Dr. Mark Tomas Birkner, Fachanwalt für Arbeitsrecht, BBL Brockdorff Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main
Digitalisierung und Individualisierung prägen eine Arbeitskultur, in der Flexibilität und Mobilität zentrale Bestandteile sind. Besonders das Konzept der „Workation“ – eine Kombination aus „Work“ und „Vacation“ – hat sich als Arbeitsmodell verbreitet. Arbeitnehmende erbringen dabei ihre Leistungen zwar nicht während der Urlaubszeit, aber von einem Urlaubsort im Ausland aus. Einen Anspruch auf „Workation“ haben Arbeitnehmende regelmäßig nicht[1], Unternehmen möchten aber häufig dem Wunsch danach entsprechen.
Auf den ersten Blick scheint „Workation“ für beide Seiten vorteilhaft zu sein: Arbeitnehmende liefern die Arbeitsleistung remote und genießen in den arbeitsfreien Stunden die Vorzüge ihres Reiseziels. Bei genauer Betrachtung bringt „Workation“ aber erhebliche Herausforderungen mit sich. Zentral ist die juristische Frage, ob neben dem deutschen Recht auch gesetzliche Vorgaben des „Workation“-Landes zur Anwendung kommen – insbesondere in den folgenden Bereichen.
Herausforderungen
Viele Länder verlangen eine spezielle Arbeitserlaubnis, wenn während des Auslandsaufenthalts gearbeitet wird. National unterschiedliche Arbeitszeitgesetze setzen Grenzen für Höchstarbeitszeiten, Ruhezeiten und Pausenregelungen[2] und können arbeitsrechtliche Konsequenzen, Bußgelder und Schadensersatzansprüche nach sich ziehen.
National unterschiedlicher Kündigungsschutz kann strenge Voraussetzungen für eine rechtmäßige Kündigung vorschreiben[3]. Gesetzliche Urlaubsansprüche sind zwingend geregelt und können nicht zulasten der Arbeitnehmenden eingeschränkt werden[4]. Zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten enthalten ebenso zwingende Arbeitsschutzgesetze national unterschiedliche Regelungen. Besonders zu prüfen ist, ob im Land der „Workation“ eine zusätzliche Sozialversicherungspflicht[5] mit Melde- und Abführungspflichten entsteht, um Nachzahlungspflichten, Sanktionen sowie Sozialversicherungsbetrug zu vermeiden. Das nationale Steuerrecht kann Doppelbesteuerung und Quellensteuerpflicht[6] verursachen.
Umgang mit Herausforderungen
Bei der Prüfung, ob in „Workation“ deutsches, ausländisches oder ein „Misch-Recht“[7] zur Anwendung kommt, ist zunächst vom Grundsatz des internationalen Arbeitsrechts „lex loci laboris“ auszugehen: Das Gesetz des Landes, in dem regelmäßig gearbeitet wird, ist anwendbar[8]. Das Bundesarbeitsgericht entschied entsprechend in einem Fall, dass trotz eines deutschen Arbeitsvertrags ausländisches Recht anwendbar sein kann, wenn Arbeitsleistung im Ausland erbracht wird[9]. Die Prüfung des Rechts des „Workation“-Landes ist daher stets erforderlich, denn es kann, wenn es Arbeitnehmende begünstigt, vertraglich nicht ausgeschlossen werden – auch nicht einvernehmlich. So müssen Arbeitnehmende bei der Erlangung eines Arbeitsvisums unterstützt werden und national abweichende Arbeitszeitvorgaben, Kündigungsschutz, Urlaubsansprüche und Arbeitsschutz kommen zur Anwendung, wenn sie für Arbeitnehmende günstiger sind.
Mit Blick auf das Steuerrecht kann man den Herausforderungen mit zeitlichen Höchstgrenzen entgegentreten, wenn bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen die Einhaltung einer maximalen Dauer der „Workation“ vorsehen. Gerichte entschieden in derartigen Fällen, dass eine „Workation“ von mehr als 183 Tagen im Ausland dazu führt, dass Arbeitnehmende dort steuerpflichtig werden[10].
Die Risiken einer doppelten Sozialversicherungspflicht können durch Beantragung einer A1-Bescheinigung für EU-Auslandseinsätze auf Veranlassung des Unternehmens[11] eingedämmt werden. Der Europäische Gerichtshof entschied hierzu grundsätzlich, dass A1-Bescheinigungen, welche bei einem Auslandseinsatz die Geltung der deutschen Sozialversicherungspflicht bescheinigen, umfassende Bindungswirkung sowohl gegenüber der Sozialverwaltung im Ausland als auch gegenüber Gerichten haben[12].
Unumgänglich sind stets klare arbeitsvertragliche Vereinbarungen, um dispositives Recht des „Workation“-Landes auszuschließen[13]. Sinnvoll kann zudem sein, die „Workation“ auf bestimmte Länder, beispielsweise solche mit Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Arbeitsrecht, zu begrenzen.
PRAXISTIPPS
- „Workation“ ermöglicht Flexibilisierung, bringt aber rechtliche Herausforderungen mit sich.
- Die Prüfung der rechtlichen Vorgaben im „Workation“-Land ist unerlässlich.
- Klare arbeitsvertragliche Leitlinien und Rahmenbedingungen minimieren die Risiken und bringen Vorteile sowie rechtliche Vorgaben in Einklang.
[6] Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.12.2010, I B 94/10.
[7] Herfs-Röttgen, Beschäftigung von Arbeitnehmern im Ausland, NZA 2017, S. 873, 874.
Beitragsnummer: 22962