Dienstag, 8. Mai 2018

VFE bei vertragsbedingter Kündigung gegenüber Unternehmer

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt, Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

In seiner Entscheidung vom 20.02.2018, Az. XI ZR 445/17, hält der Bundesgerichtshof fest, dass dem Darlehensgeber bei einer außerordentlichen Kündigung eines Darlehensvertrages aufgrund Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers, der nicht Verbraucher ist, gegen diesen gem. § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB als Schadensersatz statt der Leistung ein Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung zusteht, deren Höhe der Darlehensgeber auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung berechnen kann.

Zunächst musste der Bundesgerichtshof jedoch beurteilen, ob in dem streitgegenständlichen Erwerb sowie in der Verwaltung von Immobilien eine gewerbliche oder eine private Tätigkeit zu sehen ist. Dabei hebt der Bundesgerichtshof hervor, dass das ausschlagende Kriterium für die Abgrenzung einer privaten von einer gewerblichen Vermögensverwaltung der Umfang der mit ihr verbundenen Geschäfte ist. Erfordern diese einen planmäßigen Geschäftsbetrieb, wie etwa die Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation, so liegt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs eine gewerbliche Tätigkeit vor. Dabei ist die Höhe der verwalteten Werte oder des Kreditbetrages grundsätzlich unmaßgeblich. Handelt es sich um die Vermietung oder Verpachtung von Immobilien, so ist dementsprechend nicht deren Größe entscheidend, sondern Umfang, Komplexität und Anzahl der damit verbundenen Vorgänge. Aufgrund der Anzahl der einzelnen Vermietungs- und Verpachtungsobjekte, nämlich mindestens ein Pachtvertrag über eine Gaststätte nebst zwei Wohnungen, sieben Wohnraummietverträge und bis zu neun Kurzzeitmietverträge bejahte der Bundesgerichtshof das Vorliegen einer gewerblichen Tätigkeit (so auch KG, Beschluss v. 17.04.2018, Az. 4 U 10/17, wo bei einem Mietobjekt mit 27 Wohneinheiten sowie einer Gewerbeeinheit eine gewerbliche Tätigkeit angenommen wurde).

SEMINARTIPP

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Im Zusammenhang mit der Vorfälligkeitsentschädigung führt der Bundesgerichtshof aus, dass der Gewährung eines Schadensersatzanspruches nicht entgegensteht, dass die beklagte Bank die Kündigung auf eine wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Darlehensnehmers gem. § 490 Abs. 1 BGB und Nr. 9 Abs. 3 ABG gestützt hat. Dies deshalb, weil die schuldhafte Verletzung der Zahlungspflicht durch den Darlehensnehmer, die zur Kündigung des Darlehensvertrages geführt hat, unmittelbar kausal für die Kündigung gewesen ist. In diesem Zusammenhang betont der Bundesgerichtshof, dass der betroffene Darlehensnehmer gem. § 488 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet ist, seine vereinbarten Zins- und Tilgungsleistungen ordnungsgemäß zu erfüllen, nicht jedoch seine Bonität zu erhalten. Nachdem wiederum die außerordentliche Kündigung wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse mit dem fortbestehenden Zahlungsverzug des Darlehensnehmers begründet wurde, bejahte der Bundesgerichtshof das Vorliegen eines schuldhaften Verhaltens des Darlehensnehmers und damit einen auf Vorfälligkeitszahlung gerichteten Schadensersatzanspruch.

Was wiederum die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung anbelangt, so führt der Bundesgerichtshof abschließend aus, dass eine Bank den Schaden, der ihr durch die Nichtabnahme oder durch die vorzeitige Ablösung eines Darlehens entsteht, sowohl nach der Aktiv-Aktiv-Methode als auch nach der Aktiv-Passiv-Methode berechnen kann, wobei der Darlehensgeber bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sowohl auf den Zeitpunkt der Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung abstellen kann als auch auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung, wobei im Falle der abstrakten Schadensberechnung der Tag der Entstehung des Schadensersatzanspruches maßgeblich ist, d. h. der Ablauf der Nachfrist und der Übergang zum Schadensersatz statt der Leistung.

PRAXISTIPP

Es ist zu begrüßen, dass der Bundesgerichtshof bei der außerordentlichen Kündigung eines Unternehmerkredits wegen Zahlungsverzugs der kündigenden Bank – anders als bei Verbraucherkreditverträgen – einen Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung einräumt. Allerdings hat der Bundesgerichtshof angedeutet, dass der Bank auch bei einem Unternehmer mangels Verschuldens dann keine Vorfälligkeitsentschädigung zusteht, wenn die außerordentliche Kündigung ausschließlich wegen wesentlicher Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse erfolgt, was zweifelhaft ist. Denn auch das Vorliegen einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögenslage kann auf einem verschuldeten Verhalten des Schuldners beruhen. Ansonsten dürften die für die Abgrenzung der privaten von der berufsmäßigen Vermögensverwaltung aufgestellten Grundsätze zur Behandlung weiterer Fälle im Zusammenhang mit der Verwaltung eigener Immobilienvermögen hilfreich sein.



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