Dienstag, 17. März 2020

Antragsrecht auf Versagung der Restschuldbefreiung

Berechtigung für einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung bei Versagungsgrund nach dem Schlusstermin

Andrea NeuhofRechtsanwältin und Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner


Mit Beschluss vom 13.02.2020 – IX ZB 55/18 – hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass den Antrag, die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn sich nach dem Schlusstermin herausstellt, dass ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 InsO vorgelegen hat, nur Insolvenzgläubiger stellen können, die sich durch Anmeldung ihrer Forderung am Insolvenzverfahren beteiligt haben.

 

Dem Beschluss des BGH lag die Rechtsbeschwerde einer Gläubigerin zugrunde, die ihre offene Steuerforderung im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners mangels Kenntnis von Letzterem nicht zur Insolvenztabelle angemeldet hatte. Der Schuldner hatte die Forderung der Gläubigerin auch nicht im von ihm eingereichten Gläubigerverzeichnis aufgeführt. Er beantragte die Erteilung der Restschuldbefreiung. Nach Durchführung des Schlusstermins wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben.

 

SEMINARTIPP

Gerichtsvollzieher, Insolvenzrichter und -verwalter in der Bankpraxis, 07.05.2020, Frankfurt/M.

 

Knapp eineinhalb Jahre nach dem Schlusstermin beantragte die Gläubigerin sodann nach Kenntniserlangung vom Insolvenzverfahren beim Insolvenzgericht, dem Schuldner die Restschuldbefreiung nach §§ 297a, 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO zu versagen, da der Schuldner bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens von den offenen Forderungen der Gläubigerin gewusst und noch kurz vor Stellung des Eigenantrags durch ihn selbst auf Antrag der Gläubigerin die Vermögensauskunft nach § 802c ZPO abgegeben habe. Im Insolvenzverfahren habe er die Gläubigerin vorsätzlich, mindestens aber grob fahrlässig verschwiegen. Die gegen die Zurückweisung des Antrags durch das Insolvenzgericht Berlin-Charlottenburg vom 05.02.2018 (Az. 36a IN 3102/15) gerichtete sofortige Beschwerde wurde seitens des LG Berlin (Az. 84 T 60/18) am 02.05.2018 ebenso zurückgewiesen wie die wiederum hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde zum BGH.

 

Das LG Berlin hatte ausgeführt, die Gläubigerin sei nicht berechtigt, einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung nach § 297a InsO zu stellen. Antragsberechtigt seien nur Insolvenzgläubiger, die eine Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet hätten. Diese Auffassung hat der BGH im Rahmen seines Beschlusses ausdrücklich bestätigt.

 

BUCHTIPP

Cranshaw/Paulus/Michel (Hrsg.), Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2016.

 

Nach dem Wortlaut des durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.07.2013 (BGBl. I S. 2.379) mit Wirkung vom 01.07.2014 in die Insolvenzordnung eingefügten § 297a InsO könne der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung nur von einem Insolvenzgläubiger gestellt werden. Insolvenzgläubiger seien alle persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (§ 38 InsO). Eine Anmeldung des Anspruchs zur Insolvenztabelle setze der Begriff des Insolvenzgläubigers zwar grundsätzlich nicht voraus. Insbesondere auf Grundlage der Begründung des Gesetzentwurfes (BT-Drucks. 17/11268) zum Gesetz vom 15.07.2013 (a. a. O.) sei jedoch auch ohne ausdrückliche Regelung und über die Grundnorm des § 290 InsO hinaus von einer Einschränkung des Antragsrechts auf Insolvenzgläubiger, die Forderungen im Verfahren angemeldet haben, auszugehen. Nach § 290 Abs. 1 InsO sind grundsätzlich nur Insolvenzgläubiger antragsberechtigt, die ihre Forderung angemeldet haben. 

 

PRAXISTIPP

 

Im Rahmen seines Beschlusses weist der BGH u. a. darauf hin, dass Insolvenzgläubiger, die in dem vom Schuldner eingereichten Gläubigerverzeichnis nicht aufgeführt wurden, auch unabhängig vom Antragsrecht auf Versagung der Restschuldbefreiung nicht schutzlos seien. Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens könnten sie aufgrund der öffentlichen Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses erlangen, die als Nachweis der Zustellung an alle Beteiligten gelte (§§ 28, 30 Abs. 1, § 9 Abs. 3 InsO; vgl. BGH, Beschluss v. 06.11.2008 – IX ZB 34/08, NZI 2009 S. 66). Erforderlich hierfür ist freilich ein mehr oder weniger engmaschiges Monitoring bestehender Schuldner, mögen diese im Einzelfall auch von beträchtlicher Anzahl sein und einen entsprechend hohen Bearbeitungsaufwand diesbezüglich erfordern. 

 

Einen eher pragmatischen Ansatz verfolgt der BGH zudem mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, einen anderen Gläubiger, der seine Forderung rechtzeitig angemeldet hat, unter Umständen dazu zu bewegen, die Versagung der Restschuldbefreiung – quasi an Stelle des insoweit zu spät kommenden Gläubigers, der bei Kenntniserlangung vom Insolvenzverfahren seine Forderung bereits nicht mehr anmelden kann – zu beantragen. Hierzu nimmt er Bezug auf seinen Beschluss vom 20.11.2014 (Az. IX ZB 56/13 = NZI 2015 S. 132). Gelinge dies nicht, bliebe zudem die Möglichkeit, den Schuldner bei Vorliegen der Voraussetzungen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen (dies u. a. mit Verweis auf die Senatsbeschlüsse vom 09.10.2008 – IX ZB 16/08 = ZInsO 2009, vom 06.11.2008 – IX ZB 34/08, NZI 2009 S. 66 und vom 20.11.2014 – IX ZB 56/13 = NZI 2015 S. 132). Das in der Praxis hierbei bestehende Prozess-, Kosten- und Beitreibungsrisiko lässt der BGH an dieser Stelle freilich unerwähnt.


Beitragsnummer: 6420

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