Mittwoch, 12. Februar 2020

(Un)Wirksamkeit einer qualifizierten Nachrangvereinbarung

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

Anders als das Oberlandesgericht München in seiner Entscheidung vom 25.04.2018, Az. 13 U 2823/17, sowie anders als das Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Urt. v. 20.12.2017, Az. I-12 U 16/17, welche die qualifizierte Nachrangabrede unter Verweis darauf, dass die Klausel jedenfalls hinsichtlich der darin enthaltenen vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre von den in §§ 488, 490 BGB enthaltenen gesetzlichen Fälligkeits- und Kündigungsregelungen insofern abweiche, als sie den Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers insbesondere bei Vermögensverfall des Darlehensnehmers einschränke, der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterworfen hatten mit der Konsequenz der indizierten Unwirksamkeit der qualifizierten Nachrangvereinbarung, gelangt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 06.12.2018, Az. IX ZR 143/17, zum Ergebnis, dass die Regelung über eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre und den qualifizierten Rangrücktritt eines Nachrangdarlehens unmittelbar die Hauptleistungspflichten der Parteien betrifft und daher gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nicht der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegt (Rn. 31 u. H. a. Poelzig, WM 2014 S. 917, 923 f.). Hierzu führt der Bundesgerichtshof aus, dass ein Nachrangdarlehen einen im Rahmen der Vertragsfreiheit zulässigen und eigenständigen Vertragstypus darstellt, der als besondere Finanzierungsform das geleistete Darlehenskapital von vornerein in einer vertraglich ausgestalteten Art und Weise bindet und die wechselseitigen Ansprüche prägt, weswegen diese Bindung des Darlehenskapitals zur vertragscharakteristischen Hauptleistung eines Nachrangdarlehens gehört. Insofern gestaltet die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre die Hauptpflicht des Darlehensgebers aus, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag zur Verfügung zu stellen, welcher auch das Belassen des Geldes für die vereinbarte Laufzeit umfasst und sich bei einem Nachrangdarlehen gerade darauf erstreckt, dass das Darlehenskapital auch in wirtschaftlichen Krisen zur Verfügung stehen muss (Rn. 32). Damit handele es sich bei der vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperrung und qualifiziertem Rangrücktritt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs um die für das Nachrangdarlehen vertragscharakterisierende Festlegung der beiderseitigen Hauptleistungen (Rn. 33 u. H. a. Poelzig, WM 2014 S. 917, 923 „Kern der Leistungszusage“).

 

BUCHTIPP

Cranshaw/Paulus/Michel (Hrsg.), Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2016.




Anders als die vorstehend erwähnten beiden Entscheidungen des OLG München sowie des OLG Düsseldorf führt der Bundesgerichtshof weiter aus, dass die Vorschriften des dispositiven Gesetzesrechts in § 488 Abs. 1 S. 2, § 490 BGB nicht geeignet sind, an die Stelle der Regelungen über die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre zu treten. Dies deshalb, weil dies den Charakter des Vertrages als eine besondere Finanzierungsform gerade auch für Zeiten wirtschaftlicher Krisen in seinen Hauptleistungspflichten verändern würde. Der Darlehensgeber gewähre nämlich bei einem Nachrangdarlehen aufgrund der vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre und des qualifizierten Rangrücktritts ein Risikokapital, für das die Regelungen zur vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre und zum qualifizierten Rangrücktritt vertragswesentlich sind (Rn. 33).

 

Obwohl der Bundesgerichtshof die qualifizierte Rangrücktrittsklausel der AGB-Inhaltskontrolle nicht unterwirft, gelangt der Bundesgerichtshof dennoch zum Ergebnis, dass die Klausel gegen das Transparenzgebot verstößt und damit unwirksam ist (so auch schon OLG Düsseldorf, a.a.O., NZI 2018 S. 317, 320). In diesem Zusammenhang führt der Bundesgerichtshof aus, dass eine qualifizierte Nachrangvereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Verbrauchern nur dann hinreichend transparent ist, wenn aus ihr die Rangtiefe, die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre, deren Dauer und die Erstreckung auf die Zinsen klar und unmissverständlich hervorgehen. Dies erfordere u. a. auch, dass die Voraussetzungen der vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre hinreichend deutlich erläutert werden und dass die Klausel insbesondere klarstellt, inwieweit die Ansprüche aus dem Darlehen bereits dann nicht mehr durchsetzbar sind, wenn die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Leistungsverlangens bereits zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder dies zu werden droht (Rn. 36).

