Montag, 16. September 2024

Besteuerung von Investitionen in Bitcoin und andere Kryptowährungen


Dr. Holger Seibert, LL.M., Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, SeibertLink, Rechtsanwälte Steuerberater, PartG mbB, Stuttgart

Der Markt der digitalen Werteinheiten ist in den letzten 7–8 Jahren exponentiell gewachsen und die Leitwährung Bitcoin sowie die führenden Altcoins (wie Ethereum und Solana) sind seit der Zulassung von Spot-ETFs auf Bitcoin und Ethereum durch die US-amerikanische Security and Exchange Commission (SEC) in der Mitte der Finanzwelt angekommen. Sogar im US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf spielt die Haltung der Kandidaten zu Kryptowährungen eine nicht zu unterschätzende Rolle und wird auch künftig von maßgeblichem Einfluss auf die Frage sein, wie der für die in den USA (dem weltgrößten Kryptomarkt) anwendbare Regulatorik entscheidende Kampf zwischen der SEC und der Kryptowirtschaft um die Einordnung von Kryptowährungen als „Security“ (Wertpapier) oder „Commodity“ (Rohstoff) ausgeht.

Auch im deutschen Steuerrecht war die Einordnung von digitalen Werteinheiten lange Zeit höchst umstritten. Das Bundesministerium der Finanzen hat die Verwaltungsauffassung schließlich mit seinem Schreiben vom 10.05.2022 „Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und sonstigen Token, IV C 1-S 2256/19/10003:001, DOK 2022/0493899 festgezurrt und der Bundesfinanzhof ist dem in seinem Urteil vom 14.02.2023 – IX R 3/22 – in Bezug auf die grundsätzliche ertragsteuerliche Einordnung von digitalen Werteinheiten gefolgt. In umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht gilt dagegen, wie nachfolgend noch zu zeigen sein wird, etwas anderes.

Als Oberbegriff verwendet die Finanzverwaltung die Bezeichnung „Token“. Damit bezeichnet sie digitale Werteinheiten, denen bestimmte Ansprüche oder Rechte zugeordnet sind, deren Funktionen variieren. Das BMF unterscheidet je nach Funktion „Currency oder Payment Token“, „Utility Token“, „Security Token“ und, im Fall der Kombination mehrerer der vorgenannten Funktionen, „hybride Token“. Die uns im Rahmen dieses Beitrages interessierenden virtuellen Währungen Bitcoin und die genannten führenden Altcoins sind Currency Token“ und basieren jeweils auf einer eigenen Blockchain. „Utility Token“ und „Security Token“ dagegen nutzen bereits bestehende Blockchains als Basis. Eine Blockchainwiederum definiert das BMF als „eine in der Regel keiner zentralen Kontrolle unterliegende Datenbank mit mehreren Beteiligten, die die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) verwendet“.

Vor diesem technischen und definitorischen Hintergrund ist dann, wie stets im Ertragsteuerrecht, danach zu unterscheiden, ob die Investition in die virtuelle Währung oder die Blockerstellung (d. h. das „Mining“, wenn die betreffende Blockchain dem „Proof of Work“-Prinzip folgt, oder das „Forging“ im Fall von „Proof of Stake“) in einem Betriebsvermögen oder einem Privatvermögen erfolgt. Den Regelungen des § 15 EStG und der §§ 1–4 KStG folgend tätigen gewerbliche Einzelunternehmen und Personengesellschaften sowie Kapitalgesellschaften ihre Investitionen in virtuelle Währungen in der Regel in ihrem Betriebsvermögen bzw. nehmen die Blockerstellung in der Regel als gewerbliche Tätigkeit vor. Sie erzielen deshalb damit positive oder negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb, welche grundsätzlich der Einkommen- oder Körperschaftsteuer sowie der Gewerbesteuer unterliegen. Für die Abgrenzung zur privaten Vermögensverwaltung zieht die Finanzverwaltung die Kriterien zum gewerblichen Wertpapier- und Devisenhandel heran (vgl. H 15.7 (9) – An- und Verkauf von Wertpapieren – EStH 2021). Die Blockerstellung stellt jedoch niemals eine private Vermögensverwaltung dar, da sowohl beim „Mining“ als auch beim „Forging“ die Blockerstellenden die Blockbelohnung und die Transaktionsgebühren im Tausch für die Erstellung neuer Blöcke erhalten und ihre Tätigkeit deshalb dem Bild eines Dienstleisters entspricht. Ein im Fall der Veräußerung oder des Tausches der digitalen Währungseinheiten im Betriebsvermögen anfallender Gewinn ist steuerpflichtig. Ein Veräußerungsverlust ist grundsätzlich mit anderen (positiven) gewerblichen Einkünften verrechenbar.

Einheiten einer virtuellen Währung stellen nach Auffassung des BMF nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter dar, die nach den allgemeinen bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen, je nach Zweckbestimmung, dem Anlagevermögen (Finanzanlagen) oder dem Umlaufvermögen (sonstige Vermögensgegenstände) zuzuweisen sind. Die jeweiligen Gewinne und Verluste sind dann bei bilanzierenden Unternehmen im Wege des Betriebsvermögensvergleichs zu ermitteln. Ermittelt der Unternehmer seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung i. S. d. § 4 Abs. 3 EStG, sind die virtuellen Währungseinheiten als mit Wertpapieren vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte als „Wirtschaftsgüter“ i. S. d. § 4 Abs. 3 S. 4 anzusehen, deren Anschaffungskosten (§ 6 Abs. 6 EStG) erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahmen im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben abzuziehen sind. Die Wirtschaftsgüter sind jedoch in ein laufend zu führendes Verzeichnis nach § 4 Abs. 3 S. 5 EStG aufzunehmen.

