Dr. Kerstin Rohwetter, Syndikusrechtsanwältin & Leiterin Zentralbereich Marktfolge Kredit, Kreissparkasse Düsseldorf
Einleitung
Das sogenannte „Mentoring“, das schon aus der Antike bekannt ist[1], ist im Grunde nichts anderes als die dauerhafte Unterstützung von jüngeren, noch nicht so erfahrenen Personen durch Personen mit einem (deutlich) höheren Senioritätsgrad. Der Mentor[2] hilft insbesondere durch die Weitergabe seines Erfahrungswissens und seiner Kenntnisse dem Mentee dabei, sich in persönlicher und fachlicher Hinsicht weiterzuentwickeln und berufliche Ziele zu erreichen.[3]
In den letzten Jahren wurden Mentorenprogramme zum Zweck der Frauenförderung immer beliebter. Doch wie ist es eigentlich als Teilnehmerin in so einem Programm? Mit diesem Beitrag werden die persönlichen Erfahrungen einer Teilnehmerin der 4. Runde des „Cross-Mentoring“ des RSGV (Rheinischer Sparkassen- und Giroverband) geschildert.
Aufbau des Cross-Mentoring-Programms
Das Cross-Mentoring-Programm[4] des RSGV zur Förderung der Chancengleichheit ist Teil des Konzepts #sieistsparkasse[5]. Dieses Konzept besteht aus mehreren Bausteinen[6], um die Sparkassen im Verbandsgebiet bei der Förderung von Potentialträgerinnen zu unterstützen.
Das Cross-Mentoring bietet Mitarbeiterinnen der rheinischen Sparkassen die Möglichkeit, sich zwölf Monate lang durch einen Mentor aus einer anderen Sparkasse des Verbandsgebietes bei der beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung begleiten zu lassen. Darüber hinaus ist auch ein vielfältiges und umfangreiches Rahmenprogramm enthalten, um die Mentees zusätzlich in ihrer persönlichen Weiterentwicklung zu unterstützen.
Im Detail ist das Programm so aufgebaut, dass jede teilnehmende Sparkasse eine oder zwei Mentees und die entsprechende Anzahl an Mentoren als Teilnehmer benennt. Die Mentees durchlaufen in der Regel in ihrem Haus einen Auswahlprozess und stellen sich mit einem kurzen Bewerbungsvideo, welches den Grund ihrer Bewerbung darlegt, beim RSGV vor. Nach Bestätigung der Teilnahme werden über den sogenannten „Profilbogen“ die Wünsche und Ziele der Mentees für das Programm abgefragt. Neben einer Darstellung des eigenen Werdeganges äußert sich die Mentee zu bestehenden Karrierevorstellungen und Planungen, die Erwartungen an das Programm und die Vorstellungen zu ihrem Mentor. Dies bietet für die Mentees die erste Gelegenheit, sich über ihre konkreten Ziele für den Austausch mit dem Mentor Gedanken zu machen. Verbandsseitig werden dann die Mentees jeweils einem hausfremden Mentor, welcher sich auf Vorstands- oder Bereichsleiterebene befindet, zugeteilt. Mit der gemeinsamen Auftaktveranstaltung mit allen Mentees und Mentoren beginnt das Mentoring-Jahr.
Das Herzstück des Programms ist die Interaktion zwischen Mentor und Mentee. Den beiden werden verschiedene Methoden zur Ausgestaltung des Mentorings an die Hand gegeben. Neben den individuellen Gesprächen ist z. B. Shadowing ein optionaler Bestandteil des Mentorings. Gemeint ist, dass der Mentor die Mentee einen Tag lang in ihrem Arbeitsalltag begleitet, um ihr bspw. zu ihren Handlungen, Vorgehensweisen und Entscheidungen Feedback zu geben. Oder auch das Triangel-Gespräch, in welchem der Mentor die Mentee bei einem Entwicklungsgespräch mit ihrem Vorgesetzten bzw. dem Vorstand begleitet. Die konkrete Ausgestaltung und die Themen des Mentorings sind jedoch der Absprache zwischen Mentee und Mentor vorbehalten. Insbesondere hier sind die Eigeninitiative und Aktivität der Mentee gefragt.
