Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
In einem Fall, in welchem ein Unternehmer durch betrügerische Täuschungen zu neun von ihm autorisierten Auslandsüberweisungen veranlasst wurde und in welchem die kontoführende Bank des Unternehmens unstreitig ein Warnsystem unterhielt, welches bei bestimmten objektiven Parameter wie hohe Überweisungsbeträge oder Empfängerkonten im Ausland „ausschlägt", musste das Oberlandesgericht Frankfurt darüber befinden, ob die kontoführende Bank des Unternehmens aufgrund Verletzung vertraglicher Pflichten gegenüber dem Unternehmer zum Schadensersatz verpflichtet ist.
In seiner Entscheidung vom 30.07.2023, 23 U 8/23 (WM 2024, 2100), erinnert das OLG Frankfurt zunächst daran, dass sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Zahlungsdienstleister im bargeldlosen Zahlungsverkehr grundsätzlich nicht um die beteiligten Interessen seiner Kunden kümmern muss, weil er nur zum Zweck der technisch einwandfreien, einfachen und schnellen Abwicklung tätig wird. Nur ganz ausnahmsweise gelte etwas anderes, so z. B. wenn Treu und Glauben es nach den Umständen des Falles gebieten, den Zahlungsauftrag nicht ohne vorherige Rückfrage beim Kunden auszuführen, um diesen vor einem möglicherweise drohenden Schaden zu bewahren. So habe der Bundesgerichtshof einen solchen Ausnahmefall dann angenommen, wenn eine Bank aufgrund massiver Anhaltspunkte den Verdacht hegte, dass ein Kunde bei der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr durch eine Straftat einen anderen schädigen will.
Dies zugrundelegend führt das OLG Frankfurt sodann aus, dass der Zahlungsdienstleister demgemäß weder generell prüfen muss, ob die Abwicklung eines Zahlungsverkehrsvorganges Risiken für einen Beteiligten begründet, noch Kontobewegungen allgemein und ohne besondere Anhaltspunkte zu überwachen hat. Eine Warnpflicht bestehe vielmehr erst dann, wenn die Bank ohne nähere Prüfung im Rahmen der normalen Bearbeitung eines Zahlungsverkehrsvorgang aufgrund einer auf massiven Verdachtsmomenten beruhenden objektiven Evidenz den Verdacht einer Veruntreuung schöpft.
Gemessen an diesen Grundsätzen führt das Oberlandesgericht Frankfurt dann aus, dass grundsätzlich keine Warnpflicht einer Bank gegenüber Kunden einzig wegen des sogenannten „Anschlagens des Warnsystems" der Bank bei Vorliegen objektiver Parameter besteht. Dies deshalb, weil eine solche Sichtweise die Betrachtung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere die Frage vernachlässigen würde, welche Umstände zum Ausschlagen des Warnsystems geführt haben. So sei bspw. eine Auslandsüberweisung oder ein hoher Überweisungsbetrag nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände bereits ein massives Verdachtsmoment für das Vorliegen einer missbräuchlichen Überweisung, weswegen das Anschlagen des Systems für sich allein eine Warnpflicht nicht zu begründen vermag.
Hieran anschließend führt das OLG Frankfurt noch aus, dass Kreditinstitute zwar nach § 25 h Abs. 1 KWG verpflichtet seien, Sicherungssysteme zu unterhalten, die der Verhinderung von strafbaren Handlungen zum Schutz des Vermögens der Institute dienen. Diese Verpflichtung zur Unterhaltung von Sicherungssystemen nach KWG soll zudem Geldwäsche und Tourismusfinanzierung verhindern. Insofern handle es sich bei dieser Regelung nicht um ein Schutzsystem zu Gunsten der Kunden, aus welchen sich eine Weiterleitungspflicht der generierten Warnungen zum Zwecke der Warnung des Kunden von Missbrauch ableiten ließe. Weder sei eine Bank gesetzlich verpflichtet, ein derartiges Warnsystem zum Kundenschutz zu unterhalten, noch ergebe sich eine derartige Pflicht aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Beitragsnummer: 22808