Dienstag, 8. Oktober 2024

Überwachung/Governance von Bankprodukten im Privatkundengeschäft (POG)

BaFin 08/2023: Überlegungen zur richtigen Anwendung des Verbraucherschutz-Rundschreibens

Dr. Norbert Baumstark, Wirtschaftsprüfer/Steuerberater, Grundsatzabteilung, Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V.


I. Einleitung

Mit dem Rundschreiben 08/2023 („POG-Rundschreiben“) hat die BaFin die Leitlinien der Europäischen Bankenaufsicht („EBA“) für die Überwachung und Governance von Bankprodukten im Privatkundengeschäft (EBA/GL/2015/18 vom 15.07.2015) in die deutsche Aufsichtspraxis übernommen.[1] Insbesondere der Produkthersteller wird in die Pflicht genommen, die grundsätzlichen Kategorisierungen des Produktes vorzunehmen, der Vertreiber ist weitgehend an seine Vorgaben gebunden.


II. Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung: Markteinführung des Produkts

Das Rundschreiben trat am 01.05.2024 in Kraft.[2] Die Anforderungen des Rundschreibens gelten für Produkte, die nach dem Inkrafttreten dieses Rundschreibens, also am oder nach dem 01.05.2024, in den Markt eingeführt wurden oder werden, sowie für alle bereits am Markt befindlichen Produkte, die nach diesem Datum erheblich verändert wurden oder werden.[3]

Bei der Produkteinführung in den Markt stellt sich die Frage, wann diese anzunehmen ist. Wenn die Bank beispielsweise bankintern bereits im November 2023 die Einführung beschlossen hatte, dann im April den Neu-Produkte-Prozess nach MaRisk AT 8.1 abschloss, um im Mai das Produkt erstmalig den Kunden anzubieten, kommen drei Zeitpunkte in Betracht, um daran die Markeinführung festzumachen.

Ausgangspunkt ist, wie grundsätzlich im gesamten Rundschreiben, die Sicht des Zielmarktes.[4] Wenn ihm ein Produkt erstmalig zu einem Zeitpunkt bekannt werden konnte, in welchem das Rundschreiben schon galt, muss er darauf vertrauen dürfen, dass für dieses Produkt alle Gesetze, Vorgaben und Schutzmechanismen greifen, welche in diesem Zeitpunkt als in Kraft getreten gelten, also auch darauf, dass dieses Rundschreiben auf das Produkt anwendbar ist. Wann der Neu-Produkt-Prozess abgeschlossen und wann die Einführung beschlossen worden ist, kann und muss der Zielmarkt nicht wissen. Entscheidend für die Anwendbarkeit des Rundschreibens ist damit der Zeitpunkt, in dem der Zielmarkt frühestens mit dem Produkt in Berührung kommen konnte, es also kennen konnte. Das ist der Zeitpunkt, in welchem es für ihn erkennbar in den Vertrieb gebracht worden ist. Dabei geht es nicht um die Sicht jedes einzelnen Verbrauchers, sondern um die Sicht des gesamten Zielmarktes. Übersetzt bedeutet dies, wenn der erste Verbraucher das Produkt erwerben konnte, ist das Produkt eingeführt. Denn erst mit der Erwerbsmöglichkeit wird der Verbraucherschutz schlagend.

Wurde das Produkt bereits vor dem 01.05.2024 vertrieben, kann der Zielmarkt kein Vertrauen dahingehend haben, dass das POG-Rundschreiben auf dieses Produkt Anwendung findet, da keine Rückwirkung im Rundschreiben vorgesehen ist.


III. Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung: Markteinführung des Produkts

Diese auf dem Vertrauen des Zielmarktes basierenden Überlegungen (siehe oben) können auch bei reaktivierten Produkten herangezogen werden, also wenn ein Produkt vor dem erstmaligen Anwendungszeitpunkt in den Markt gebracht worden war, danach wieder aus dem Vertrieb genommen wurde und nach dem Inkrafttreten des Rundschreibens wieder vertrieben werden soll.

Ein Gedanke wäre, sich am Neu-Produkt-Prozess nach MaRisk AT 8.1 zu orientieren. Die Perspektive ist jedoch eine andere, entscheidend bleibt bei POG die Zielmarktperspektive, nicht die der Bank. Bei reaktivierten Produkten ist zu unterscheiden, wie präsent das Produkt im Zielmarkt noch ist. Wenn ein Produkt kurzfristig vom Markt genommen worden ist, etwa weil es zu Störungen kam, weil die Nachfrage kurz eingebrochen ist, das Produkt temporär für die Bank nicht mehr durchführbar oder nicht mehr sinnvoll zu vertreiben war, oder der Vertrieb einen Fokus auf andere Produkte legte, kann sich das obige Vertrauen für Neuprodukte noch nicht hinreichend gebildet haben, dass bei Neuvertrieb Gesetze und Rundschreiben anwendbar werden, die vor der Vertriebspause nicht galten. Anderes gilt hingegen dann, wenn das Produkt schon länger nicht mehr bestand und im Zielmarkt nicht mehr bekannt sein kann bzw. neuartig wirkt. Entscheidend ist die Wahrnehmung im Zielmarkt, ob ihm das Produkt neu erscheint oder ob er eine Referenz auf einen Zeitraum vor dem Inkrafttreten sehen muss. [...]
Beitragsnummer: 22746

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