Donnerstag, 1. August 2019

OLG Stuttgart zum Widerruf einer PKW-Finanzierung

Tilman Hölldampf, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner

Das OLG Stuttgart hat bereits in der öffentlich viel beachteten mündlichen Verhandlung zum Musterfeststellungsklageverfahren gegen die Mercedes-Benz Bank AG am 25.01.2019 zu einigen Angriffspunkten auf die Widerrufsinformationen bei Darlehensverträgen, die der Finanzierung eines PKW-Kaufs dienen, sowie den diesbezüglich gerügten Pflichtangaben Stellung genommen (vgl. Hölldampf, BTS Bankrecht 2019 S. 3 ff.). In seinem Urt. v. 20.03.2019, Az. 6 MK 1/18, BKR 2019 S. 298, konnte das Gericht sodann Ausführungen zur wirksamen Ingangsetzung der Widerrufsfrist dahinstehen lassen, da die klageführende Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V. bereits die Hürden für die Zulässigkeit einer Musterfeststellungsklage nicht genommen hat.

Die Gelegenheit zur Stellungnahme bot sich dem OLG Stuttgart nunmehr in seiner Entscheidung vom 28.05.2019, Az. 6 U 78/18, WM 2019, 1160, welche der Senat nochmals mit Urt. v. 04.06.2019, Az. 6 U 137/18, bestätigte. Das OLG Stuttgart hat darin die auf den Widerruf eines solchen PKW-Finanzierungsvertrages gerichtete Klage abgewiesen. Soweit das OLG Stuttgart darin in Rn. 42 ff. sowie in Rn. 46 ff. festhält, dass dem Darlehensnehmer kein Vertragsformular auszuhändigen ist, welches seine eigene Unterschrift enthält (BGH, Urt. v. 27.02.2018, Az. XI ZR 160/17) und dass ein möglicherweise AGB-rechtswidriges Aufrechnungsverbot die Wirksamkeit der Widerrufsinformation nicht beeinträchtigt (BGH, Beschluss v. 09.04.2019, Az. XI ZR 511/18), handelt es sich um Fragen, die bereits höchstrichterlich entschieden sind.

SEMINARTIPP

19. Heidelberger Bankrechts-Tage, 21.–22.10.2019, Heidelberg.



Im Hinblick auf die Angabe des anfallenden Tageszinses im Falle des wirksamen Widerrufs hält das OLG Stuttgart in Rn. 56 ff. zutreffend fest, dass diese trotz des Vorliegens verbundener Verträge erfolgen durfte. Denn zwar gerät bei Widerruf eines Darlehensvertrags, der der Finanzierung eines Kaufvertrags über einen PKW dient, auch dieser PKW-Kaufvertrag nach den Regeln über das verbundene Geschäft in Wegfall, dies ändert jedoch nichts daran, dass beide Geschäfte zunächst einmal selbstständig sind und durch den Widerruf auch selbstständig bleiben. Dass dies auch der Gesetzgeber nicht anders gesehen hat, ergibt sich daraus, dass das gesetzliche Widerrufsmuster nach Anlage 7 EGBGB in den entsprechenden Gestaltungshinweisen zu verbundenen Verträgen gerade nicht vorsieht, dass die Angabe zum Tageszins wegzufallen hat.

Das OLG Stuttgart hält in Rn. 49 ff. weiter fest, dass auch im Falle des Widerrufs eines verbundenen Vertrags der Darlehensgeber einen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Sollzinses zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens hat, weswegen auch dieser Hinweis in der gesetzlichen Musterwiderrufsinformation zutreffend ist. Zudem ist es unschädlich, wenn die Bank in der Widerrufsinformation zunächst den anfallenden Tageszins angibt, obwohl zwischen den Parteien in den Darlehensbedingungen vereinbart wurde, dass die Bank auf diesen Tageszins verzichtet. Denn dem durchschnittlich verständigen Darlehensnehmer ist zuzumuten, dass er die entsprechende Regelung zur Kenntnis nimmt und hieraus die rechtlich zutreffenden Schlüsse zieht.

Dem Senat weiter zuzustimmen ist, wenn dieser im Wege eines obiter dictum in Rn. 59 festhält, dass auch für den Fall, dass bei Verzicht auf den Tageszins dieser bereits in der Widerrufsinformation mit € 0,00 angegeben wird, darin kein Widerspruch in der Senatsrechtsprechung zu sehen ist. Denn es gilt stets den Einzelfall zu betrachten, sodass beide Angaben zutreffen können.

BUCHTIPP

Nobbe (Hrsg.), Kommentar zum Kreditrecht, 3. Aufl. 2018.



