Dienstag, 27. Februar 2018

BGH konkretisiert Grundsätze zur Verwirkung des Widerrufsrechts

Tilman Hölldampf, Thümmel, Schütze & Partner

Der Bundesgerichtshof hatte zuletzt bereits in einer Entscheidungsserie vom 10.10.2017 (vgl. zu den dort dargelegten Grundsätzen: Edelmann, BTS 2017 S. 126) eindrücklich deutlich gemacht, dass im Falle einvernehmlich zurückgeführter Darlehen die Verwirkung des Widerrufsrechts in Betracht kommt. Denn weder die fehlende Kenntnis des Darlehensnehmers von dem Fortbestand des Widerrufsrechts noch die Möglichkeit zur Nachbelehrung noch der Umstand, dass die Bank die fehlerhafte Widerrufsbelehrung zu verantworten hat, stehen der Annahme der Verwirkung entgegen. Wenn dem aber so ist, dann verbleibt bei der Prüfung des Umstandsmoments – sofern der Darlehensnehmers nichts anderweitiges vorträgt – letztlich nur der Rückführungswunsch des Darlehensnehmers, welchem maßgebliches Gewicht zukommt, so dass die Verwirkung im Ergebnis zu bejahen ist (so OLG Stuttgart, Urt. v. 12.12.2017, Az. 6 U 208/17; s. hierzu Hölldampf, BTS 2018 S. 5).

Dass dies auch der Bundesgerichtshof so sieht und im Hinblick auf das Umstandsmoment bereits die einvernehmliche Vertragsbeendigung ausreichen lässt, belegt der jüngst ergangene Hinweisbeschluss des XI. Zivilsenats vom 23.01.2018, Az. XI ZR 298/17. Der Bundesgerichtshof überprüft darin die Feststellungen des KG Berlin, welche das KG für die Bejahung der Verwirkung in seinem Urt. v. 27.03.2017, Az. 8 U 87/16, WM 2017 S. 1.298, hat ausreichen lassen. Gleich wie auch das OLG Stuttgart kommt das KG Berlin zu der Auffassung, dass bereits die einvernehmliche Vertragsbeendigung für die Bejahung der Verwirkung des Widerrufsrechts ausreicht. Das KG Berlin begründet dies damit, dass die Bank sich durch die Freigabe der Sicherheiten erkennbar darauf einrichtet, dass das Vertragsverhältnis damit abgeschlossen ist. Hierfür spreche auch der Umstand, dass die Kläger anhand ihrer Forderung nach Nutzungsersatz selbst davon ausgehen, dass die Bank die erhaltenen Zahlungen wieder angelegt hat.

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Der Bundesgerichtshof hat diese Argumentation des KG Berlin ausdrücklich gebilligt und seine in den Entscheidungen vom 10.10.2017 aufgestellten Grundsätze nochmals betont (s. o.). Dabei hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich auch klargestellt, dass der Freigabe der Grundschuld entgegen der Auffassung einiger Instanzgerichte sehr wohl Bedeutung im Hinblick auf das Umstandsmoment zukommen kann. Dabei tritt der Bundesgerichtshof insbesondere dem häufig zu lesenden Argument entgegen, die Bank habe aufgrund der Rückführung des Darlehens die Sicherheit ohnehin freigeben müssen. Völlig zutreffend erinnert der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang daran, dass die gestellten Sicherheiten auch die Ansprüche des Bank nach erklärtem Widerruf absichern, so dass im Falle des Widerrufs dem Rückgewähranspruch des Darlehensnehmers aus der Sicherungszweckabrede die auflösende Rechtsbedingung einer Revalutierung anhaftet. Gibt der Darlehensgeber trotz dieser Möglichkeit der Revalutierung die Sicherheit frei, kann hierin ein vertrauensbegründender Umstand liegen.

Anhand dieser grundsätzlichen Hinweise kommt der Bundesgerichtshof zu der Auffassung, dass das KG Berlin die Voraussetzungen der Verwirkung zutreffend geprüft und bejaht hat, weswegen die Entscheidung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

PRAXISTIPP

Der Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofs vom 23.01.2018 unterstreicht, was die jüngeren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs bereits angedeutet haben: Führt der Darlehensnehmer auf eigenen Wunsch das Darlehen an die Bank vollständig zurück, so spricht alles dafür, dass einem erst nachträglich erklärten Widerruf der Einwand der Verwirkung entgegensteht. Denn wenn der einvernehmlichen Vertragsaufhebung im Hinblick auf das Umstandsmoment maßgebliches Gewicht zukommt, dann ist dies durch die Instanzgerichte in die Prüfung entsprechend einzustellen, ohne dass über die Rückführung des Darlehens hinaus noch weitere vertrauensbegründende Anhaltspunkte gefordert werden können. Dass dem so ist, belegt der Hinweisbeschluss des BGH, denn das KG Berlin hatte in der überprüften Entscheidung die Verwirkung allein deswegen bejaht, da das widerrufene Darlehen bereits vollständig zurückgeführt war, woraufhin die Bank die Sicherheiten freigegeben hat (vgl. hierzu auch von Holst, BTS 2018 S. 4 zum Beschluss des OLG Hamburg v. 12.10.2017, Az. 13 U 1/17). Diese Feststellungen hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich nicht beanstandet.

Sofern der Darlehensnehmer daher trotz erfolgter einvernehmlicher Vertragsaufhebung geltend machen will, das Widerrufsrecht sei nicht verwirkt, so wird er konkret darlegen müssen, aufgrund welcher besonderen Umstände des Einzelfalls die Bank gleichwohl nicht damit rechnen durfte, dass nach vollständiger Abwicklung des Darlehens gleichwohl noch ein Widerruf erfolgt (vgl. Hölldampf, CRP 2017 S. 28, 32).



Beitragsnummer: 439

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