Mittwoch, 31. Januar 2018

Schadenersatz für den Mieter, dessen gesetzliches Vorkaufsrecht vereitelt wird

Benjamin Heinemann, Dipl-Rpfl. (FH), Rechtsabteilung/Leiter Abwicklung, Sparkasse Mittelmosel Eifel Mosel Hunsrück

Der Wohnungsneubau bzw. die (Luxus-)Sanierung von alter Bausubstanz in attraktiven Lagen und Städten ist ein lohnendes Geschäft. Aktuell und nicht zuletzt wegen fehlender Alternativen an den Kapitalmärkten flüchten konservative Anleger in „Betongold“. Bei der Sanierung von alter Bausubstanz lässt sich dabei aber oftmals nur eine attraktive Rendite erzielen, wenn bestehende Mietverhältnisse beendet werden können bzw. die Eigentümerstruktur z. B. durch Umwandlung eines Mehrfamilienhauses in rechtlich selbstständige Eigentumswohnungen geändert werden kann. Dabei droht ein rechtliches Risiko, dem wieder vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte: Der Schadenersatz des Mieters, dessen gesetzliches Vorkaufsrecht vereitelt worden ist.

In dem durch den Bundesgerichtshof in 2015 entschiedenen Fall (Urt. v. 21.01.2015, AZ: VIII ZR 51/14), bewohnte die Mieterin bereits seit 1992 eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Der letzte Vermieter war durch Eigentumserwerb später in den Mietvertrag eingetreten. Nach Mietbeginn war an den sieben Wohnungen des Hauses Wohnungseigentum begründet worden. 2011 verkaufte der Vermieter sämtliche Eigentumswohnungen zum Gesamtpreis von rund 1,3 Mio. € an einen Dritten. Die Mieterin wurde von dem Vermieter weder vom Kaufvertragsabschluss unterrichtet noch auf ein Vorkaufsrecht hingewiesen.

2012 bot der neue Eigentümer/Vermieter der Mieterin die von ihr bewohnte Wohnung für einen Kaufpreis von 266 T€ zum Kauf an. Die Mieterin machte nun geltend, der ehemalige Vermieter habe durch die unterlassene rechtzeitige Unterrichtung von dem Verkauf ihr gesetzliches Vorkaufsrecht vereitelt und sei daher zum Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verpflichtet. Bei Ausübung des Vorkaufsrechts hätte sie die Wohnung, die 2012 einen Verkehrswert von 266 T€ aufweise, 2011 zu einem Kaufpreis von (nur) 186 T€ – auf ihre Wohnung entfallender Anteil an dem gezahlten Gesamtkaufpreis – erwerben und dadurch eine Ersparnis von 80 T€ erzielen können. Der BGH gab der Mieterin Recht und sprach ihr einen Schadensersatz in Höhe der 80 T€ zu.

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Das Problem des „übergangenen Vorkaufsrechts“

Wird eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus vermietet und nach Mietbeginn das Haus in Eigentumswohnungen aufgeteilt, steht dem Mieter bei dem ersten Verkauf seiner Wohnung ein gesetzliches Vorkaufsrecht zu, um ihn vor Verdrängung zu schützen, § 577 BGB. Umstritten war in dem vorliegenden Fall, ob der Mieterin als Schadenersatz tatsächlich die Differenz zwischen Verkehrswert und Kaufpreis (sog. Erfüllungsschaden) zustand. Die Vorinstanzen waren der Auffassung, dass die Mieterin hierfür ihr Vorkaufsrecht hätte tatsächlich ausüben müssen und der Vermieter anschließend den dadurch zustande gekommenen Kaufvertrag nicht erfüllen hätte können, sondern die Wohnung an den Drittkäufer übereignen hätte müssen.

