Frank Fleckenstein, Bereichsleiter Unternehmensentwicklung, Sparkasse KölnBonn
Alexander Odendahl, Product Owner GenKI, Sparkasse KölnBonn
Prof. Dr. Tobias Schlüter, Professor am Schmalenbach Institut für Wirtschaftswissenschaften, Technische Hochschule Köln
Die Finanzbranche steht vor enormen Herausforderungen: Demografisch bedingter Fachkräftemangel, steigende Kosten und wachsende Kundenerwartungen zwingen Institute, ihre Prozesse grundlegend zu optimieren. Klassische Ansätze wie Robotic Process Automation (RPA) stoßen zunehmend an ihre Grenzen, da sie bei komplexen und datenintensiven Aufgaben unflexibel sind. Generative Künstliche Intelligenz (GenKI) bietet eine völlig neue Perspektive: Sie ermöglicht nicht nur die Automatisierung von Routinetätigkeiten, sondern auch die effiziente Bearbeitung anspruchsvoller Prozesse – und leitet damit die neue Ära der Prozessautomation ein.
Von Assistenten zu Agenten: Die Evolution der KI
GenKI kann auf zwei Entwicklungsstufen eingesetzt werden: als Assistent oder als Agent. Assistenten, wie bspw. ChatGPT, agieren reaktiv und unterstützend. Sie erleichtern den Zugang zu Informationen und reagieren auf Nutzeranfragen. Assistenten bleiben jedoch abhängig von proaktiver Nutzung durch die Mitarbeitenden.
GenKI-Agenten hingegen repräsentieren die nächste Entwicklungsstufe: Sie handeln proaktiv und eigenständig. Nach einer fundierten „Ausbildung“ können sie komplexe Prozesse autonom ausführen und übernehmen klar definierte Arbeitsaufträge, wobei die Autonomiestufe flexibel anpassbar ist. Die Mitarbeitenden nehmen (nur) eine Kontrollfunktion („human in the loop“) ein, was eine ideale Balance zwischen Effizienz und Qualität schafft. Diese Eigenständigkeit der Agenten ermöglicht eine signifikante Entlastung von Mitarbeitenden und eine neue Skalierbarkeit operativer Prozesse.
Technologische Basis: LLMs und nahtlose Integration
GenKI-Agenten nutzen Large Language Models (LLMs) wie GPT, LLaMA oder Mistral, um aus Dokumentationen, Prozessbeschreibungen und Richtlinien zu lernen und diese praktisch anzuwenden. Eine nahtlose Integration in bestehende IT-Systeme ist dabei entscheidend.
Finanzinstitute setzen häufig OpenBanking-APIs ein, die den Zugriff auf Kernbanksysteme ermöglichen. GenKI-Agenten nutzen diese Schnittstellen, analysieren Daten und integrieren die Ergebnisse in bestehende Prozesse. Sogenannte Multi-Agent-Systeme orchestrieren dann die Aufgaben effizient, indem spezialisierte Agenten parallel zusammenarbeiten und komplexe Prozesse abwickeln.
Praxisbeispiele: Effizienzgewinne durch GenKI-Agenten
Die Einsatzmöglichkeiten von GenKI-Agenten sind vielfältig. Drei praxisnahe Szenarien zeigen ihre Wirkung:
- Reklamationsbearbeitung: GenKI-Agenten erstellen auf Basis von Verfahrensrichtlinien eigenständig Antwortvorschläge zu Kundenreklamationen, insb. mit rechtlichem Bezug. Mitarbeitende prüfen und genehmigen diese (nur noch), was den Bearbeitungsaufwand reduziert.
- Vertragsprüfung: Verträge werden in Sekunden analysiert, Abweichungen von Standards und Risiken erkannt, unklare Klauseln markiert und Änderungen vorgeschlagen. Mitarbeitende validieren die Ergebnisse, wodurch die Bearbeitung schneller und fehlerfreier wird.
- Rechnungsbearbeitung: GenKI-Agenten übernehmen automatisierte Kontierung und steuerliche Prüfung, extrahieren relevante Daten und erstellen Buchungsvorschläge. Mitarbeitende müssen diese nur noch freigeben, was den manuellen Aufwand deutlich senkt.
Herausforderungen und Lösungsansätze
Trotz ihrer vielversprechenden Möglichkeiten erfordert der Einsatz von GenKI-Agenten die Lösung spezifischer Herausforderungen:
- Daten- und Informationssicherheit: Da Finanzinstitute hochsensible Daten verarbeiten, müssen strenge Datenschutzrichtlinien wie die DSGVO eingehalten werden. GenKI-Agenten müssen sicherstellen, dass alle Prozesse auditierbar und datenschutzkonform ablaufen.
- Vermeidung von Halluzinationen: KI-Modelle können gelegentlich Inhalte generieren, die nicht auf tatsächlichen Daten basieren. Durch gezielte Konfiguration, Trainingsmethoden und iterative Feedbackschleifen kann sichergestellt werden, dass GenKI-Agenten valide Ergebnisse liefern.
- Regulatorische Anpassungsfähigkeit: Der Finanzsektor ist durch dynamische regulatorische Anforderungen geprägt. Eine flexible Trainingsarchitektur ist entscheidend, um neue Vorgaben effizient umzusetzen.
- Akzeptanz bei Mitarbeitenden: Der Erfolg von GenKI-Agenten hängt wesentlich von der Akzeptanz durch Mitarbeitende ab. Transparentes Change-Management und gezielte Schulungen können Ängste abbauen und die Vorteile der Technologie aufzeigen.
- Aufbau von Kompetenzen: Finanzinstitute benötigen Mitarbeitende mit spezifischen Kenntnissen in den Bereichen KI-Entwicklung, Datenmanagement und Systemintegration. Diese Expertise kann durch gezielte Weiterbildung oder Rekrutierung aufgebaut werden.
Fazit
GenKI-Agenten bieten Finanzinstituten die Chance, ihre Prozesse grundlegend zu transformieren. Durch ihre Fähigkeit, anspruchsvolle Aufgaben zu bearbeiten, schaffen sie Effizienzgewinne, minimieren Fehler und steigern die Arbeitszufriedenheit. Gleichzeitig erfordern sie eine durchdachte Einführung, um Datenschutz, regulatorische Anforderungen und Akzeptanz sicherzustellen.
Richtig integriert, werden GenKI-Agenten zu einer Schlüsseltechnologie, die Finanzinstitute zukunftssicher macht. Die Kombination aus modernster KI-Technologie, effizienter Prozessgestaltung und gezieltem Change-Management ermöglicht es, die Herausforderungen der Branche erfolgreich zu meistern und langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.
PRAXISTIPPS
- „Auf jeden Fall Anfangen!"
- IT-Strategie prüfen und justieren
- Kompetenzaufbau bei Mitarbeitenden und operative Auseinandersetzung mit der Technologie, z. B. über erste „Proof of Concepts" initiieren bzw. bereits gestartete Initiativen weiter forcieren
Beitragsnummer: 22880