Daneben haben in dem Jahr neun Veranstaltungen stattgefunden, die das Mentoring begleiten:
- Drei Netzwerkveranstaltungen mit allen Mentees und Mentoren in Form der Auftakt-, Halbzeit- und Abschlussveranstaltung.
- Die Begleitung der Mentees durch einen Coach, welche im Rahmen von Gruppenarbeiten die Mentees bei ihrer persönlichen Entwicklung unterstützt hat. Hierzu gab es vier Workshoptage, an denen die persönliche Entwicklung der Mentees im Fokus stand. Die Workshops wurden durch Hausaufgaben und Gruppenarbeiten durch die Mentees vor- und nachbereitet.
- Ein Besuch bei der Börsenzeitung, um die Pressearbeit kennenzulernen und gemeinsam über Themen „über den Tellerrand hinaus“ zu diskutieren.
- Ein Tag mit einer Knigge-Trainerin und gemeinsamem Dinner, bei dem Etikette-Themen im beruflichen Kontext erörtert und erprobt wurden, aber auch der sichere Umgang mit eher herausfordernden Speisen geübt wurde.
- Ein Tag im Improvisationstheater, an dessen Ende eine spontane Aufführung im Kreis der Mentees entstand. Hierbei ging es insbesondere darum, die eigene Komfortzone zu verlassen und die Vorteile daraus mitzunehmen.
Darüber hinaus wird das Programm organisatorisch durch den RSGV begleitet. So werden mit den Mentees in regelmäßigen Abständen Feedback-Gespräche geführt und auch den Mentoren wird die Gelegenheit zum Austausch mit einem Coach gegeben.
Persönliche Erfahrung
Es gibt mittlerweile verschiedene Studien und Forschungsberichte, welche die positiven Effekte von Mentoring im allgemeinen und Mentoring speziell zur beruflichen Förderung von Frauen belegen.[7]
Aus den gewonnenen Erfahrungen im Rahmen des Cross-Mentoring-Programms kann die Autorin aus ihrer persönlichen Sicht sagen, dass die Teilnahme an einem Mentoring-Programm ein sehr wertvolles und förderndes Erlebnis ist.
Kern für eine solche Erfahrung ist mit Sicherheit die Eigeninitiative und der Wunsch, die Arbeit mit dem eigenen Mentor aktiv zu gestalten. Dies benötigt natürlich seitens der Mentee und des Arbeitgebers auch die Bereitschaft, ein nicht unerhebliches Zeitinvestment in Kauf zu nehmen. Die zwölf Monate des Cross-Mentoring-Programms waren ein sehr guter Zeitraum, um eine intensive Auseinandersetzung mit dem Mentor unter Nutzung verschiedener Methoden wahrnehmen zu können. Das Mentoring-Tandem bestimmt die Inhalte und Vorgehensweisen in der gemeinsamen Zeit selbst. Und um die für das Mentoring zur Verfügung stehende Zeit so gut wie möglich zu nutzen, sollten die mit dem Mentoring verbundenen Zielsetzungen zu Beginn klar und umfassend zwischen Mentee und Mentor besprochen und festgehalten werden:
So wurden mit dem Mentor der Autorin, Herrn Thomas Salz, Vorstand der Sparkasse Aachen, zu Beginn in einer schriftlichen Vereinbarung die Eckpunkte der gemeinsamen Arbeit festgelegt. Konkret wurde festgehalten, welche Ziele gemeinsam verfolgt werden, also z. B. die Unterstützung zur Erreichung der beruflichen Ziele, aufgeteilt in ein kurzfristiges und ein langfristiges Ziel. Eine vorab von der Autorin erstellte Themenliste war der Vereinbarung als Anlage beigefügt. Auch die Vertraulichkeit der Gesprächsinhalte und eine offene, lösungsorientierte Gesprächsführung war Teil der Vereinbarung. Die Vereinbarung enthielt zudem die Verpflichtung des Mentors, die Mentee im Rahmen des Cross-Mentoring und in den darauffolgenden zwei Jahren nicht abzuwerben.
