Dienstag, 27. Februar 2018

Verwirkung auch bei Rückführung eines Darlehens nach Ablauf der Zinsbindung

Tilman Hölldampf, Thümmel, Schütze & Partner

Nachdem der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidungsserie vom 10.10.2017 (vgl. Edelmann, BTS 2017 S. 126) deutlich hervorgehoben hat, dass dem Wunsch des Verbrauchers nach einvernehmlicher Rückführung des Darlehens im Rahmen des bei der Verwirkung zu prüfenden Umstandsmoments maßgebliches Gewicht beizumessen ist, gehen immer mehr Gerichte dazu über, bei vorzeitig gegen Vorfälligkeitsentschädigung zurückgeführten Immobiliardarlehen die Verwirkung des Widerrufsrechts zu bejahen (vgl. hierzu von Holst sowie Hölldampf, BTS 2018 S. 4 f.).

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BauFi-Tage: Aktuelle Rechtsfragen rund um die Baufinanzierung, 13.11.2018, Frankfurt/M.



Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in seiner Entscheidung vom 12.12.2017, Az. 6 U 316/16, nunmehr klargestellt, dass das Widerrufsrecht des Darlehensnehmers auch dann grundsätzlich verwirkt ist, wenn die vorzeitige Beendigung der Kapitalüberlassung nach Ablauf der Zinsbindung auf eigene Initiative des Darlehensnehmers erfolgt. Denn auch in einem solchen Fall entscheide sich der Darlehensnehmer eigeninitiativ dazu, vor Ablauf der Darlehenslaufzeit sowie des ihm über die Zinsbindung hinaus eingeräumte Kapitalnutzungsrechts das noch nicht zur Rückzahlung fällige Darlehen, wenn auch ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung, vorzeitig abzulösen, weswegen der Darlehensgeber in einem solchen Fall ebenso schutzwürdig sei wie bei der vorzeitigen Rückführung des Darlehens vor Ablauf der Zinsbindungsfrist gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung.

PRAXISTIPP

Die Entscheidung des OLG Stuttgart ist vollumfänglich zutreffend. Insbesondere die Feststellung des OLG Stuttgart, dass auch dann eine einvernehmliche Vertragsbeendigung auf Wunsch des Verbrauchers und damit eine im Rahmen des für die Verwirkung erforderlichen Umstandsmoments schutzwürdige Position des Darlehensgebers vorliegt, wenn der Verbraucher nach Ablauf der Zinsbindung das Darlehen zurückführt, ist bei Immobiliardarlehen in Form einer unechten Abschnittsfinanzierung eigentlich selbstverständlich. Es verwundert daher, dass teilweise von Gerichten im Hinblick auf die Verwirkung zwischen der vorzeitigen Rückführung gegen Vorfälligkeitsentschädigung vor Ablauf der Zinsbindung sowie der vorzeitigen Rückführung nach Ablauf der Festzinsbindung differenziert wird.

Hierfür besteht bei genauerem Hinsehen kein Anlass. Denn bei der unechten Abschnittfinanzierung erhält der Darlehensnehmer ein langlaufendes Kapitalnutzungsrecht, welches gerade nicht mit dem Ablauf der Festzinsbindung endet, sondern darüber hinaus fortbesteht (vgl. zu den Grundsätzen der unechten Abschnittsfinanzierung: BGH, Urt. v. 28.05.2013, Az. XI ZR 6/12, Rn. 20 ff.). Dementsprechend sehen Verträge über eine unechte Abschnittsfinanzierung im Regelfall auch gerade nicht vor, dass das Darlehen nach Ablauf der Zinsbindung zurückzuführen ist. Vielmehr wird das Darlehen, so sich die Parteien nicht auf eine erneute Festzinsbindung verständigen, zu einem variablen Zinssatz fortgesetzt, ggf. mit entsprechender, nach billigem Ermessen auszuübender Zinsanpassungsklausel der Bank (vgl. BGH-Urt. v. 08.06.2004, Az. XI ZR 150/03, WM 2004 S. 1.542, 1.543 u. v. 07.10.1997, WM 1997 S. 2 352, 2 354 f.). Kommt mithin der Darlehensnehmer bei Ablauf der Zinsbindung auf die Bank zu und wünscht – ohne von seinem Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB Gebrauch zu machen – die Rückführung des Darlehens und lässt die Bank sich hierauf ein, so liegt auch hierin eine die Verwirkung herbeiführende einvernehmliche Vertragsbeendigung. Es ist nämlich kein Grund ersichtlich, weswegen eine einvernehmliche Vertragsbeendigung nach Ablauf der Festzinsbindung im Hinblick auf die Verwirkung anders zu behandeln sein sollte als die Vertragsbeendigung vor Ablauf der Festzinsbindung gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Denn in beiden Fällen beendet die Bank auf Wunsch des Darlehensnehmers vor Ablauf der Darlehenslaufzeit bzw. des dem Darlehensnehmer eingeräumten Kapitalnutzungsrechts das Darlehen und ist entsprechend im Vertrauen hierauf schutzwürdig.



Beitragsnummer: 437

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