
Stephanie Kamp LL.M., Rechtsanwältin und Compliance Officer (Univ.) mit dem Tätigkeitsschwerpunkt der Beratung in den Gebieten des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts sowie der Criminal Compliance, stetter Rechtsanwälte in München
Seit Beginn des Jahres widmet sich diese Kolumne dem Straftatbestand des Betrugs. Nachdem wir (d. h. Herr Oberstaatsanwalt als Hauptabteilungsleiter Markus Weimann und ich), zunächst die Strafnorm des § 263 Strafgesetzbuch (StGB) und deren einzelne Tatbestandsmerkmale darlegten, folgte daran anschließend eine Vorstellung der zahlreichen Erscheinungsformen des Betrugs und dessen Begleitdelikte. In der vorliegenden Ausgabe des BankPraktiker widmen wir uns nun dem sogenannten Phänomen des „Greenwashing“.
Klimawandel und Umwelt, soziale Fragen und eine gute Unternehmensführung, kurz ESG (Environmental, Social and Corporate Governance) – diese Themen haben seit geraumer Zeit auch im Finanzsektor an Bedeutung gewonnen. Als Beispiel sei „The Net Zero Asset Managers Initiative“ genannt, die im Dezember 2020 ins Leben gerufen wurde. Sie soll die Vermögensverwaltungsbranche dabei unterstützen, sich auf das Ziel von Netto-Null-Emissionen zu verpflichten, um das finanzielle Risiko zu mindern und den langfristigen Wert der Vermögenswerte zu maximieren. Als weiteres sehr prominentes Beispiel kommt der norwegische Pensionsfond in Betracht, der mit einem Investitionsvolumen von fast 1,2 Billionen EUR als größter Staatsfond der Welt gilt und im September 2022 angekündigt hatte, seine Investitionen davon abhängig zu machen, dass sich Unternehmen verpflichten bis 2050 klimaneutral zu wirtschaften und ihren dahingehenden jährlichen Fortschritt transparent zu machen.
Die entsprechende Regulierung zum Thema Nachhaltigkeit hat sich in den vergangenen Jahren sehr dynamisch entwickelt. Nicht zuletzt berücksichtigen Anleger zunehmend ESG-Kriterien in ihren Investitionsentscheidungen oder wollen mit ihren Anlagen eine entsprechende Nachhaltigkeitswirkung erzielen.
Für die Transformation zu einer klimaneutralen und insgesamt nachhaltigeren Wirtschaft ist es erforderlich, Kapital zielgerichtet einzusetzen. Auf europäischer und nationaler Ebene gibt es verschiedene Sustainable-Finance-Initiativen. Diese zielen insbesondere darauf ab, private Gelder in nachhaltigere Wirtschaftsaktivitäten zu lenken.
Doch was versteht man nun unter „Greenwashing“?
Eine allgemeingültige oder einheitliche gesetzliche Definition von „Greenwashing“ gibt es bislang nicht.
Will man sich dem Begriff nähern und greift zunächst auf ChatGPT als allerersten Einstieg zurück, so findet man die folgende Definition: „Greenwashing“ bezeichnet eine irreführende Marketingstrategie, bei der Unternehmen versuchen, sich als umweltfreundlicher oder nachhaltiger darzustellen, als sie tatsächlich sind. Dies geschieht oft durch den Einsatz von falschen oder übertriebenen Aussagen, Symbolen oder Etiketten, die den Eindruck erwecken, dass ein Produkt oder eine Marke umweltbewusst handelt, obwohl das Produkt oder Unternehmen in Wirklichkeit wenig oder gar nichts für den Umweltschutz tut.
Nachdem diese Kolumne jedoch im BankPraktiker erscheint, wollen wir, liebe Leser, nicht auf ChatGPT zurückgreifen, sondern, wir wollen uns die Definition des „Greenwashing“ durch die BaFin ansehen.