Die anfangs definierte Themenliste diente dann während der nächsten zwölf Monate als übergeordnete Agenda. Auch die Art und Weise der Zusammenarbeit war Teil der schriftlichen Vereinbarung. So wurden ein festes monatliches Treffen und Telefonate bei Bedarf vereinbart. Die Terminplanung für die festen Treffen erfolgte sofort für die gesamte Mentoring-Zeit, um Terminkonflikte zu vermeiden. Dieses sehr strukturierte Vorgehen hat wesentlich dazu beigetragen, das Mentoring überaus erfolgreich zu gestalten und alle vorhandenen Fragestellungen zu klären. Zeitgleich war auch ein kurzfristiger Austausch immer möglich, was hilfreich ist, um sich auch bei kurzfristig auftauchenden Fragestellungen Rat holen zu können.
Ein weiteres Kernelement für ein erfolgreiches Mentoring ist, dass zwischen Mentee und Mentor eine Vertrauensbasis und die Bereitschaft zum offenen und ehrlichen Austausch existiert. Das Mentoring profitiert einerseits von einem Verständnis des Mentors für Herangehensweisen der Mentee, die sich womöglich von seinen eigenen unterscheiden. So hat der Mentor der Autorin es sehr gut verstanden, die Perspektiven und Wahrnehmungen der Autorin offen aufzunehmen und zeitgleich einen gemeinsamen Wechsel der Perspektiven anzubieten. Andererseits ist es als Mentee wesentlich, das Feedback des Mentors, z. B. im Rahmen eines Selbstbild-/Fremdbild-Abgleiches, auch anzunehmen und zu reflektieren. Im Ergebnis erfolgte die Abarbeitung der anfangs festgelegten Themenliste im Rahmen intensiver und offener Gespräche. Dafür wurde zunächst einen Soll-/Ist-Abgleich vorgenommen, also eine Aufstellung, welche Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erreichung der Ziele notwendig sind und welche Kenntnisse und Fähigkeiten bereits vorhanden sind. Für die so identifizierten Abweichungen des Ist- vom Soll-Zustand wurden dann konkrete Maßnahmen besprochen. Darüber hinaus fand ein Shadowing-Tag statt, bei dem der Mentor die Mentee im Rahmen eines Teams-Workshops begleitet hat. Dieser diente insbesondere dazu, einen Abgleich zwischen Selbst- und Fremdbild vorzunehmen. Umgekehrt durfte auch die Mentee den Mentor einen ganzen Tag begleiten und die Anforderungen und Aufgaben eines Vorstandes im Tagesgeschäft konkret miterleben. Ein wesentliches Highlight in den zwölf Monaten war für die Autorin ein Treffen mit einer Oberbürgermeisterin, um die kommunale Sicht eines Trägers auf die Sparkassen kennenzulernen.
Da im Rahmen eines Mentorings zwei Menschen mit sehr unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen aufeinandertreffen, kann es womöglich passieren, dass Mentor und Mentee nicht miteinander harmonisieren. Sollte dies der Fall sein, ist es aus Sicht der Autorin wichtig, dass die Mentee die wertvolle Zeit des Mentorings, die ja auch auf Seiten des Mentors ein zeitliches Investment darstellt, nicht einfach verstreichen lässt, sondern dies mit dem Mentor und den Organisatoren des Programms bespricht. Dann haben die Organisatoren eines solchen Programms, die die Auswahl der Mentoring-Tandems ja auch nach bestem Wissen und Gewissen vornehmen, im Zweifel die Möglichkeit, der Mentee einen anderen Mentor zuzuordnen.
