
Michael Helfer, Vorstand, FCH AG
Die europäischen Regulatoren sind bekannt dafür weitreichende Vorgaben zu entwickeln, die unsere Leben im Beruflichen wie im Privaten beeinflussen. Letztlich geht es darum, Risken zu minimieren. Kommen Ihnen die folgenden Risiko-Einstufungen bekannt vor?
Hohes Risiko: Länder oder Regionen mit signifikanten Verstößen gegen Umwelt- und Menschenrechtsvorgaben, z. B. Entwaldung oder Verletzung indigener Rechte. Normales Risiko: Gebiete, die keine außergewöhnlichen Verstöße aufweisen, jedoch eine regelmäßige Kontrolle erfordern. Geringes Risiko: Länder oder Regionen mit bewährten Praktiken und minimalem Risiko von Verstößen. Die Bewertung erfolgt u. a. auf Basis der folgenden Kriterien: Präsenz von Wäldern und die Häufigkeit von Entwaldung, Transparenz der Lieferkette einschließlich potenzieller Risiken von Fälschungen oder Datenmanipulationen, Einhaltung internationaler Umwelt- und Menschenrechtsstandards. Als Teil des Risikomanagements müssen Marktteilnehmer bestimmte Sorgfaltspflichten einhalten, die regelmäßig aktualisiert werden. Diese beinhalten z. B. Strategien zur Risikominderung, Maßnahmen wie zusätzliche Audits, Unterstützung der Lieferanten und die Überwachung der Lieferkettenintegrität.
Aber Sie kennen ja mein Motto („Kontrollen nur bei Risiko“), ergo hat sich die EU folgende Kontrollen überlegt: Behörden müssen regelmäßige Kontrollen durchführen, um die Konformität der Marktteilnehmer zu überprüfen. Es soll dabei ein risikobasierter Ansatz verwendet werden, bei dem die Intensität der Kontrollen proportional zum Risiko der Produkte oder Regionen ist. Dazu gehören u. a. Prüfung von Unterlagen wie Sorgfaltserklärungen und Risikobewertungen, Vor-Ort-Inspektionen und stichprobenartige Kontrollen, einschließlich der Verwendung wissenschaftlicher Analysemethoden wie DNA- oder chemischer Tests. Ergänzend werden Jahrespläne mit spezifischen Kontrollzielen erstellt. Diesbezüglich sind Mindestkontrollquoten vorgesehen (mindestens 9 % der Marktteilnehmer in Hochrisikogebieten müssen jährlich überprüft werden; in Niedrigrisiko-Gebieten beträgt die Quote 1 %).
Worum geht es hier eigentlich? Die Verordnung (EU) 2023/1115 zielt darauf ab, Entwaldung und Waldschädigung durch den Handel und Verbrauch bestimmter Rohstoffe und Produkte innerhalb der EU zu reduzieren. Sie fordert, dass nur entwaldungsfreie Produkte in den EU-Markt gelangen oder von dort exportiert werden dürfen. Zu den betroffenen Rohstoffen gehören Rindfleisch, Soja, Palmöl, Kakao, Kaffee, Holz und Kautschuk, die in Verbindung mit globaler Entwaldung stehen. Und wie steht es mit der Relevanz für deutsche Banken? Nun ja, sofern sie direkt oder indirekt mit der Finanzierung oder Unterstützung von Aktivitäten verbunden sind, die in den Geltungsbereich der Verordnung fallen, kann auch diese Relevanz gegeben sein, z. B. bei Finanzierung von Unternehmen, die unter die Verordnung fallen, Investitionen in relevante Unternehmen sowie der Sicherstellung der Nachhaltigkeit in den eigenen ESG-Strategien. Banken, die umfangreiche Kredit-, Investitions- oder Handelsportfolios verwalten, könnten gezwungen sein, ihre internen Kontrollsysteme (IKS) so anzupassen, dass sie potenzielle Risiken im Zusammenhang mit der Verordnung identifizieren und minimieren (müssen).
In diesem Sinne: „Was wir heute tun, entscheidet darüber, wie die Welt morgen aussieht." (Marie von Ebner-Eschenbach, Schriftstellerin und Philosophin).Beitragsnummer: 22819