Marcus Michel, Vorstand FCH Gruppe AG
Kündigt ein Arbeitgeber seinem Mitarbeiter, muss er diesem trotz Freistellung evtl. vorhandene Überstunden ausbezahlen. Diese erlöschen nicht automatisch durch die Freistellung des Arbeitnehmers. So entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) und gab damit einer Sekretärin recht, deren Arbeitgeber sich nach der Kündigung weigerte, bestehende Überstunden zu bezahlen.
Hintergrund:
Verliert ein Arbeitnehmer infolge seiner Freistellung sämtliche Überstunden?
Der Arbeitgeber kündigte außerordentlich fristlos, wogegen der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht klagte. Die beiden Streitparteien einigten sich im Prozess auf einen Vergleich:
- Die außerordentliche Kündigung wurde in eine ordentliche, betriebsbedingte Kündigung umgewandelt.
- Bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses wurde die Klägerin unwiderruflich freigestellt.
- Der Urlaubsanspruch wurde im Vergleich abgegolten.
SEMINARTIPP

Prüffelder des Personalmanagements – Fokus Aufsichtsrecht, 31.03.2020, Berlin.
Problem:
Eine Regelung zum Umgang mit den bestehenden Überstunden wurde im Vergleich nicht getroffen!
BERATUNGSANGEBOT

Fit & Proper Individual.
Der Arbeitnehmer bestand trotz des Vergleichs auf eine Vergütung der Überstunden und zog deswegen erneut vor Gericht. Die dritte Instanz – das Bundesarbeitsgericht – entschied zu seinen Gunsten, dass die Überstunden nicht automatisch durch die Freistellung erlöschen:
Eine Freistellung in einem gerichtlichen Vergleich erfüllt den Anspruch des Arbeitnehmers auf Freizeitausgleich zum Abbau des Arbeitszeitkontos nur dann, wenn in dem Vergleich hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass mit der Freistellung auch ein Positivsaldo auf dem Arbeitszeitkonto ausgeglichen werden soll.
[Quelle: Pressemitteilung Nr. 40/19 des BAG zum Urt. v. vom 20.11.2019, Az.: 9 AZR 578/18]
INHOUSETIPP

Fit & Proper: Neue Vorgaben, Handlungsfelder und Erwartungen der Aufsicht.
Demnach muss der Arbeitgeber trotz Freistellung Überstunden des Arbeitnehmers in Geld abgelten, wenn das Arbeitsverhältnis endet und diese Stunden nicht mehr durch einen Freizeitausgleich abgebaut werden können.
Die Freistellung in einem gerichtlichen Vergleich ist laut BAG zum Freizeitausgleich nur geeignet, wenn für den Arbeitnehmer erkennbar ist, dass er auch zum Überstundenabbau freigestellt wird. Genau daran fehlte es aber im vorliegenden Fall, sodass die Freistellung die Überstunden nicht automatisch erlöschen lässt.
PRAXISTIPP
Im Vergleich sollte genau geregelt sein, welche Bedingungen für eine unwiderufliche Freistellung gelten, bzw. welche erarbeiteten Anrechte des Mitarbeiters mit der Freistellung abgegolten werden.

Beitragsnummer: 3708