Und auch wenn die Arbeit mit dem Mentor das Herzstück eines Mentoring-Programms ist, hat das Rahmenprogramm zur Abrundung des Cross-Mentorings beigetragen. Die Bedeutung eines Netzwerkes ist bekannt und ist doch im Arbeitsalltag gerne etwas, das schnell in Vergessenheit gerät. Das Rahmenprogramm hat den Austausch der Mentees untereinander ermöglicht, in den Fokus gerückt und so den Aufbau eines tragfähigen, sparkassenübergreifenden Netzwerkes unter den Mentees ermöglicht. Für die Autorin ist dieses Netzwerk auch ein Jahr später etwas, auf das oft und gerne vertrauensvoll zurückgegriffen wird.
PRAXISTIPPS
- Eine strukturierte und klare Festlegung der Themen und gemeinsamen Arbeitsweisen zwischen Mentor und Mentee direkt zu Beginn erleichtert die effektive Nutzung der gemeinsamen Zeit.
- Ein effektives Mentoring setzt ein gewisses Zeitinvestment voraus. Die Dauer sollte ca. zwölf Monate sein, um die Bildung einer tragfähigen Vertrauensbasis und eine intensive Auseinandersetzung zwischen Mentor und Mentee zu ermöglichen.
- Eine gute Grundlage für den Erfolg eines Mentorings ist die uneingeschränkte Unterstützung durch die Führungskräfte der jeweiligen Mentee.
- Die Mentee sollte „ihr“ Mentoring eigeninitiativ und aktiv gestalten.
[1] Hofmann-Lun/Schönfeld/Tschirner, Mentoring für Frauen – Eine Evaluation verschiedener Mentoring-Programme, München, 1999, S. 8, https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/4_mentoringfrauen/downloads/wordstudie.pdf (zuletzt abgerufen am 24.08.2024).
[2] Zur besseren Lesbarkeit wird hier das generische Maskulinum verwendet. Die hier verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.
[3] Hofmann-Lun/Schönfeld/Tschirner, Mentoring für Frauen – Eine Evaluation verschiedener Mentoring-Programme, München, 1999, S. 8 f. https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/4_mentoringfrauen/downloads/wordstudie.pdf (zuletzt abgerufen am 24.08.2024).
[4] Siehe https://www.rsgv.de/karriere/chancengleichheit (zuletzt abgerufen am 24.08.2024).
[5] Siehe https://www.sieistsparkasse.de/ (zuletzt abgerufen am 24.08.2024).
[6] Siehe https://www.sieistsparkasse.de/ (zuletzt abgerufen am 24.08.2024).
[7] Siehe z. B. Eby/Allen/Hoffman/Baranik/Sauer/Baldwin/Morrison/Kinkade/Maher/Curtis/Evans, Psychological Bulletin, 2013, 139(2), S. 441–476, https://www.researchgate.net/publication/229154564_An_Interdisciplinary_Meta-Analysis_of_the_Potential_Antecedents_Correlates_and_Consequences_of_Protege_Perceptions_of_Mentoring (zuletzt abgerufen am 24.08.2024); Hofmann-Lun/Schönfeld/Tschirner, Mentoring für Frauen – Eine Evaluation verschiedener Mentoring-Programme, München, 1999, https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/4_mentoringfrauen/downloads/wordstudie.pdf (zuletzt abgerufen am 24.08.2024); Müller/Bachmann/Sprexermann/Rothmayr, Mentoring-Projekte: Fallstudien, Staatssekretariat für Bildung und Forschung SBF, 2007, https://www.swissuniversities.ch/fileadmin/swissuniversities/Dokumente/Forschung/Chancengleichheit/Mentoring_Chancengleichheit.pdf (zuletzt abgerufen am 24.08.2024).
Beitragsnummer: 22841