Mittwoch, 5. März 2025

Rangdynamiken in der Führung: Erfolgreich kommunizieren und handeln

Wie bewusste Prozessarbeit und Rangdynamiken Frauen in Führung stärken – ein Interview mit Valentina Rauch über Machtstrukturen, Compliance & erfolgreiche Zusammenarbeit



Valentina Rauch, Commerzbank AG, im Interview mit Heidi Bois, Vorstand, FCH AG, Heidelberg

 

Heidi Bois: Was hat dich dazu motiviert, dich neben deiner beruflichen Tätigkeit intensiver mit dem Thema Prozessarbeit und Rangdynamiken zu beschäftigen?

 

Valentina Rauch: Meine fachlichen Kompetenzen stießen an ihre Grenzen, insbesondere was ihren Einflussbereich betraf. Obwohl ich in vielen Situationen im Recht war, fiel es mir oft schwer, meine Ergebnisse verständlich und zielgruppengerecht an die Stakeholder zu kommunizieren. Ich hatte den Wunsch, eine gemeinsame Sprache zu finden, Synergien zu nutzen und Lösungen gemeinsam zu entwickeln, anstatt mühsam allein zu einem Ergebnis zu kommen.

Am Institut für Prozessarbeit in Deutschland lerne ich, wie man mit Prozessen arbeitet. Prozessorientiertes Denken bedeutet, Entwicklungen bewusst zu verfolgen und nicht-lineare Prozesse zu gestalten. Anstatt eine fertige Fachlösung zu präsentieren, geht es darum, das System oder ein Meeting ganzheitlich im „Hier und Jetzt" zu betrachten.

 

Heidi Bois: Im Bereich Audit und Compliance gibt es oft klare Hierarchien und Regeln. Welche Rolle spielen informelle Rangdynamiken in deinem Arbeitsumfeld?

 

Valentina Rauch: Laut Kapitel 3, „Rank: a Double Signal", aus dem Buch Sitting in the Fire von Arnold Mindell setzt sich Rang aus den individuellen Privilegien einer Person zusammen. Wir können unseren eigenen Rang nicht im Spiegel sehen, aber wir können ihn spüren.

Struktureller Rang basiert auf der Rolle innerhalb eines Systems oder einer Organisation sowie auf der Position in einer Hierarchie. Ein hoher Rang zeigt sich bspw. daran, dass eine Person ihre Meinung gelassen äußern kann – selbst dann, wenn sie weiß, dass ihre Aussage nicht den Tatsachen entspricht. Ein niedriger Rang hingegen führt dazu, dass eine Person lange überlegt, ob sie ihre Meinung überhaupt äußern darf. Während eines Gesprächs kann dies dazu führen, dass man sich „fehl am Platz" fühlt und innere Selbstzweifel aufkommen.

Bewusstsein über den eigenen Rang ist entscheidend, um Konflikte vorzubeugen. Wird ein hoher Rang unbewusst eingesetzt, kann dies zu Spannungen führen. Deshalb ist es hilfreich, sich der eigenen Rangposition vor einem Gespräch bewusst zu werden, sie zu notieren und aktiv damit zu arbeiten.

Ein Auditor oder Revisor hat bspw. von Natur aus einen hohen Rang, da er eine kritische Rolle einnimmt. Wenn ich in einem Fachgespräch meine Position so formuliere, dass mein Interesse auf der Optimierung interner Prozesse liegt – etwa um versteckte Risiken präziser zu identifizieren –, trägt dies zu einer positiven Gesprächsatmosphäre bei. Noch wirkungsvoller ist es, wenn ich auch den Rang meines Gegenübers anerkenne, bspw. indem ich betone: „Sie haben ein starkes Compliance-Team aufgebaut, um Sanktionsrisiken zu minimieren."

Dies unterscheidet sich deutlich von einer Formulierung wie: „Ich bin hier, um Mängel zu identifizieren und persönliche Verantwortlichkeiten einzelner Mitarbeiter, insbesondere von Führungskräften, offenzulegen." Eine solche Aussage könnte dazu führen, dass mein Gesprächspartner sich sofort in einer niedrigeren Rangposition fühlt und meine Argumente aus einer Abwehrhaltung heraus bekämpft. In diesem Fall könnte die Fachseite mich darauf hinweisen, dass ich kein Spezialist für Compliance-Prozesse bin, sondern diese nur gelegentlich überprüfe.

Das bedeutet: Mein hoher Rang wird infrage gestellt, und ich rutsche in eine niedrigere Rangposition. Eine konstruktive Zusammenarbeit wird dadurch erschwert. Kritik kann nur aus einer Position des hohen Rangs heraus akzeptiert werden.

 

Heidi Bois: Hast du Beispiele aus deiner Arbeit, in denen das bewusste Wahrnehmen von Rangdynamiken zu einer besseren Zusammenarbeit oder Lösung geführt hat?

