Roland Rehn, Senior Manager, Kompetenzteam Risikomanagement, AWADO GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft
I. Ausgangslage
Die Finanzbranche erlebt derzeit beispiellose Veränderungen: Die Dynamik der Digitalisierung, der anhaltende Einfluss regulatorischer Anforderungen und das zunehmende Bewusstsein für Nachhaltigkeit haben tiefgreifende Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle der Branche. Der Markt für Finanzdienstleister befindet sich im Umbruch. Angesichts neuer regulatorischer Anforderungen müssen Kreditinstitute abwägen, welche ihrer Geschäftsaktivitäten unter den Gesichtspunkten von Rentabilität und Kosten, Eigenkapital und Liquidität künftig noch attraktiv sind. Auch steuerliche Implikationen sind in Betracht zu ziehen. Die Komplexität des Geschäfts erhöht sich zusätzlich durch neue Rechnungslegungsstandards und Berichterstattungspflichten. Die Vielzahl und Komplexität der regulatorischen Anforderungen sind für kleinere Institute seit Jahren eine große Herausforderung. Daher fordern diese Institute immer wieder Erleichterungen. Initiativen wie die Small Banking Box[1] werden schon seit längerem auch von den Aufsichtsbehörden diskutiert. Zudem ist das Prinzip der „doppelten Proportionalität“ ein fester Bestandteil jeder neuen MaRisk-Novelle.[2]
Die aktuellen Herausforderungen bieten jedoch auch zahlreiche Chancen: Am 26. November 2024 veröffentlichte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eine Aufsichtsmitteilung[3], die erhebliche Erleichterungen für kleine und nicht-komplexe Kreditinstitute (Small and Non-complex Institutions – SNCIs) einführt. Die BaFin hat in einer aktuellen Mitteilung die Bedeutung der Proportionalität bei der Aufsicht über das Risikomanagement kleiner und nicht-komplexer Kreditinstitute (SNCIs) betont. Ziel ist es, den Verwaltungsaufwand für kleine Institute zu reduzieren und die Effizienz im Risikomanagement zu steigern, ohne die Stabilität und Sicherheit des Bankensystems zu gefährden.
1. Definition der Zielgruppe zur Aufsichtsmitteilung
Die BaFin führt mit ihrer Aufsichtsmitteilung eine einheitliche Definition für kleine und sehr kleine Kreditinstitute ein. Kleine Institute werden gemäß der Definition für SNCIs („small and non-complex institution“) nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 145 CRR klassifiziert. Dazu zählen Institute, deren Gesamtwert der Vermögenswerte bei einem Vierjahresdurchschnitt maximal € 5,0 Mrd. beträgt. Sehr kleine Institute hingegen haben einen Schwellenwert von € 1,0 Mrd., wobei die gleiche Berechnungsmethodik angewendet wird.
Die Aufsichtsmitteilung zu den MaRisk-Proportionalitätsanforderungen richtet sich an SNCIs gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 145 CRR. Dies betrifft Institute, die u. a. nicht börsennotiert sind, deren Handelsbuchtätigkeiten als gering eingestuft werden und deren Bilanzsumme 5 Mrd. € nicht übersteigt. Die BaFin behält sich jedoch das Recht vor, Institute trotz Erfüllung dieser Kriterien aufgrund ihrer Größe, Verflechtung, Komplexität oder ihres Risikoprofils als Nicht-SNCIs einzustufen. Diese Befugnis ist bedeutend, da im Jahr 2024 mindestens zwei genossenschaftliche Institute entsprechend eingestuft wurden. [...]
Beitragsnummer: 22861