Henning Riediger, Prüfungsleiter, Referat Bankgeschäftliche Prüfung Hannover, Deutsche Bundesbank
Mit der MaRisk-Novelle aus 2024 setzt die deutsche Aufsicht für die LSIs die Vorgaben aus den EBA-Leitlinien über Zinsänderungsrisiken und Kreditspreadrisiken im Anlagebuch (EBA/GL/2022/14) um.
Einordnung und Geltungsbereich
Mit der MaRisk-Novelle aus 2024 setzt die deutsche Aufsicht für die LSIs die Vorgaben aus EBA-Leitlinien zu Zinsänderungsrisiken und Kreditspreadrisiken im Anlagebuch (EBA/GL/2022/14) auch für die Kreditspreadrisiken im Anlagebuch um.
Zum Zusammenspiel von MaRisk und EBA-Leitlinien nimmt die deutsche Aufsicht wie folgt Stellung: „Überall dort, wo die MaRisk nicht auf einzelne Textziffern der EBA-Leitlinien verweisen, sind für die weniger bedeutenden Institute [LSI] in Deutschland die Anforderungen aus den EBA-Leitlinien durch Vorgaben in den MaRisk abgedeckt.“ (Quelle; BaFin, Anschrieben zur MaRisk-Novelle 2024). Für die als signifikanten Institute eingestuften Institute bemisst sich die Behandlung nach der Verwaltungspraxis unter Federführung der EZB, welche unmittelbar auf die EBA-Leitlinien abstellt.
Der Veröffentlichung der 8. MaRisk-Novelle am 29.05.2024 ging eine entsprechende Konsultationsphase voraus. Die folgenden Darstellungen beziehen sich ausschließlich auf die finale Version.
Steuerung und Überwachung von Zinsänderungsrisiken
Für den Bereich der klassischen Zinsänderungsrisiken sind die Neuerungen von überschaubarem Ausmaß, konzentrieren diese sich vorrangig auf Anpassungen und Ergänzungen. Insbesondere auch um das Wording mit den RTF-Leitfäden zu harmonisieren und die Änderungen aufgrund des Wegfalls des Annexes des RTF-Leitfadens von 2018 abzubilden. Weiterhin explizit zu benennen sind die angepassten Vorgaben im Bereich des AT 4.2 Tz. 2 MaRisk als Erläuterung, wonach insbesondere für Sicherungsgeschäfte zur Steuerung von Zinsänderungsrisiken objektiv überprüfbare Vorgabe festzulegen sind. Warum sich die Aufsicht allerdings für die weiche Formulierung entschieden hat, dass diese strategischen Vorgaben Teil der Risikostrategie sein „können“, entzieht sich dem Verständnis des Autors. Hier wäre eine konsistente Einbeziehung dieser gleichwohl strategischen Vorgaben in die Risikostrategie explizit zu erwarten. Welche konkreten inhaltlichen Punkte zu erwarten sind, wird über die Verweisfunktion auf die EBA-Guideline EBA/GL/2022/14 vorgegeben. Besonderes Augenmerk liegt auch hier auf dem Schwerpunkt der ökonomischen Perspektive in der Risikosteuerung. Von daher sollen rechnungslegungsrelevante Sachverhalte bekannt sein, die tatsächliche Steuerung soll sich aber an den ökonomischen Notwendigkeiten orientieren.
Auch wenn im Anschreiben ausgeführt wird, dass die einzelnen Risikotreiber in der Risikosteuerung bzw. Risikomessung „nicht (zwingend) separat“ gesteuert bzw. gemessen werden müssen, so ist jedoch darauf zu achten, dass die jeweiligen Risikotreiber in der Risikoinventur vollständig analysiert und bewertet werden. Die Risikoinventur ist demnach die zentrale Weichenstellung, welche Risikotreiber innerhalb der Steuerung und Überwachung der wesentlichen Risiken einbezogen werden müssen. Dies bedeutet, die Nichteinbeziehung ist nachvollziehbar zu begründen. Die vorgenannte Formulierung im Übersendungsschreiben ist demnach kein Freibrief für eine willkürliche Einbeziehung (bzw. Ausblendung) von Risikotreibern.
BTR 5 – Kreditspreadrisiken erhalten eigenen Abschnitt in den MaRisk
Neu ist der Bereich des BTR 5 der MaRisk, welcher sich mit den Kreditspreadrisiken des Anlagebuchs auseinandersetzt und aufgrund der erstmaligen expliziten Erwähnung in den MaRisk auch mit einer entsprechenden Übergangsphase der verpflichtenden Einhaltung ab Januar 2025 versehen ist.