Die BaFin charakterisiert „Greenwashing“ in ihrer Sustainable-Finance-Strategie wie folgt:
„Greenwashing wird in der öffentlichen Diskussion unterschiedlich verstanden. Unumstritten betrifft es Praktiken im Vertrieb von Produkten bzw. bei Finanzdienstleistungen. Und zwar dann, wenn beaufsichtigte Unternehmen das Nachhaltigkeitsprofil nicht eindeutig und redlich offenlegen. Anlegerinnen und Anleger werden damit potentiell in die Irre geführt, dass ihre Anlagen nicht die von ihnen gewünschte ESG-Wirkung entfalten. Teilweise wird Greenwashing auch weitergehend darauf bezogen, dass beaufsichtigte Unternehmen das Ausmaß von Transition und physische Risiken unterschätzen bzw. den Umgang damit im Risikomanagement nicht transparent darstellen. In beiden Fallkonstellationen hat die Aufsicht eine Rolle zu spielen.“[1]
Die Verletzung von Offenlegungspflichten kann deshalb zu „Greenwashing“-Vorwürfen führen. So spielt beispielsweise die Verordnung (EU) 2019/2088 vom 27. November 2019 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR) eine wichtige Rolle ebenso wie die Taxonomie-Verordnung, die sich sowohl an bestimmte erklärungspflichtige Unternehmen der Realwirtschaft als auch an Finanzmarktteilnehmer richtet, die Finanzprodukte bereitstellen. Die Taxonomie-Verordnung legt Kriterien fest, anhand derer der „Grad der ökologischen Nachhaltigkeit“ der Wirtschaftstätigkeit eines Unternehmens zu ermitteln ist. Seit dem 21. Dezember 2024 gilt nun auch die europäische Green-Bonds-Verordnung. Emittenten müssen künftig bei der Emission von Anleihen, die als „European Green Bond“ bzw. „Europäische Grüne Anleihe“ bezeichnet werden sollen, strenge Anforderungen erfüllen. Sie müssen besondere, an ökologische Nachhaltigkeitskriterien geknüpfte Bedingungen erfüllen. Diese neuen Anforderungen gelten auch für Organisatoren, die Verbriefungsanleihen emittieren. Grundlage ist die europäische Green-Bond-Verordnung ((EU) 2023/2631)).
Aber zurück zum Ausgangspunkt und der Fragestellung: Erfüllt das Phänomen „Greenwashing“ den Straftatbestand des Betrugs?
Wie bereits im Februarheft dargelegt erfordert der Betrug das Vorliegen einer Täuschung, eines Irrtums, einer Vermögensverfügung (als ungeschriebenes Tatbestandmerkmal) und eines Vermögensschadens. Darüber hinaus muss zwischen diesen Merkmalen ein durchgehender ursächlicher Zusammenhang bestehen. Ob ein Fall des „Greenwashings“ auch als Betrug zulasten etwaiger Anleger angesehen werden kann, hängt davon ab, ob die Behauptung im konkreten Fall als „Täuschung über Tatsachen“ angesehen werden kann und ob die auf der Täuschung beruhende Investmententscheidung zu einem Vermögensschaden führt.
Unzutreffende Angaben zu Nachhaltigkeitsaspekten werden in aller Regel täuschenden Charakter haben, denen der Anleger Glauben schenkte und seine Investmententscheidung entsprechend ausrichtete. In Betracht kommen beispielsweise unrichtige Behauptungen über die Verwendung von Emissionserlöse oder unrichtige Angaben über ökologische Produktionsarten. Fraglich ist jedoch in Zusammenhang mit „Greenwashing“, ob Anleger auch einen betrugsrelevanten Vermögensschaden erleiden.
In Rechtsprechung und Literatur besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass ein betrugsrelevanter Vermögensschaden in ausgewogenen Leistungsbeziehungen unter ökonomischen Gesichtspunkten grundsätzlich ausscheidet.[2] Dies gilt auch, wenn die Erwerbshandlung sozial motiviert ist.[3] Denn geschütztes Rechtsgut des § 263 StGB ist das Vermögen in seinem wirtschaftlichen Wert.[4]
Die Abgrenzung zwischen geschützter Vermögenseinbuße und nicht geschütztem Affektionsinteresse kann in der Praxis jedoch schwierig sein. Die Rechtsprechung hat in ähnlichen Fallkonstellationen in der Vergangenheit einen betrugsrelevanten Schaden angenommen, wenn der Kunde einen zu hohen Preis zahlt, weil das angebotene Produkt (z. B. „Bioprodukt“) ohne die behaupteten, tatsächlich, aber nicht vorhandenen, nachhaltigen Produktionsbedingungen am Markt hätte günstiger erworben werden können.[5] Das strafrechtliche Risiko steigt somit je eher Nachhaltigkeitskriterien als wertbildende Faktoren angesehen werden.[6] Ein Vermögensschaden und damit auch ein Betrug i. S. d. § 263 StGB scheidet jedoch aus, wenn das Finanzprodukt „sein Geld wert ist“.