Dies gilt aber nur dann nicht, wenn die Wohnung an ein Familienmitglied (wie Geschwister, Kinder, Nichten und Neffen) oder ein Mitglied des Haushalts des Vermieters – beispielsweise im Haushalt lebende Pflegekräfte – verkauft werden soll. Stirbt der Mieter, so geht das Vorkaufsrecht auf diejenigen über, die in das Mietverhältnis nach § 563 Abs. 1 oder 2 BGB eintreten, vgl. § 577 Abs. 2–4 BGB. Zieht ein Mieter aber in eine bereits bestehende Eigentumswohnung ein, hat er kein Vorkaufsrecht im Fall einer Veräußerung – er weiß ja von vornherein, dass es sich um eine Eigentumswohnung handelt. Allerdings lässt sich zum Schutz des Mieters natürlich jederzeit ein vertragliches Vorkaufsrecht vereinbaren.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die tatsächliche Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Mieterin nicht Voraussetzung für den Erfüllungsschaden sei. Die Mitteilung vom Eintritt des Vorkaufsfalls und die Belehrung über die Vorkaufsberechtigung sollen den Mieter in die Lage versetzen, sein Vorkaufsrecht auszuüben. Erhalte der Mieter diese Informationen aber erst zu einem Zeitpunkt, zu dem Kaufvertrag mit dem Drittkäufer schon abgewickelt worden ist, stehe zu vermuten, dass der Vermieter die nicht mehr in seinem Eigentum stehende Wohnung nicht an den Mieter übereignen könne. In einem solchen Fall könne vom Mieter nicht verlangt werden, dass er zunächst formal sein Vorkaufsrecht ausübe, um hierdurch einen Kaufvertrag zustande zu bringen, den dieser von vornherein nicht erfüllen kann. Aus diesem Grunde könne der Mieter dann unmittelbar Ersatz des Erfüllungsschadens – hier den entgangenen Gewinn – begehren, der ihm bei Ausübung des Vorkaufsrechts entstanden wäre.

Das Übergehen des Mieters kann teuer werden!

Besteht ein Vorkaufsrecht, ist der Vermieter verpflichtet, den Mieter über den Verkauf der Wohnung und den Inhalt des Kaufvertrags zu informieren und ihn von seinem Vorkaufsrecht in Kenntnis zu setzen. Ersatzweise kann dies auch durch den Käufer erfolgen. Sollte der Mieter die Wohnung erwerben wollen, muss er sein Vorkaufsrecht innerhalb von zwei Monaten nach der Mitteilung schriftlich gegenüber dem Vermieter ausüben. Zwischen ihm und dem Vermieter kommt dann ein Kaufvertrag zu den gleichen Konditionen wie der ursprüngliche Kaufvertrag zustande. Die Frist kann nicht durch den Vermieter verkürzt, sondern allenfalls verlängert werden.

Gemäß § 20 BeurkG ist der Notar verpflichtet, auf gesetzliche Vorkaufsrechte hinzuweisen und dies in der Niederschrift zu vermerken. Diese Hinweis- und Belehrungspflicht gilt selbstverständlich auch bei dem gesetzlichen Mietervorkaufsrecht nach § 577 BGB. Kommt also ein Mietervorkaufsrecht in Betracht, so hat der Notar darauf hinzuweisen und die Beteiligten über die Rechtsfolgen zu belehren sowie ggf. auf entsprechende Vereinbarungen hinzuwirken.

Erhält der Mieter die Information über den Verkauf aber erst, wenn der Kaufvertrag mit dem Drittkäufer schon abgewickelt ist, sprich der Eigentumswechsel im Grundbuch bereits vollzogen worden ist, steht dem Mieter Schadenersatz in Höhe des ihm entgangenen „fiktiven Gewinns“ gegen den ehemaligen Vermieter zu, siehe oben.

Fazit/Praxistipp:

  • Die Projektfinanzierung von Sanierungen alter Bausubstanz ist aktuell für Banken ein lukratives Geschäft, zumal über Cross-Selling (Finanzierung der Erwerber einzelner Einheiten, Sachversicherungen, Risikolebensversicherungen der Käufer) Anschlussgeschäfte gemacht werden können. Insbesondere bei der Prüfung einer Kreditanfrage zur Projektfinanzierung sollte daher durch die Bank festgestellt werden, ob Vorkaufsrechte bestehen und wie diese behandelt werden. Ansonsten drohen Schadenersatzansprüche, die bei den aktuellen Preissteigerungen auf dem Wohnungsmarkt empfindlich sein können und ggf. das Kreditengagement einer Projektfinanzierung in Schieflage bringen können.


Beitragsnummer: 415

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