Montag, 30. Dezember 2019

Besonderheiten des Liquidationskredits

Liquidation versus Insolvenz.

Thomas Wuschek, MBA, Rechtsanwalt, SanExpert-Rechtsanwalt, Bottrop

I. Grundlagen des Liquidationskredits

Wenn eine Sanierung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht, ist zu überlegen, ob ein Insolvenzverfahren dadurch vermieden werden kann, dass das Unternehmen still liquidiert wird[1]. Meist fehlen dem Unternehmen jedoch die notwendigen Mittel, um den Liquidationszeitraum ohne eine weitere finanzielle Hilfe überbrücken zu können[2].

Der hierzu notwendige – seitens der Kreditinstitute zu gewährende – Liquidationskredit[3]

  • dient der Finanzierung der Unterdeckung bis zur Beendigung der Liquidation,
  • unterstützt die geordnete, mittelfristige Verwertung der Vermögensgegenstände des Krisenunternehmens zur Optimierung der möglichen Verwertungserlöse,
  • ermöglicht die sukzessive Einstellung des Geschäftsbetriebes (Freisetzung des Personals, Verkauf des Warenlagers und des Anlagevermögens etc.),
  • vermeidet das Regelinsolvenzverfahren und damit die gegebenenfalls wertvernichtende Zerschlagung des Unternehmens.

II. Rechtliche Voraussetzungen eines Liquidationskredits

Stellt ein Kreditinstitut dem Unternehmen Kredite zur Verfügung, um ihm damit die stille Liquidation zu ermöglichen, so liegt darin grundsätzlich keine sittenwidrige Insolvenzverschleppung[4].

Einem Kreditinstitut ist es nicht verwehrt mitzuhelfen, den Schuldenstand eines Unternehmens abzubauen und eine stille Abwicklung zu ermöglichen[5].

Voraussetzung einer stillen Liquidation ist i. d. R. ein Auflösungsbeschluss, für den eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen bzw. des vertretenen Grundkapitals erforderlich ist (§§ 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG, 131 Nr. 2 HGB)[6].

Das Kreditinstitut darf den durch die Gewährung eines Liquidationskredites gewonnenen Zeitraum nicht nutzen, um die eigene Sicherheitensituation durch Nachbesicherung auf Kosten anderer Gläubiger zu verbessern[7].

Aus diesem Grund sollte das Kreditinstitut die Entscheidung, seinen Kunden bei der Liquidation mit weiteren Kreditmitteln zu begleiten, ebenso wie bei der Vergabe eines Sanierungskredits durch ein Gutachten unterlegen, nach dem kein Risiko erkennbar ist, dass die Liquidation zu unabgesprochenen Verlusten bei den Gläubigern führt[8].

SEMINARTIPPS

Gerichtsvollzieher, Insolvenzrichter und -verwalter in der Bankpraxis, 07.05.2020, Frankfurt/M.

Haftungsfalle Sanierungsgutachten, 18.11.2020, Köln.

Formulierungsvorschlag für Liquidationskredit bzw. Aufnahme einer Präambel in den Kreditvertrag:

„Die Wirtschaftprüfungsgesellschaft … hat unter dem Datum des … ein Liquidationsgutachten erstellt und kommt zu dem Ergebnis, dass durch die Vergabe dieses Liquidationskredits die Gläubiger nicht das Risiko eines unabgesprochenen Ausfalls tragen. …“[9]

Im Normalfall gelingt eine reibungslose Liquidation außerhalb des Regelinsolvenzverfahrens eher bei kleineren Betrieben, da es bei größeren Unternehmen aufgrund der zunehmenden Komplexität der Probleme und Vielzahl der Teilnehmer schwieriger wird, den Geschäftsbetrieb bis zum Ende der Liquidation ohne größere und schwerwiegende Störungen zu Ende zu führen[10].

Zu beachten ist ferner, dass im Fall einer Kapitalgesellschaft das Gesellschaftsvermögen erst nach Tilgung oder Sicherstellung der Gesellschaftsverbindlichkeiten und nicht vor Ablauf eines Jahres, nachdem die Liquidation öffentlich bekannt gemacht wurde, erfolgen darf (§ 73 GmbHG, §§ 271, 272 AktG)[11].

Besondere Bedeutung erlangen zudem die arbeitsrechtlichen Vorschriften über Betriebsänderungen gemäß §§ 111 ff. BetrVG, die eine Unterrichtung und Beteiligung des Betriebsrates sowie einen Interessenausgleich und Sozialplan vorsehen, sowie die steuerlichen Konsequenzen der Liquidation[12].

PRAXISTIPPS:

  • Mit dem Liquidationskredit können das Regelinsolvenzverfahren und damit die gegebenenfalls wertvernichtende Zerschlagung des Unternehmens vermieden werden.
  • Banken und Sparkassen ist es nicht verwehrt, mitzuhelfen, den Schuldenstand eines Unternehmens abzubauen und eine stille Abwicklung zu ermöglichen.
  • Die vielfältigen rechtlichen Voraussetzungen müssen jedoch zwingend beachtet werden.

  1. Veith, BankPraktiker 06/2006 S. 300 ff., 304.
  2. Veith, a.a.o., S. 304.
  3. Lützenrath/Peppmeier/Schuppener, Bankstrategien für Unternehmenssanierungen, 2006, S. 133.
  4. Veith, a.a.o., S. 305; OLG Köln vom 27.02.1981 – Az.: 22 U 117 / 97; WM 1981 S. 1.238.
  5. Veith, a.a.o., S. 305.
  6. Ivens, Firmen- und Sanierungsrecht, 2006, S. 277; Schmidt in Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in

    der Krise, Sanierung und Insolvenz, 2003, Rdnr. 739 ff.

  7. Veith, a.a.o., S. 305.
  8. Veith, a.a.o., S. 305.
  9. Veith, a.a.o., S. 305.
  10. Lützenrath/Peppmeier/Schuppener, a.a.o., S. 133.
  11. Schmidt in Schmidt/Uhlenbruck, a.a.o, Rdnr. 747; Ivens, a.a.o., S. 277.
  12. Ivens, a.a.o., S. 277.


Beitragsnummer: 4546

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