Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
In seinen bisher lediglich durch die Pressemitteilung bekannt gewordenen drei Entscheidungen vom 04.02.2025, XI ZR 61/23, 65/23 und 161/23 hat der Bundesgerichtshof festgehalten, dass die Vereinbarung von Verwahrentgelten bei Girokonten grundsätzlich zulässig ist. Dies deshalb, weil mit dem Verwahrentgelt eine Hauptleistung aus dem Girovertrag bepreist wird, womit diese keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegt. Giroverträge seien nämlich typengemischte Verträge, bei denen die von der Bank erbrachten Leistungen Elemente des Zahlungsdiensterechts, des Darlehnsrechts und der unregelmäßigen Verwahrung aufweisen können. Die Verwahrung von Guthaben auf Girokonten stelle wiederum neben der Erbringung von Zahlungsdiensten eine den Girovertrag regelnde Leistung und damit eine Hauptleistung aus dem Girovertrag dar, welche, ohne AGB-rechtlich überprüfbar zu sein, bepreist werden könne.
Auch wenn dies in den Instanzen – soweit ersichtlich – bisher nicht thematisiert worden war, gelangte der Bundesgerichtshof in seinen vorstehend zitierten drei Entscheidungen zum weiteren, für alle Beteiligten überraschenden Ergebnis, dass die streitrelevanten Verwahrentgeltklauseln in den betroffenen Giroverträgen gegen das sich auch auf das Hauptleistungsversprechen erstreckende Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstoßen und damit gegenüber Verbrauchern unwirksam seien. Dies deshalb, weil die entsprechenden Klauseln nicht hinreichend genau darüber informieren würden, auf welches Guthaben sich das Verwahrentgelt bezieht. Die auf Girokonten bestehenden Guthaben könnten sich nämlich in Folge der Verbuchung von Gutschriften und Belastungen innerhalb eines Tages mehrfach ändern mit der Konsequenz, dass je nachdem, auf welchen konkreten Guthabenstand auf den Girokonten abgestellt wird, das Verwahrentgelt höherer oder niedriger ausfallen könnte. Insofern reiche die Formulierung „taggenaue Berechnung" nicht aus. Vielmehr müsse klargestellt werden, bis zu welchem Zeitpunkt Tagesumsätze auf den Girokonten bei der Berechnung des maßgebenden Guthabensaldos berücksichtigt werden.
Anders als bei Girokonten entschied der Bundesgerichtshof allerdings in seinen beiden Entscheidungen vom 04.02.2025, XI ZR 163/23 sowie 183/23 betreffend Verwahrentgelte bei Tagesgeldkonten und Spareinlagen. Im Wesentlichen begründet der Bundesgerichtshof seine diesbezüglich abweichende Meinung damit, dass Einlagen, Tagesgeldkonten und Sparkonten nicht nur der sicheren Verwahrung von Geldern dienen, sondern darüber hinaus auch Anlage- und Sparzwecken. Mit der Erhebung eines laufzeitabhängigen Verwahrentgelts würden daher Tagesgeldkonten und Spareinlagen gänzlich ihren Spar- und Anlagezweck verlieren, womit die von der Bank geschuldete Hauptleistung abweichend von der nach Treu und Glauben geschuldeten Leistungen verändert würde. Dies insbesondere deswegen, weil das laufzeitabhängige Verwahr- oder Guthabenentgelt mit dem den Spar- und Anlagezweck kennzeichnenden Kapitalerhalt nicht zu vereinbaren sei.
Hieran vermag nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Kreditinstitute im Euro-Raum im Zeitraum vom 11.06.2014–26.07.2022 auf bestimmte Einlagen, die sie bei ihrer nationalen Zentralbank unterhielten, negative Zinsen zu zahlen hatten.
Abschließend schließt sich der XI. Banken-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs der bereits von I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 11.09.2024, I ZR 168/23 vertretenen Rechtsauffassung an und hält fest, dass der Folgenbeseitigungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 Fall 1 UWG einen Anspruch auf Rückzahlung der auf der Grundlage unwirksamer Verwahrentgeltklausen vereinnahmten Entgelte an die betroffenen Verbraucher nicht umfasst.
