Dr. Thomas Kohlhase, Senior Credit Analyst, Ampega Asset Management
Mit dem zweiten Amtsantritt von Donald Trump im Januar 2025 war klar, dass die Weichen in der Weltpolitik neu gestellt werden würden. Nachdem die neue US-Regierung die transatlantischen Partner auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar mit einer Neuausrichtung der Sicherheitspolitik konfrontiert und geschockt hat, folgte Anfang April, am sogenannten „Tag der Befreiung“, der „Zollhammer“. Das von Donald Trump am 02. April 2025 verkündete Zollpaket mit dem eine zunehmend protektionistische Handelspolitik einhergeht, hat daraufhin die bis dahin gekannte Ordnung im Welthandel durcheinandergewirbelt. In den folgenden Tagen und Wochen ist es mit einem bisweilen erratischen „Rauf und Runter und Verschieben“ von Zöllen zu einer bis dato nicht gekannten Volatilität und Verunsicherung an den Kapital- und Kreditmärkten gekommen. Anders als in der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 oder bei der Coronapandemie 2020 traten die USA nun nicht als vermeintlicher Retter der Wirtschaft auf, sondern als Auslöser der Turbulenzen, welche vielleicht noch über die Amtszeit von Trump hinauswirken werden, da viele Entwicklungen und mögliche Verschiebungen in der globalen Wirtschaftsarchitektur noch nicht absehbar sind.
Hohe Prognoseunsicherheit bei Gewinnschätzungen und hinsichtlich globaler Wertschöpfungsketten
Doch klar ist: Zölle und Gegenzölle verteuern unweigerlich die Kosten für Produkte und Dienstleistungen, befeuern die Inflation und führen zu globalen Wohlstandsverlusten. Viele Wirtschaftsforschungsinstitute haben infolgedessen ihre Wachstumsprognosen heruntergenommen und sehen sogar gestiegene Rezessionssorgen. Die Kreditrisikoprämien (Credit Spreads), die Kosten für die Unternehmensrefinanzierung an den Kreditmärkten, haben ebenso wie die Aktienmärkte, wo sich in Börsenkursen die zukünftigen Gewinnerwartungen der Firmen niederschlagen, negativ reagiert. Diese Entwicklungen belasten die Unternehmen. Die Verunsicherung in der Unternehmenswelt ist aktuell sehr groß. Einige börsennotierte Unternehmen haben bereits bei der Vorstellung von Quartalszahlen darauf hingewiesen, dass sie Fragen zum Einfluss der Zölle nicht beantworten werden (JD Sports) oder schreiben, wie Volkswagen, ihre Jahresprognose ohne den Einfluss eventuell wirkender Zölle zunächst fort angesichts der Unberechenbarkeit und Geschwindigkeit der Ereignisse. Somit stehen viele Marktteilnehmer (Ratingagenturen, Aktien- und Finanzanalysten etc.) buchstäblich im Nebel. Daher ist es aus Kreditgebersicht in diesen unsicheren Zeiten umso wichtiger, sich sein eigenes Urteil zu bilden, soweit dies bei sich derart schnell ändernden Rahmenbedingungen möglich ist. Zudem ist noch unklar inwieweit über Jahre und Jahrzehnte gewachsene Wertschöpfungsketten rund um den Globus möglicherweise von der Zollpolitik beeinträchtigt werden, da insbesondere die USA ihre Glaubwürdigkeit als stabiler Handelspartner aufs Spiel setzen. Zahlreiche Unternehmen überprüfen ihre länderübergreifenden Lieferketten, um sich selbst ein Bild der möglichen Ausmaße zu machen. Zudem sind mit Blick auf die zahlreichen Verwerfungen Zweitrundeneffekte, wie man sie im Nachgang an vergangene Krisen immer wieder beobachten konnte, auch dieses Mal nicht auszuschließen. Sichtbares Zeichen war unmittelbar nach Ankündigung der US-Zölle die starke Aufwertung des Euros, was exportorientierte Unternehmen zusätzlich belasten dürfte.