Bereits in der Konsultation der 8. MaRisk-Novelle zeichnete sich ab, dass eine Einstufung der Kreditspreadrisiken des Anlagebuchs als eigenständige wesentliche Risikoart von Seiten der „Industrie“ wenig Unterstützung fand. Somit folgt die finale Novelle auch dem ursprünglichen Grundprinzip der MaRisk und verlangt faktisch eine angemessene Betrachtung und Behandlung, unabhängig von der möglicherweise rein formellen Einordnung. Schaut man sich die bisherige Behandlung der Kreditspreadrisiken in den jeweiligen Verbünden der Volks- und Raiffeisenbanken sowie der Sparkassen an, so wird man feststellen, dass die eine Gruppe die Kreditspreadrisiken als Unterart der Marktpreisrisiken [Sparkassen] und die andere Gruppe diese eher dem Adressrisiko zuordnet [Volks- und Raiffeisenbanken]. Von daher ist es nachvollziehbar, dass eine rein akademische Diskussion an dieser Stelle zu keinem erkennbaren Mehrwert führt, sondern gemäß dem Grundsatz der MaRisk folgend, eine angemessene Behandlung und Berücksichtigung erfolgen muss.
Die Vorgaben zu Kreditspreadrisiken sind in den MaRisk zunächst auf einer sehr aggregierten Ebene vorzufinden. Unter Nutzung der Erläuterungen ergibt sich jedoch ein deutlich weiteres Spielfeld, welches durch explizite Verweise auf die EBA-Guideline EBA/GL/2022/14 eröffnet wird. Durch diese Überleitung ergeben sich zwar keine Blaupausen für die Institute, aber es werden die Stichworte geliefert, welche anschließend bei der institutsinternen Umsetzung (oder im besten Fall „Überarbeitung“) Berücksichtigung finden sollen.
Tz. 2 des BTR 5 MaRisk bezieht sich auf die Identifikation und Beurteilung von Kreditspreadrisiken im Anlagebuch und stellt somit die bekannte (Risiko-)Inventurkomponente dar. Hierbei müssen zunächst sämtliche Positionen identifiziert werden und anschließend anhand der Sensitivität der Geschäftsposition gegenüber Veränderungen der Kreditspread-Komponente entschieden werden, inwiefern diese in die Steuerung und Überwachung einbezogen werden. Ausdrücklich wird auf die Möglichkeit hingewiesen, dass nach angemessener Begründung und entsprechender Dokumentation (Hinweis AT 6 Tz. 2 MaRisk) bestimmte Positionen auch nicht berücksichtigt werden können. Von daher ist in der Umsetzungspraxis Vorsicht angemahnt, wenn Institute einzelne Geschäftspositionen über diese Öffnungsklausel ausschließen. Der MaRisk-technisch saubere (und aufsichtlich akzeptierte) Weg wäre über die Bedeutung der jeweiligen Treiber der betreffenden Kreditspreadrisikoposition vorzugehen.
Für die Durchführung der Identifizierung und Beurteilung aus Tz. 2 wird auf entsprechende Passagen (Tzn. 120 und 125) der EBA-Guideline EBA/GL/2022/14 verwiesen, welche wiederum als Anhaltspunkte bzw. notwendige Stichworte angesehen werden können bzw. müssen.
PRAXISTIPPS
- Weisen die Vorgaben der Strategien objektiv überprüfbare Vorgaben für die Steuerung und Überwachung der Zinsänderungsrisiken und Kreditspreadrisiken auf?
- Sind die Instrumente der Strategien im Berichtswesen integriert?
- Decken die Inhalte der risikostrategischen Vorgaben alle Geschäftsbereiche der Bank mit den jeweiligen Risikotreibern ab?
- Verfügt die Bank über die erforderlichen Ressourcen (Know-how, Technik, Kapazitäten etc.) um die im Rahmen der Strategien formulierten Ziele erreichen zu können?
- Passt das Limitsystem zur für das Zinsänderungsrisiko und Kreditspreadrisiko formulierten Risikostrategie?
- Sind in der Risikostrategie für das Zinsänderungsrisiko und Kreditspreadrisiko alle bedeutenden Risikoquellen erfasst (Portfolien, Derivate, Spezialfonds etc.)?
- Kennt das Aufsichtsorgan die Strategien und sind diese mit ihm erörtert?
Beitragsnummer: 22863