Virtuelle Währungseinheiten im Privatvermögen behandeln die Finanzverwaltung und der Bundesfinanzhof (wie z. B. auch Gold) als andere Wirtschaftsgüter“ i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG. Gewinne aus der Veräußerung dieser im Privatvermögen gehaltenen Werteinheiten sind daher „Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften“ i. S. d. §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, sofern der Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Die Einkünfteerzielungsabsicht ist dabei nicht zu prüfen, da sie bereits aufgrund der Veräußerung innerhalb der Frist objektiviert vorliegt. Übersteigen die Gewinne aus sämtlichen privaten Veräußerungsgeschäften im betreffenden Kalenderjahr in Summe die Freigrenze von 1.000 € nicht, bleiben sie gemäß § 23 Abs. 3 S. 5 EStG steuerfrei. Unter der steuerrelevanten Anschaffung ist jeder entgeltliche Erwerb einer Werteinheit von Dritten zu verstehen. Hierzu zählen nicht nur der Erwerb der virtuellen Währung im Tausch gegen eine staatliche Fiat-Währung, Waren, Dienstleistungen oder Einheiten einer anderen virtuellen Währung, sondern auch der Erwerb im Wege eines ICO oder Airdrop sowie als Vergütung im Wege des Lending oder Staking. Spiegelbildlich zur „Anschaffung“ stellt die entgeltliche Übertragung des angeschafften Wirtschaftsguts auf Dritte eine Veräußerung im ertragsteuerlichen Sinne dar. Der Tausch von virtuellen Währungseinheiten in Einheiten einer staatlichen Währung, Waren oder Dienstleistungen führt ebenso zu einer „Veräußerung“ wie der Tausch in Einheiten einer anderen virtuellen Währung. Die Anschaffungsnebenkosten erhöhen bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns ebenso die Anschaffungskosten, wie die mit der Veräußerung verbundenen Transaktionsgebühren als Werbungskosten den Veräußerungsgewinn verringern.

Aufgrund des Umstandes, dass Veräußerungsgewinne mit digitalen Währungseinheiten im Privatvermögen nach Ablauf eines Jahres steuerfrei sind, kommt in vielen Fällen der sogenannten Verwendungsreihenfolge besondere Bedeutung zu. Es gilt der Grundsatz der Einzelbetrachtung. Ist eine solche nicht möglich, geltend nach Ansicht des BMF für die Zwecke der Bestimmung der Haltefrist die zuerst angeschafften Einheiten als zuerst veräußert (First in First out – FiFo). Es gilt jedoch eine walletbezogene Betrachtung. Es ist deshalb dringend zu empfehlen, die Anschaffungs- und Veräußerungszeitpunkte mit besonderer Sorgfalt zu dokumentieren und ggf. mehrere digitale Währungseinheiten derselben Währung in unterschiedliche Wallets anzuschaffen, um Gestaltungsspielraum für steuerpflichtige und steuerfreie Veräußerungen zu erlangen.

Zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Bitcoin und anderen virtuellen Währungen hat sich das BMF mit seinem Schreiben vom 27.02.2018 – III C 3 – S 7160-b/13/10001, DOK 2018/0163969 geäußert. In Folge des Urteils des EuGH vom 22.10.2015 – C-264/14 – in der Sache „Hedqvist“ musste die Finanzverwaltung ihre bis dahin vertretene Auffassung, dass die Hingabe von Bitcoin für eine an den Leistungsempfänger erbrachte sonstige Leistung oder Lieferung als sonstige Leistung im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes zu qualifizieren und umsatzsteuerpflichtig ist, aufgeben. Auch nach Ansicht des BMF handelt es sich jetzt beim Umtausch von staatlichen Währungen in Bitcoin oder andere virtuelle Währungen um eine steuerbare sonstige Leistung, die im Rahmen einer richtlinienkonformen Gesetzesauslegung nach § 4 Nr. 8 lit. b) UStG umsatzsteuerfrei ist. Die Hingabe von Bitcoin zur bloßen Entgeltentrichtung ist damit nicht steuerbar.

Die Blockerstellung der Miner stellt ebenfalls keinen umsatzsteuerbaren Vorgang dar, da die Transaktionsgebühren, welche sie von den anderen Nutzern des Systems erhalten können, freiwillig gezahlt werden und der Erhalt neuer Bitcoin durch das System nicht als Entgelt für ihre Miningleistung zu betrachten ist, weil es mangels eines identifizierbaren Leistungsempfängers schon an einem umsatzsteuerlichen Leistungsaustauschverhältnis fehlt.

Soweit Anbieter für die Speicherung von digitalen Währungen auf ihrer digitalen Wallet eine Gebührenzahlung verlangen, liegt eine auf elektronischem Wege erbrachte sonstige Leistung i. S. d. § 3a Abs. 5 S. 2 Nr. 3 UStG vor, die nach Maßgabe des § 3a Abs. 2 bzw. Abs. 5 S. 1 UStG steuerbar und steuerpflichtig ist, sofern der Leistungsort im Inland liegt.

Stellt der Betreiber einer Handelsplattform seine Internetseite als technischen Marktplatz zum Erwerb bzw. Handel von virtuellen Währungen den Marktteilnehmern zur Verfügung, handelt es sich um die Ermöglichung der rein EDV-technischen Abwicklung und der Umsatz ist steuerbar und steuerpflichtig, weil eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 UStG nicht in Betracht kommt. Nimmt der Betreiber der Plattform allerdings den Kauf und Verkauf der digitalen Währung als Mittelsperson im eigenen Namen vor, kommt die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 lit. b) UStG in Betracht.


Beitragsnummer: 22728

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