Marina Schoser, ehemals Head of Compliance in einer Kreissparkasse
Leicht: Liebe Marina, zunächst vielen Dank dafür, dass Du Deine Erfahrungen mit uns teilst. Du warst über viele Jahre Führungskraft in Banken und zuletzt als Head of Compliance tätig – also mitten in einem schnelllebigen, regulatorischen Thema. Dann kam die Familienplanung.
Schoser: Hallo Sandra, vielen Dank für deine Einladung zum Interview. Ja, wir haben inzwischen zwei absolute Wunschkinder und ich habe mich beruflich in eine völlig andere Richtung entwickelt.
Leicht: Nach dem zweiten Kind kamen Dir erste Zweifel, wieder ins Compliance-Thema einzusteigen? Was wären die Alternativen gewesen? Bzw. ganz konkret: wie weit unter dem bisherigen Karrierelevel wärst Du wieder eingestiegen?
Schoser: Nein, tatsächlich war bereits während der ersten Schwangerschaft klar für mich, dass ich nicht mehr auf meine bisherige Stelle zurückkehren würde. Als ich meinen Arbeitgeber über die Schwangerschaft informierte, teilte ich ihm direkt mit, dass sie langfristig planen können. Der Grund? Ich wollte mich nicht verpflichten, innerhalb von zwölf Monaten wieder als Head of Compliance einzusteigen. Und um meine Zulassung zu behalten, hätte ich das tun müssen. Wäre ich länger ganz bei meinem Kind geblieben, hätte ich bereits da als Sachbearbeiterin im Bereich Compliance wieder einsteigen müssen.
Um die Arbeit als Beauftragte/r sinnvoll und zuverlässig ausfüllen zu können, ist aus meiner Sicht mindestens 60–70 % Teilzeit/Arbeitszeit notwendig. Allein die Zeit, die benötigt wird, um ständig auf dem aktuellen Wissensstand zu bleiben, machte ja damals ca. 20–30 % Arbeitszeit aus über alle Teilbereiche. Wir waren zwei Mitarbeiter, wer hätte also den Rest auffangen sollen? Wer wäre jederzeit Ansprechpartner für die Kollegen gewesen?
Ich wollte mein Baby nicht mit knapp einem Jahr schon so umfangreich in andere Hände geben. Ich hätte mich ständig zerrissen gefühlt und habe mich daher notgedrungen klar für meine Familie entschieden.
Leicht: Dadurch kam ein Rückweg in die Bank für Dich bisher nicht mehr in Frage. Wobei Du immer Bankerin mit Herzblut gewesen bist. Hast Du den Schritt aus der Bank bereut?
Schoser: Diese Frage ist nicht so eindeutig zu beantworten. Ja, ich war immer gern und aus Überzeugung Bankerin. Und ja, ich habe gerne als Head of Compliance gearbeitet.
Da ich aus der Praxis kam und das Bankgeschäft von der Pike auf kannte, war es mir ein Anliegen, die regulatorischen Vorgaben so praxisnah wie möglich umzusetzen und zu vermitteln. Die Unterstützung, vor allem auch der Vertriebskollegen, war mir immer sehr wichtig.
Aber – und das ist ein sehr großes Aber – die Einhaltung der Regulatorik erfordert immer und mit aller Konsequenz auch, dass man unbequem ist für die Kollegen, von ganz unten bis ganz oben. Übrigens auch beim Vorstand.
An welcher Stelle sollte mich also jemand „gern“ wieder einstellen?
Kaum ein Bereichsleiter hätte sich mit mir als Mitarbeiterin wohlgefühlt. Und ich hätte umgekehrt auch beim Einen oder Anderen zu viele Altlasten an Vorwissen mitgebracht.
Und nach dann über vier Jahren hätte ich selbst im Compliance-Bereich als Sachbearbeiterin bei null wieder angefangen. In dieser Zeit hat sich ja alles komplett verändert. Also wäre es auch da schwierig geworden, eine Stelle zu finden, selbst wenn ich das gewollt hätte.
Natürlich könnte ich in eine andere Bank gehen und dort von vorne anfangen. Aber daraus hat sich dann auch der gedankliche Freiraum entwickelt, einen Neustart in einer ganz anderen Richtung anzugehen, die für mich und unsere Familie gut passt. Ich arbeite inzwischen in der Pflege – in der es übrigens auch viel Regulatorik gibt (lacht) – und im Kindergarten.
Leicht: Was würdest du den jungen Bankerinnen in Führungsposition aus Deiner Erfahrung mitgeben?
Schoser: Frauen führen anders als Männer. Lasst euch nicht beirren und bleibt authentisch. Dann werden euch die männlichen Kollegen langfristig auch ernst nehmen (müssen).
Beitragsnummer: 22838