Montag, 20. Januar 2025

Warnpflichten bei sog. Enkeltrick

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

Im Anschluss an die Entscheidung des Landgerichts Dortmund vom 24.01.2024, 3 O 340/23 (BeckRS 2024, 904 m. Anm. Meier, Banken-Times Spezial Bankrecht, Ausgabe April 2024, S. 30), hat das Landgericht Bonn, dem Landgericht Dortmund folgend, in seinem Urteil vom 07.08.2024, 2 O 112/24 (BeckRS 2024, 32302), entschieden, dass eine Bank dann, wenn eine ältere 60-Jährige und sichtlich nervös und aufgelöst wirkende Kundin am Bankschalter die Barauszahlung eines für sie unüblich hohen Betrages verlangt, ohne Hinzutreten weiterer, außergewöhnlicher Umstände nicht verpflichtet ist, die Motivation der Kundin für die Barabhebung zu hinterfragen (Rn. 19). Insbesondere, so das Landgericht weiter, sei die Bank nach ordnungsgemäß erfolgter Legitimationsprüfung ohne Hinzutreten besonderer massiver Verdachtsmomente nicht verpflichtet zu überprüfen, ob die über ihr eigenes Konto verfügungsberechtigte Kundin Opfer eines sogenannten Enkeltricks geworden ist. Ganz im Gegenteil: Die Bank als Zahlungsdienstleister, welche nur zum Zwecke der technisch einwandfreien, einfachen und schnellen Abwicklung tätig werde, könne sich auch bei Bargeldauszahlungen am Schalter grundsätzlich auf eine rein formale Prüfung des Inhalts beschränken, ob der ihr erteilte Auftrag seinem äußeren Erscheinungsbild nach in Ordnung ist (Rn. 18). Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn die Bank ohne nähere Prüfung im Rahmen der normalen Bearbeitung eines Zahlungsauftrags aufgrund einer auf massiven Verdachtsmomenten beruhenden objektiven Evidenz den Verdacht schöpft, dass ihr Kunde Opfer einer Straftat werden könnte (Rn. 18). Dabei sei in den Fällen der vorliegenden Art zu berücksichtigen, dass es nicht etwa um die Barauszahlung an einen Nichtberechtigten gehe, sondern um die Auszahlung von Bargeld an eine vollgeschäftsfähige Kontoinhaberin und das der Schaden in den Enkeltrickfällen grundsätzlich nicht bereits mit der eigentlichen Bargeldauszahlung durch die Bank entsteht, sondern erst mit der Weitergabe des Geldes durch den das Bargeld abhebenden Kontoinhaber an den nichtberechtigten Betrüger (Rn. 21).


PRAXISTIPP

Opfer von sog. Enkeltricks versuchen in letzter Zeit vermehrt, den ihnen durch die Betrugsfälle entstandenen Schaden auf Ihr kontoführendes Kreditinstitut abzuwälzen, bei welchem diese die an den Betrügern leichtgläubig ausgehändigten Geldscheine zuvor in Bar abgehoben haben (zu einer ähnlichen Fallkonstellation vgl. LG Dortmund, 24.01.2024, a. a. O.).

Für die rechtliche Bewertung und Beurteilung der sogenannten Enkeltrick-Fälle ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei den vom Enkeltrick betroffenen Kunden grundsätzlich zwar um ältere Personen handelt. Ebenso klar ist aber auch, dass es sich bei diesen grundsätzlich gerade nicht um hochbetagte, hilfsbedürftige und/oder geschäftsunfähige Personen handelt, sondern um solche, welchen ihr Handeln und dessen Tragweite durchaus bewusst ist (Rn. 20). Dies hat wiederum zur Konsequenz, dass diese älteren vollgeschäftsfähigen Personen nach dem Grundsatz der rollenbedingten Verantwortlichkeit die volle Verantwortung für ihr eigenes leichtfertiges Tun tragen. Hinzukommt, dass es in der Regel an einem adäquat kausalen Schaden fehlen dürfte. Dies selbst dann, wenn man eine Pflichtverletzung der kontoführenden Bank gegenüber dem abhebenden Kunden bejahen wollte; dies deshalb, weil in den sogenannten Enkeltrick-Fällen – hierauf weist auch das Landgericht Bonn in Rn. 21 hin – der Schaden der Bankkundin gerade nicht unmittelbar durch die Bargeldabhebung am Bankschalter entsteht, sondern erst mittelbar durch eine zeitlich spätere eigenständige Handlung der Bankkundin (wie hier Zahrte, BKR 2024, 593, 595). Dies zugrunde legend ist es verfehlt, allein aufgrund des Alters, der zutage getretenen Nervosität sowie aufgrund der erstmaligen Abhebung eines ungewöhnlich hohen Geldbetrages die Bank als verpflichtet anzusehen, den betroffenen Bankkunden nach der Motivation der Bargeldabhebung zu befragen und hieran anschließend jedenfalls vor der Bargeldabhebung und Weitergabe an Dritte zu warnen (so aber im Ergebnis wohl Lang/Hofbauer, BKR 2024, 323, 324 f. sowie Salger, ZIP 2024, 1824, 1825; wie hier wiederum Zahrte, BKR 2024, 593 ff.) Dies gilt umso mehr, als in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt ist, dass eine Bank weder generell prüfen muss, ob die Abwicklung des Zahlungsverkehrsvorganges Risiken für einen Beteiligten begründet, noch Kontobewegungen allgemein und ohne besondere Anhaltspunkte überwachen muss (so auch BGH, 14.05.2024, XI ZR 327/22, BeckRS, 12768).


Beitragsnummer: 22869

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