 

Valentina Rauch: Ja, definitiv. Ich habe eine Verbündete auf der Managementebene der Fachseite gefunden, indem ich ihre Wünsche für die Zusammenarbeit berücksichtigt und ihre Stärken in der schriftlichen Kommunikation hervorgehoben habe. Dadurch konnte ich meinen Rang als Lead Auditor verkörpern und gleichzeitig die geprüfte Einheit aus der Perspektive eines eigenen hohen Rangs betrachten lassen. Es ist einfacher, Verbesserungspotenziale statt reine Kritik zu sehen, wenn man mit der eigenen Stärke verbunden ist.

Auch wenn ich eine Feststellung schreibe, setze ich klare Grenzen meines Einflussbereichs, indem ich den Sachverhalt neutral formuliere und die Perspektive der Fachseite berücksichtige.

 

Heidi Bois: Welche Erfahrungen hast du in deiner Position mit Rangdynamiken gemacht, die möglicherweise anders sind als die deiner männlichen Kollegen?

 

Valentina Rauch: Mann und Frau sind strukturelle Kategorien, die aus patriarchalen Strukturen stammen.

Wenn meine männlichen Kollegen bestimmend und präsent auftreten, wird dies als „charismatisch" wahrgenommen. Wenn ich jedoch dasselbe tue, werde ich als „archaisch" bezeichnet. Wenn ich meine Rolle bewusst rahme, z. B. mit der Aussage „Für mich als Lead Auditor ist es wichtig..." oder „Aus der Erfahrung ähnlicher Sachverhalte an drei anderen Standorten ist es essenziell, dies und jenes zu tun", wird dies eher akzeptiert.

 

Heidi Bois: Welche Vision hast du für die Zukunft der Bankenbranche in Bezug auf Macht, Rang und Führung?

 

Valentina Rauch: Meine Vision für Frauen in der Bankenbranche ist, dass sie mit ihren Führungsqualitäten nicht als „archaisch" oder „bossy", sondern als charismatisch und kompetent wahrgenommen werden. Wenn eine Frau eine Idee teilt, sollte sie nicht aus Angst Strategien entwickeln müssen, sondern ihre Vision fließend erklären können, um Gleichgesinnte zu finden.

 

Heidi Bois: Welche Botschaft würdest du Frauen in Fach- und Führungspositionen mitgeben, die sich im Spannungsfeld zwischen klaren Regeln und informellen Dynamiken bewegen?

 

Valentina Rauch: Es ist wichtig, sich bewusst Zeit zu nehmen, um die eigene Situation wahrzunehmen. Vor Meetings ist es hilfreich, sich die eigenen Stärken aufzuschreiben und sich aktiv mit ihnen zu verbinden. Die unbewusste Fixierung auf eigene Mängel kann zu körperlicher Anspannung führen.

Ein Perspektivwechsel kann unterstützend wirken: Sich vorzustellen, wie ein Mann mit ähnlichen Qualifikationen auftreten würde, seine körperliche Haltung einzunehmen und aus dieser Position heraus zu agieren, kann eine wertvolle Hilfe sein.

 

Heidi Bois: Wie können Frauen in Führungspositionen innerhalb einer Bank bestehende Vorurteile abbauen und dazu beitragen, als „charismatisch" statt „emotional" wahrgenommen zu werden?

 

Valentina Rauch: Unabhängig vom Geschlecht werden Führungskräfte oft mit Vorurteilen konfrontiert. Sich davon innerlich zu distanzieren, ist bereits ein erster Schritt. Sollte während eines Meetings ein sexistischer Witz gemacht werden, kann es hilfreich sein, ihn als Anerkennung eigener Stärken zu interpretieren, anstatt direkt darauf zu reagieren.

 


Beitragsnummer: 22925

Beitrag teilen:

Produkte zum Thema:

Produkticon
Arbeitsbuch WpHG-Compliance

89,00 € inkl. 7 %

Produkticon
FCH BankHer 2025: Aktuelle Regulatorik & Netzwerk für Bankerinnen

99,00 € exkl. 19 %

13.05.2025

Beiträge zum Thema:

Beitragsicon
Die Entwicklung einer effektiven Risiko- und Compliance-Kultur

Wo strukturierte Einarbeitung & Integration fehlt, wird Risiko- & Compliance-Kultur zum Zufallsprodukt - Regelverstöße entstehen fehlendem Risikobewusstsein.

28.04.2025

Beitragsicon
Die BaFin veröffentlicht Risiken im Fokus der Aufsicht 2025

Die Veröffentlichung „Risiken im Fokus der BaFin“ beschreibt sechs wesentliche Risiken und drei wichtige Trends, die als besonders kritisch betrachtet werden.

13.03.2025

Beitragsicon
Brokerhaftung bei Nichtausführung von Order

Auf einer Handelsplattform aufgetretenen technischen Störung sind nicht Bestandteil des bankseitigen Leistungsversprechens führen nicht zum Schadensersatz.

17.04.2025

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit dem Tool Matomo aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Matomo.