Durchschau der Kreditportfolios erfordert Differenzierung und Berücksichtigung etwaiger Zweitrundeneffekte
Es wird sicherlich mehr Verlierer als Gewinner dieses Mal geben. Daher sollte mit Blick auf die ökonomischen Wirkungen der Zölle und Gegenzölle eine entsprechende Differenzierung bei der Durchschau der Kreditportfolios erfolgen. Zunächst sollten vor allem Unternehmen mit schwächerer Bonität, die sehr hohe kurzfristige Refinanzierungserfordernisse haben, einer kritischen Prüfung und eventuellen Maßnahmen unterzogen werden. Zyklische Sektoren dürften dabei ebenso wie exportorientierte Unternehmen im Fokus stehen. Für letztere werden die Herausforderungen unweigerlich höher, insbesondere solche die einen hohen US-Anteil bei ihren Ausfuhren aufweisen und über wenig lokale Produktion in den USA verfügen. Typische Branchen, die davon in der deutschen Wirtschaft betroffen sind, entfallen auf den Automobilsektor oder den Maschinenbau. Die Stahl- und Aluminiumverarbeitende Industrie war bereits im Vorfeld mit 25 % Zöllen belegt worden. Ebenso ist der Transport und Logistiksektor massiv von einem Rückgang beim Welthandel betroffen und dürfte schwierigen Fahrwassern entgegenstehen. Dennoch sind Differenzierungen erforderlich: Bei hochspezialisierten Tunnelbohrmaschinen können die USA kaum auf heimische Hersteller zurückgreifen, sodass es deutsche Unternehmen in diesem Nischensegment einfacher haben, die durch die potentiellen Zölle entstandenen Kostenerhöhungen an den Kunden weiterzureichen. Binnenwirtschaftlich orientierte Unternehmen (z. B. Energieversorger, Telekomunternehmen) dürften dagegen besser davonkommen. Nicht zu vergessen sind sog. Zweitrundeneffekte. Diese drohen, wenn z. B. chinesische Hersteller versuchen, ihre in den USA nicht mehr absetzbaren Produkte auf den europäischen Märkten abzusetzen. Dies würde unweigerlich den Wettbewerbsdruck zusätzlich erhöhen, falls dem nicht auf EU-Ebene massiv entgegengewirkt wird. Weitere Effekte dürfte es neben den Devisen- auf den Rohstoffmärkten geben, wo Rezessionssorgen ebenfalls zu fallenden Preisen führen. Schließlich bleibt die Frage, wie sich die Verbrauchernachfrage nach den diversen Gütern und Dienstleistungen angesichts der zahlreichen Unsicherheiten verändert. Entscheidend wird sein, wie es bis zum Ende des 90-tägigen Aufschubs für viele Zölle bis Anfang Juli weitergehen wird und ob es hier für akzeptable „Deals“ geben wird.
Falls Sie mehr Informationen zu diesem top-aktuellen Thema haben möchten – wir bieten hierzu am 26. Mai 2026 von 14:30–16:00 Uhr ein FCH TopAktuell an „ACHTUNG ZÖLLE: Risiken Ihrer Firmenkunden erkennen und reagieren“ mit unserem Referenten Dr. Thomas Kohlhase an – hier geht‘s zu weiteren Informationen und zur Anmeldung.
Praxistipps
- Transparenz herstellen: Wie hoch sind die Refinanzierungserfordernisse Ihrer Kreditnehmer in den nächsten 12–18 Monaten und wie viel freie und zu erwartende Liquidität aus Kassenbeständen, fest zugesagten Kreditlinien, zu erwarteten Cashflows stehen dem gegenüber?
- Szenarien planen und Cashflows modellieren: Ist das neue Base-Case-Szenario das alte Downside-Szenario? Berücksichtigen sie auch ein Extremszenario: Wie lange reicht das Geld, wenn die Einnahmen wegen möglicher sehr drastischer Zollmaßnahmen komplett wegbrechen, die Ausgaben aber normal weiterlaufen?
- Welche Teile und Branchen des Kreditportfolios bzw. welche Kreditnehmer sind möglicherweise direkt sowie indirekt über Zweitrundeneffekte (Währungen, Rohstoffe, Energie, China-Wettbewerb etc.) betroffen? Welche Unternehmen haben einen hohen Anteil ihrer Umsatz- und Ertragsgenerierung in den USA?
Beitragsnummer: 22983