Ass. jur. Björn Fleck M. A., Revisor, Versicherungswirtschaft
Dipl.-Wirt.-Inf.(BA) Jenny Schmigale M.B.A., CFE, CIA, RFC, Group Compliance Officer, Scandlines Deutschland GmbH
Kriminelle Handlungen
Jedes Unternehmen ist durch kriminelle Handlungen bedroht, durch interne oder externe Angriffe. Die Möglichkeiten sind vielfältig vom einfachen Bürodiebstahl über Veruntreuung durch Unternehmensmitglieder bis zu Betrug des Unternehmens durch Außenstehende (zusammenfassend in diesem Artikel als Fraud oder Betrug bezeichnet). Zielsetzung dieses Artikels ist es, von einer zufallsgesteuerten und ungeplanten Fraud-Bekämpfung hin zu einer proaktiven Vermeidung und Aufklärung aufgrund geplanter Maßnahmen zu kommen. Dabei werden im ersten Teil wesentliche Anzeichen (Red Flags) aufgeführt, während der zweite Artikel Beispiele für zu planende Maßnahmen zur Verhinderung und Aufdeckung von Betrugsfällen erläutert.
Betrugsfälle zu Lasten eines Unternehmens können durch Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten oder auch durch Täter ohne Geschäftsbeziehungen ausgeführt werden. In vielen Fällen wird mit kleinen Beträgen angefangen, die sich über den Zeitraum, in dem der Täter unentdeckt bleibt, kontinuierlich erhöhen. Der Täter wird gierig. In anderen Fällen werden dauerhaft Kleinstbeträge (meist Cents) abgezweigt und dieses gleichbleibend. Dieses lohnt sich nur im Massengeschäft. Ist sich der Täter der Aufdeckung seiner Vorgehensweise sicher, so wird er nur bei einem größeren Betrag zuschlagen.
Fraud Triangle
Das bekannte Fraud Triangle des amerikanischen Kriminologen Donald Cressey hat sich als Modell in der Praxis bewährt. Danach bedarf es dreier Voraussetzungen, damit eine Tat ausgeübt wird: einen Anlass, eine Gelegenheit und eine Rechtfertigung. Die Untersuchung von wirtschaftskriminellen Taten hat gezeigt, dass immer wieder Elemente dieser drei Punkte vorgelegen haben (Report to the Nations, 2018 Global Study on Occupational Fraud and Abuse, ACFE).
Beispiele
Anlass: Frust über Vorgesetzte/Kollegen (Mobbing), hoher finanzieller Bedarf z. B. Spielsucht, Kaufsucht, Scheidung oder Tod des Partners, hohe persönliche Schulden, teure Hobbys, inadäquates Einkommen (auch subjektives Empfinden eines solchen).
Rechtfertigung: Management hält sich selbst nicht an Vorgaben, fehlende Leitbilder, Rache, (gefühlte) ungerechte Behandlung der eigenen Person, unzureichende Kontroll- und Steuerungssysteme, (gefühlte) eigene Genialität und Dummheit der Anderen, Verhalten als Robin Hood – „das Geld ist nur kurz geliehen“ – das Unternehmen ist dagegen versichert.
Gelegenheit: Es besteht eine Position mit entsprechenden Befugnissen, erkannte Schwachstelle, Beziehungen zu Lieferanten, Verteilung der Verantwortlichkeit, Arbeitgeber im Krisenzustand, etc.
Indikatoren: Neben handfesten Beweisen, wie unerlaubte Überweisungen auf das eigene Bankkonto, gibt es weiche Indikatoren. Das Zusammentreffen mehrerer Indikatoren sollte eine Überprüfung oder zumindest erhöhte Aufmerksamkeit auslösen. Besonders Abweichungen von der Norm (unerklärlich, nicht nachvollziehbar, auffallend) sollten das Interesse wecken. Warnhinweise können ebenso anonyme Hinweise (z. B. eines Mittäters) sein.
Seminartipp

Compliance-Tagung 2018, 14.–15.11.2018, Berlin.
Schwache Indikatoren
kurze Abwesenheiten während der Arbeitszeit | plötzlich ungepflegte Erscheinung | Nebentätigkeit ohne Kenntnis des Arbeitgebers |
unangemessen viele oder teure Anschaffungen | kurze Urlaubszeiten zur Verhinderung von Vertretung | Weigerung einer Versetzung oder neuen Aufgabenbereichs |
sinkende Qualität der Arbeit | Alkoholgeruch | soziale Probleme |
unangemessene Reaktionen | eingehende Pfändungen | Gerüchte |
Starke Indikatoren
Vermeidung von Vergleichsangeboten | auffällig kurze Bearbeitungszeiten bei begünstigenden Entscheidungen | Beauftragung gleicher Lieferanten trotz Fehler, schlechter Qualität oder unüblicher Preise bei unglaubwürdiger Erklärung |
stillschweigende Duldung von Fehlverhalten | eigene Nebentätigkeit bei begünstigten Unternehmen oder bei Angehörigen | Häufung fehlender Belege /Unterlagen oder Dokumentation des Vorgangs |
Umgehung von Kontrollen oder zuständigen Stellen | häufigere Dienstreisen als notwendig zu bestimmten Unternehmen | häufigerer Besuch als notwendig von bestimmten Unternehmen |
Abschottung einzelner Aufgabenbereiche | übermäßige Fehleranzahl | Häufung von Beschwerden |
Zusammenfassung
- Das Bewusstsein und die Kenntnis der Red Flags unterstützen die systematische, und nicht nur zufällige, Identifizierung von Betrugsfällen.
- Üblicherweise treffen die drei Merkmale (Triangle) zusammen, diese sind aber nicht immer erkennbar.
- Aus diesem Grund sollte Hinweisen nachgegangen werden.
- Sind Indikatoren gegeben, ist abzuwägen, ob eine Überprüfung oder Meldung angebracht ist.
- Die Verhinderung von Fraud-Fällen kann durch präventive Maßnahmen, wie Kontrollen und andere organisatorische Maßnahmen, erfolgen. Diese werden im zweiten Teil des Artikels besprochen.
PRAXISTIPPS
- In der Praxis wird man nicht immer alle drei Punkte erkennen können.
- Situationen und Menschen ändern sich im Laufe des Arbeitslebens.
- Achten Sie besonders auf Anlässe, da diese leichter zu erkennen sind.
- Obige aufgezählte Rechtfertigungen, die scherzhaft unter Kollegen ausgesprochen werden, können ein erster Hinweis sein.
- Alle genannten Anzeichen sind lediglich Indizien. Hüten Sie sich vor Vorverurteilungen!
Beitragsnummer: 618