulässig, wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.

In weniger schwerwiegenden Fällen stehen dem Arbeitgeber natürlich auch mildere Mittel zur Verfügung, wie die Abmahnung oder der Widerruf der Homeoffice-Vereinbarung, soweit dies arbeitsvertraglich oder kollektivrechtlich möglich ist. 

Fazit & Praxistipps

  • Homeoffice ist ein fester Bestandteil des modernen Arbeitslebens geworden.
  • Arbeitgeber sollten den Trend nicht links liegen lassen, um die besten Kräfte halten und gewinnen zu können.
  • Um den real existierenden Missbrauchsmöglichkeiten von mobiler Arbeit vorzubeugen, sollten Unternehmen klare Regeln zu Arbeits- und Pausenzeiten aufstellen, effektive Zeiterfassungssysteme implementieren, klare Richtlinien schaffen und eine Unternehmenskultur fördern, die Transparenz und Ehrlichkeit wertschätzt.
  • Auch sollte die Möglichkeit des Homeoffice gut vorbereitet sein, damit Mitarbeiter im Zweifelsfall zurück ins Büro gerufen werden können, wo niedrigschwelligere Kontrollmöglichkeiten bestehen als bei der Arbeit von daheim. 


[1] Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.


Beitragsnummer: 22695

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