In Betracht könnte jedoch eine Strafbarkeit wegen Kapitalanlagebetrug gemäß § 264a StGB kommen.
Wie Professor Dr. Mosbacher, Richter am Bundesgerichtshof zum „Greenwashing“ ausführte, fristet die Strafnorm des Kapitalanlagebetrugs in der strafrechtlichen Praxis ein Schattendasein.[7] Dies hängt damit zusammen, dass – nach der Rechtsprechung – der Betrugsstrafbarkeit nach § 263 StGB Vorrang zu kommt und der Kapitalanlagebetrug nach § 264a StGB dahinter zurücktritt.[8]
Die Strafnorm des Kapitalanlagebetrug greift zeitlich früher und schützt in Form eines abstrakten Gefährdungsdelikts neben der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts auch den einzelnen Anleger in seiner Dispositionsfreiheit über dessen Vermögen. Der Abschluss einer vermögensschädigenden Kapitalanlage bzw. Eintritt eines Vermögensschadens ist gerade nicht Tatbestandsmerkmal und damit Voraussetzung. Es kommt deshalb für eine Strafbarkeit nicht darauf an, ob das Finanzprodukt sein Geld wert ist oder nicht.[9]
§ 264a StGB bestraft vielmehr denjenigen, der einen größeren Kreis von Anlegern durch Falschinformationen hinsichtlich der für die Investmententscheidung wesentlichen Punkte zu einer Entscheidung bringen will, die diese Anleger womöglich sonst nicht treffen würden.[10]
So sind nach § 264a StGB insbesondere Falschangaben gegenüber einem größeren Personenkreis in Prospekten in Zusammenhang mit dem Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsrechten oder dem Erwerb bzw. der Erhöhung von Unternehmensanteilen strafbar. Wichtige Einschränkung ist hierbei, dass diese Angaben für die Entscheidung über den Erwerb oder die Erhöhung der Anlage erheblich sein müssen. In Übereinstimmung mit dem Willen des Gesetzgebers versteht der Bundesgerichtshof unter einem „erheblichen Umstand“ einen solchen, der nach der Art des Geschäfts geeignet ist, einen verständigen, durchschnittlich vorsichtigen Kapitalanleger bei seiner Anlageentscheidung zu beeinflussen.[11] Bislang zählte die Rechtsprechung darunter lediglich wertbildende Umstände im weiteren Sinne.[12] Hintergrund ist die bis vor Kurzem zutreffende Einschätzung, dass für Anleger regelmäßig nur diese Umstände entscheidungsrelevant sind.
Nach Mosbacher lässt sich diese Einschränkung seit der umfassenden Transformation des Kapitalanlagemarkts in Richtung Nachhaltigkeit nicht mehr aufrechterhalten.[13] Zu den wertbildenden Faktoren wie z. B. Sicherheit, Rendite und Verfügbarkeit ist die Nachhaltigkeit der Anlage als weiterer entscheidungserheblicher Faktor hinzugetreten.[14] Dies wird nach Mosbacher sowohl durch die große Nachfrage großer und kleiner Anleger auf nachhaltige Kapitalanlagen als auch durch die umfassende normative Änderung des regulatorischen Umfelds belegt.[15] Informationen über die Nachhaltigkeit einer Kapitalanlage sind – anders als früher – nicht mehr bloß schmückendes Beiwerk, sondern vielfach – und gerade in der Vorstellung des Gesetz- und Verordnungsgebers – für die Anlageentscheidung ausschlaggebend. Ihnen kann deshalb die „Erheblichkeit“ i. S. v. § 264a StGB nicht mehr abgesprochen werden. Nach Mosbacher ist der Begriff der Erheblichkeit inhaltlich gerade nicht statisch festgelegt, sondern beschreibt nur die besondere Relevanz einer Angabe für die Anlageentscheidung.[16] Werden – so Mosbacher – durch einen Wandel des Kapitalanlagemarkts neue Umstände erheblich, können sie ohne Weiteres unter § 264a StGB subsumiert werden.