Stünde damit dem Verbraucherschutzverband im Rahmen eines Klageverfahrens nach dem Unterlassungsklagengesetz kein Beseitigungsanspruch auf Rückzahlung rechtsgrundlos vereinnahmter Entgelte an die betroffenen Verbraucher unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs zu, dann bestehe auch der insoweit als Hilfsanspruch geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht.
PRAXISTIPP
Zu begrüßen ist, dass der Bundesgerichtshof in vorstehenden Entscheidungen die grundsätzliche Zulässigkeit der Vereinbarung von Verwahrentgelten bei Girokonten bestätigt hat. Sehr erfreulich ist zudem, dass sich der XI. Bankensenat des Bundesgerichts der Rechtsauffassung des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs angeschlossen und dargestellt hat, dass einem Verbraucherschutzverband über § 8 Abs. 1 u. 2 UWG kein Folgenbeseitigungsanspruch dahingehend zusteht, dass er damit die Rückzahlung rechtsgrundlos vereinnahmter Entgelte durch die Bank an die betroffenen Verbraucher verlangen kann (vgl. hierzu auch Edelmann, BTS-Ausgabe September 2024, S. 67 f. m. w. N.).
Dass der Bundesgerichtshof entgegen der bisherigen Instanz-Rechtsprechung und Literatur sowie selbst entgegen dem betroffenen Verbraucherschutzverband die Verwahrentgeltklauseln als intransparent angesehen hat, weil in den Klauseln „nur" festgehalten ist, dass die Berechnung „taggenau" erfolgt, verwundert ein wenig. Denn es dürfte für jedermann klar sein, dass das Verwahrentgelt auf der Grundlage des am Ende des Tages täglich ermittelten Tagesgeldsaldos berechnet wird und dass Institute nicht willkürlich den Zeitpunkt der Tagesumsätze auf den Girokonten bestimmen, der für sie Ende des Tages am günstigsten ist. Diesbezüglich wird abzuwarten sein, wie ausführlich der Bundesgerichtshof seine dahin gehende Meinung in seinen Urteilen begründen wird.
Was wiederum Tagesgeldkonten und Spareinlagen betrifft, so ist nicht ganz ersichtlich, weswegen der Bundesgerichtshof trotz Vereinbarung von Verwahrentgelten auf den Anlage- und Sparzweck solcher Konten abstellt. Denn nach hiesiger Auffassung haben die Parteien bei der Vereinbarung von Verwahrentgelten für solche auch auf Tagesgeldkonten und Spareinlagen liegenden Guthabensbeträge ganz bewusst den Anlage- und Sparzweck dieser Konten dahingehend relativiert und abgeändert, dass solche Konten dann nicht zu Spar- und Anlagezwecken dienen, wenn Kreditinstitute selbst verpflichtet sind, Negativzinsen bzw. Verwahrentgelte an deren Zentralbank auch für solche Guthabenbeträge zu bezahlen. Auch hier bleibt jedoch abzuwarten, wie die Argumentation des Bundesgerichtshofs in den Entscheidungsgründen ausfallen wird.
Nachdem der Bundesgerichtshof selbst in seiner Pressemitteilung hervorhebt, dass die Verwahrentgeltklauseln aufgrund Verstoßes gegen das Transparenzgebot „gegenüber Verbrauchern unwirksam sind", bleibt in der Praxis abzuwarten, ob seine in seinen Entscheidungen vom 04.02.2025 aufgestellten Transparenzargumente auch für Girokontoverträge mit Unternehmen gilt, was nicht ohne Weiteres der Fall sein dürfte. Dies gilt umso mehr, als gegenüber Unternehmern möglicherweise die Klausel „taggenau" als verständlicher formuliert angesehen werden könnte.
Je nachdem, wie genau der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen den Verstoß gegen das Transparenzgebot begründen wird, wird man sich in der Praxis darüber streiten müssen, wann eine Formulierung hinsichtlich der Berechnung des Verwahrentgelts dem Transparenzgebot noch genügt. Dies dürfte nach hiesiger Meinung dann der Fall sein, wenn offenkundig ist, dass maßgeblich für die Inansatzbringung des Verwahrentgelt der täglich ermittelte Tagessaldo ist, welcher grundsätzlich immer am Ende des Tages festgestellt wird.
Beitragsnummer: 22910