 

Nachdem der Bundesgerichtshof die Intransparenz der Klausel festgestellt hatte, konnte er dahinstehen lassen, ob die Regelung – angesichts der insoweit im Hinblick auf die weitreichenden Auswirkungen einer vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre zu stellenden hohen Anforderungen – nach § 305c Abs. 1 BGB als überraschend anzusehen ist. Diesbezüglich hatte das OLG Düsseldorf in vorstehend erwähntem Urteil bereits ausgeführt, dass eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Darlehensnehmers vereinbarte vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre auch bei einem ausdrücklich als Nachrangdarlehen bezeichneten Darlehen überraschend ist, wenn die Eckpunkte eines qualifizierten Nachrangdarlehens gemäß der Rechtsprechung des BGH nicht annähernd zutreffend beschrieben werden und für den Darlehensgeber nicht erkennbar ist, dass es sich bei seinem Darlehen um ein echtes unternehmerisches Engagement mit einem entsprechenden unternehmerischen Verlustrisiko handelt, ohne dass er etwa aufgrund korrespondierender Informations- und Mitwirkungsrechte die Möglichkeit hat, auf die Realisierung jenes Risikos einzuwirken, insbesondere verlustbringende Tätigkeiten zu beenden, die das ganze eingebrachte Kapital verwirtschaftet haben (NZI 2018 S. 317, 319 f.).

 

PRAXISTIPP

 

Nachdem das OLG München sowie das OLG Düsseldorf die qualifizierte Nachrangabrede mit der Begründung, diese modifiziere bei der Gewährung von Fremdkapital in Form eines Darlehens den Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers, für welchen als gesetzliche Grundlage die schuldrechtlichen Vorschriften der §§ 488 Abs. 1 S. 2, 490 BGB gelten, nicht als Abrede über den Gegenstand der Hauptleistung gem. § 307 Abs. 3 BGB angesehen und damit der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterworfen hatten, war es nicht selbstverständlich, dass der Bundesgerichtshof die qualifizierte Rangrücktrittsabrede als Abrede über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung des Nachrangdarlehens ansieht und damit der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 BGB entzieht (so auch Oppenheim/Bögeholz, BKR 2019 S. 617, 619). Insofern ist zu begrüßen, dass der Bundesgerichtshof anerkannt hat, dass ein Nachrangdarlehen einen im Rahmen der Vertragsfreiheit zulässigen eigenständigen Vertragstyp darstellt, der als besondere Finanzierungsform das geleistete Darlehenskapital von vornherein in einer vertraglich ausgestalteten Art und Weise bindet und die wechselseitigen Ansprüche prägt. Damit hat der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zugleich aufgezeigt, dass Vertragsparteien im Rahmen der Vertragsfreiheit auch gesetzlich vorgegebene Vertragstypen wie den Darlehensvertrag i. S. v. §§ 488, 490 BGB dahingehend modifizieren können, dass sie die Hauptleistungen des Vertrages selbst vorgeben, welche dann die vertragscharakteristische Hauptleistung des neuen Vertragstyps ausmachen. Ob wiederum der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs – der Bankensenat – ähnlich großzügig bei der Bewertung von mit dem Darlehensvertrag ähnlichen Vertragstypen verfahren wird, bleibt abzuwarten. Insbesondere bleibt abzuwarten, ob der Bundesgerichtshof es auch als eigenen Vertragstyp anerkennen wird, wenn Sparer Kreditinstituten Geld überlassen und hierfür dem Kreditinstitut ein Verwahrentgelt zahlen müssen.


Beitragsnummer: 5137

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