[17] Anleger müssen über die einschlägigen Informationen verfügen, um entscheiden zu können, ob sie die Nachhaltigkeit als Anlageziel bejahen können. Derartige Angaben werden vom Tatmittel „Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand“ nur erfasst, wenn sich die Nachhaltigkeitsthemen auch unmittelbar wirtschaftlich auf den Vermögensstand auswirken.[18] Dieser innersystematische Vergleich spricht nicht dagegen, beim Tatmittel „Prospekte“ – wie vom Gesetzestext gefordert – alle entscheidungserheblichen Umstände miteinzubeziehen. Deshalb soll gravierendes „Greenwashing“ in Prospekten im weiteren Sinn in Zusammenhang mit dem Vertrieb von Kapitalanlagen – nach Mosbacher – von § 264a StGB erfasst sein. Diese weite Auslegung der Strafnorm des Kapitalanlagebetrugs durch die Literatur erfährt durchaus Kritik, insbesondere wird angeführt, dass sich verfassungsrechtliche Restriktionen für den Vollzug eines Auslegungswandels des § 264a StGB ergeben.[19]
Ob der Gesetzgeber „Greenwashing“ zukünftig auch strafrechtlich regeln wird oder allein der gesellschaftliche Wandel, wonach Umwelt- und Klimaschutz als wertbildende positive Allgemeinzwecke angesehen werden, zu einem Auslegungswandel der Strafnorm des Kapitalanlagebetrugs führen wird, bleibt abzuwarten. Eine geänderte behördliche Verfolgungspraxis von „Greenwashing“ ist jedoch schon seit einigen Jahren zu beobachten. So kam es nicht nur zu Durchsuchungen, sondern so formuliert auch die BaFin als Aufsichtsbehörde in ihrer Sustainable-Finance-Strategie:
- Die BaFin prüft risikoorientiert, wie die beaufsichtigten Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsrisiken offenlegen und über ihre Umweltrisiken informieren.
- Die BaFin überwacht im Rahmen der Bilanzkontrolle die Offenlegung der Unternehmen nach der CSRD und baut entsprechende Kapazitäten im Enforcement auf.[20]
Es bleibt also spannend!
[2] Hierzu ausführlich: Ruttloff/Wehlau/Wagner/Skoupil, Greenwashing – aus materiell-rechtlicher und prozessualer Sicht, CCZ 2023, 201, 209 m. w. N.
[3] Als Ausnahme gelten insoweit die Konstellationen des sog. individuellen Schadenseinschlags, Schönke/Schröder/Perron, StGB, 30. Auflage 2019, StGB § 263 Rn. 121 ff.
[4] BGH NStZ-RR 2000, 331; NJW 1961, 1876; BayObLG NStZ 2004, 503.
[5] LG Bielefeld, Urteil vom 07. Juni 2010 – 1 KLs – 6 Js 9/09 – 1/10, juris (Verkauf von angeblichen Bio-Schweinen); LG Kiel, Urteil vom 13. Februar 2009 – 3 KLs 8/08, juris (Verkauf von angeblichen Bio-Eiern).
[6] Ruttloff/Wehlau/Wagner/Skoupil, Greenwashing – aus materiell-rechtlicher und prozessualer Sicht, CCZ 2023, 201, 209.
[7] Ausführlich, Mosbacher, Kapitalanlagebetrug durch „Greenwashing“, NJW 2023, 14, 15.
[8] BGH, Urteil vom 29. Oktober 2021 – 5 StR 443/19, NZWiSt 2022, 326 Rn. 52 m. w. N.
[9] Mosbacher, Kapitalanlagebetrug durch „Greenwashing“, NJW 2023, 14, 15.
[10] Mosbacher, Kapitalanlagebetrug durch „Greenwashing“, NJW 2023, 14, 15.
[11]BGH, Urteil vom 03. Februar 2022 – III ZR 84/21, NJW 2022, 1.322 ff.
[12] BGH, Urteil vom 03. Februar 2022 – III ZR 84/21, NJW 2022, 1.322 ff.
[13] Mosbacher, Kapitalanlagebetrug durch „Greenwashing“, NJW 2023, 14, 15.
[14] Mosbacher, Kapitalanlagebetrug durch „Greenwashing“, NJW 2023, 14, 15.
[15] Mosbacher, Kapitalanlagebetrug durch „Greenwashing“, NJW 2023, 14, 15.
[16] Mosbacher, Kapitalanlagebetrug durch „Greenwashing“, NJW 2023, 14, 16.
[17] Mosbacher, Kapitalanlagebetrug durch „Greenwashing“, NJW 2023, 14, 16.
[18] Mosbacher, Kapitalanlagebetrug durch „Greenwashing“, NJW 2023, 14, 16.
[19] Schneider/Adam, „Greenwashing“ als Kapitalanlagebetrug gem. § 264a StGB aus der Perspektive des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbotes (Art 103 Abs. 2 GG), wistra 2024, 97, 104.
Beitragsnummer: 22969