Soweit es die Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung anbelangt, bestätigt der Senat in Rn. 63 ff. seine bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur Musterfeststellungsklage geäußerte Auffassung, dass ein Fehlen dieser Angaben bereits keine Auswirkung auf das Anlaufen der Widerrufsfrist hat, da dieser Fall bereits durch § 502 Abs. 2 BGB dahingehend sanktioniert wird, dass eine Vorfälligkeitsentschädigung nicht verlangt werden kann. Insoweit verweist der Senat zutreffend darauf, dass die gesetzgeberische Konzeption die Nachholung von Fristangaben vorsieht (§§ 356b Abs. 2, 492 Abs. 6 BGB), die jedoch bei den Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung sinnlos ist, da dies nichts daran ändern würde, dass ein Anspruch auf die Vorfälligkeitsentschädigung nicht besteht und auch nachträglich nicht mehr entstehen kann. Dann jedoch ist nach der gesetzgeberischen Konzeption die gesetzlich speziellere Regelung zur Sanktion ausreichend. Der Senat lässt jedoch in Rn. 71 auch durchblicken, dass er die Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung ohnehin für ausreichend erachtet, da insoweit auch eine Pauschalierung nach Erwägungsgrund 39 der Verbraucherkreditrichtlinie (Richtlinie 2008/48/EG) ausdrücklich zugelassen ist.

Letztlich hält der Senat in Rn. 72 ff. fest, dass nach den Vorgaben der Verbraucherkreditrichtlinie, welche der deutsche Gesetzgeber umgesetzt hat, nur bei unbefristeten Verträgen Angaben zum Kündigungsrecht erforderlich sind, nicht jedoch bei befristeten Verträgen. Aufgrund des vollharmonisierenden Ansatzes der Richtlinie sind die deutschen Regelungen entsprechend diesen Vorgaben auszulegen, sodass die Angaben zum Verfahren bei Kündigung bei befristeten Verträgen keine Pflichtangabe darstellen. Insofern sei auch der Hinweis des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/11643, S. 128) auf das Kündigungsrecht nach § 314 BGB unzutreffend.

PRAXISTIPP

Der durch das OLG Stuttgart geäußerten und vom OLG Köln bereits im Urt. v. 06.12.2018, Az. 24 U 112/18, BeckRS 2018 S. 35.784 jedenfalls in Bezug auf die Problematik des außerordentlichen Kündigungsrechts sowie hinsichtlich des Problems der Vorfälligkeitsentschädigung vertretenen Rechtsaufassung ist vollumfänglich zuzustimmen (zur Widerrufsthematik bei Dieselskandal vgl. Edelmann, WuB 2018 S. 429; Herresthal, ZIP 2018 S. 753; Schön, BB 2018 S. 2.115). Der bei Allgemein-Verbraucherdarlehen im Verhältnis zu Immobiliardarlehensverträgen erheblich erweiterte Pflichtenkatalog des Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB i. V. m. Art. 247 § 3 ff. EGBGB bietet Verbrauchern eine ganze Vielzahl weiterer Angriffspunkte auf die Wirksamkeit der erteilten Widerrufsinformation bzw. insbesondere die Richtigkeit der erteilten Pflichtangaben. Es ist daher richtig, wenn das OLG Stuttgart im Hinblick auf die Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung darauf abstellt, dass das Gesetz teilweise spezielle Regelungen vorsieht, die die fehlerhafte Erteilung einer Pflichtangabe sanktionieren. So enthält gerade § 494 BGB eine ganze Reihe von Regelungen dafür, in welchen Fällen der Gesetzgeber eine nicht oder unrichtig angegebene Pflichtangabe für sanktionierungsbedürftig hält. In diesen Fällen bedarf es dann jedoch nicht darüber hinaus auch noch der Sanktion eines ewigen Widerrufsrechts. Zudem belegt gerade der Umstand, dass der Gesetzgeber sich für bestimmte Pflichtangaben Gedanken darüber gemacht hat, was im Falle deren Fehlerhaftigkeit gelten soll, dass auch nach Auffassung des Gesetzgebers das Fehlen einer Pflichtangabe nicht deren Fehlerhaftigkeit pauschal gleichzusetzen ist (Hölldampf, WM 2018 S. 114).

Die Rechtsprechung des OLG Stuttgart zur Vorfälligkeitsentschädigung lässt sich dabei entsprechend auf im Darlehensvertrag nicht angegebene Kosten (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB) heranziehen. Nicht angegebene Kosten sind gem. § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht geschuldet. Dies ist mithin die durch den Gesetzgeber vorgesehene Sanktion, an welcher sich auch durch eine Nachholung der Pflichtangabe nichts ändern würde. Auch im Falle nicht angegebener Kosten bedarf es daher keiner weitergehenden Sanktionierung durch das Nichtanlaufen der Widerrufsfrist.

Völlig zutreffend ist auch die Rechtsaufassung des OLG Stuttgart bezüglich der Angaben zum Kündigungsrecht. Die insoweit vollharmonisierende Verbraucherkreditrichtlinie (Richtlinie 2008/48/EG) beschreibt diese Angaben nur für unbefristete Verträge vor, was der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung offenkundig nicht beachtet hat.


Beitragsnummer: 2829

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