Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
In seiner Entscheidung vom 04.07.2024, 17 U 404/21 (WM 2024, 2283 m. Anm. Birne, BKR 2024, 911 ff.), hat das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden, dass dem betroffenen Kunden weder ein verbraucherkreditvertragliches Widerrufsrecht gemäß der §§ 495 Abs. 1, 355 BGB zusteht, noch einen fernabsatzvertragliches Widerrufsrecht gemäß § 312 g Abs. 1, § 355 BGB i. V. m. § 312 c Abs. 1 BGB und § 312 Abs. 1 BGB. Dies deshalb, weil Null-Prozent-Finanzierungen weder entgeltliche Verbraucherdarlehensverträge i. S. v. § 491 BGB darstellen noch entgeltliche Verbraucherverträge i. S. d. Fernabsatzrechts. In diesem Zusammenhang hebt das OLG Karlsruhe hervor, dass weder der Gebühr für die vom Darlehensnehmer gewünschte optionale Zusendung eines Jahreskontoauszuges noch seinem Einverständnis zur Speicherung, Nutzung und Verwendung der persönlichen Daten der Charakter einer Gegenleistung für die Darlehensgewährung zukommt, die das Erfordernis der Entgeltlichkeit i. S. d. Verbraucherdarlehensvorschriften oder der fernabsatzrechtliche Vorschrift des § 312 Abs. 1 BGB a. F. erfüllen. Letzteres schon deswegen nicht, weil der klare Wortlaut der Vorschriften und das Verständnis des nationalen Gesetzgebers in Bezug auf diese Vorschrift einer solchen Sichtweise entgegenstehen würden.
Im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zum Nichtbestehen des Widerrufsrechts im Anwendungsbereich des Verbraucherdarlehensrechts führt das OLG Karlsruhe ergänzend noch aus, dass es selbst dann, wenn man die Zurverfügungstellung personenbezogener Daten auch im Anwendungsbereich des Verbraucherdarlehensrechts als mögliches Entgelt für die Kapitalnutzung ansehen wollte, bei der gebotenen objektiven Auslegung das Einverständnis des Darlehensnehmers zur Speicherung, Nutzung und Verwendung seiner persönlichen Daten jedenfalls dann kein „bezahlen mit Daten" darstellt, wenn dieser der Verwendung seiner Personalien zu Werbezwecken ausweislich der ausdrücklichen vertraglichen Regelungen jederzeit – und damit auch bereits vor Auszahlung der Darlehensvaluta – widersprechen kann, ohne dass dadurch der Bestand des Darlehensvertrages berührt wird. In einem solchen Fall fehle es nämlich an der erforderlichen Abhängigkeit von der Darlehensgewährung in dem Sinne, dass die Leistung des Verbrauchers Bedingung für die Leistung des Unternehmers ist (sogenannte konditionale Verknüpfung) oder jedenfalls in Erwartung der Leistung des Unternehmers erbracht wird (sogenannte kausale Verknüpfung).
In fernabsatzrechtlicher Hinsicht führt das OLG Karlsruhe wiederum aus, dass ein Fernabsatzgeschäft dann nicht angenommen werden könne, wenn beim finanzierten Erwerb eines Fahrzeuges Verhandlungen zwischen der den Darlehensvertrag vermittelnden Verkäuferin und dem Darlehnsnehmer stattfinden und dieser im Rahmen des persönlichen Kontakts mit der Verkäuferin zum Zwecke der Vertragsverhandlungen alle grundlegenden Informationen über die Bedingungen und die Folgen des Vertragsschlusses, die ordnungsgemäße Vertragserfüllung und die Ausübung seiner Rechte erhält, welche ihm die Entscheidung ermöglichen, ob er sich an die darlehensgebende Bank binden möchte oder nicht.
Abschließend führt das OLG Karlsruhe sodann noch aus, dass das bei unentgeltlichen Darlehensverträgen subsidiär bestehende Widerrufsrecht gemäß § 514 Abs. 2 Satz 1 BGB im konkreten Fall im Zeitpunkt des Widerrufs gemäß § 356 b Satz 2 BGB erloschen war.
PRAXISTIPP
Auch wenn die Positionierung des OLG Karlsruhe in vorstehender Entscheidung überzeugend ist, wonach in den sogenannten Null-Prozent-Finanzierungen keine Entgeltlichkeit i. S. d. Verbraucherdarlehensrecht und auch keine Entgeltlichkeit von Verbraucherverträgen im Sinne von fernabsatzrechtlichen Regelungen gesehen werden kann, wird abzuwarten bleiben, ob nicht irgendein Instanzgericht dem EuGH nicht doch die vorliegend relevante Rechtsfrage vorlegen wird, ob die vom OLG Karlsruhe vertretene Auffassung mit EU-Regelungen vereinbar ist. Wie der EuGH wiederum in einem solchen Fall entscheiden wird, kann heute nicht beurteilt werden. Insofern bleibt die Problematik der Entscheidung des OLG Karlsruhe weiterhin offen und mit Spannung zu beobachten.
Beitragsnummer: 22974