Donnerstag, 30. April 2020

Die Rückkehr des Widerrufsjokers – Auferstehung oder Zombie?

Zu den Kaskadenentscheidungen des EuGH und des BGH.

Dr. Volker Lang, wissenschaftlicher Mitarbeiter, v. Tunkl & Partner Rechtsanwalt Steuerberater, Bonn.

 

I. Einleitung

Mit seinem Urt. v. 26.03.2020[1] hat der Europäische Gerichtshof einen Kaskadeneffekt hervorgerufen, indem er entschieden hat, dass der seit dem 30.07.2010 im deutschen Belehrungsmuster nach Anlage 6 EGBGB (ab 13.06.2014: Anlage 7 EGBGB) verankerte sog. „Kaskadenverweis“ den Anforderungen der Verbraucherkreditrichtlinie (Art. 10 Abs. 2 lit. p der Richtlinie 2008/48/EG) nicht genügt. Der Bundesgerichtshof ist dieser Sichtweise durch zwei Beschlüsse vom 31.03.2020[2] entgegengetreten.

In der Presse wurde bereits kurz nach der Veröffentlichung der EuGH-Entscheidung von der Rückkehr des Widerrufsjokers gesprochen. Aber ist dem tatsächlich so? Und wenn ja, wem gegenüber kann dieser Joker gezogen werden? 

Es liegt auf der Hand, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht einfach ignoriert werden kann. Sofern der BGH – wie geschehen – an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält, könnte sich die Frage einer Staatshaftung stellen, da die vom Gesetzgeber vorgegebene Musterbelehrung nach der nunmehrigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht ordnungsgemäß war[3]. Im umgekehrten Falle, bei einem Umschwenken des BGH auf die Linie des EuGH, wäre ggf. an einen Anspruch der Kreditinstitute auf Staatshaftung zu denken, da diese, soweit sie die Musterbelehrung vollständig übernommen haben, auf deren Richtigkeit vertraut haben.

 

II. Die Entwicklung der Rechtsprechung

Bereits in seiner Entscheidung vom 22.11.2016[4] hat der Bundessgerichtshof klargestellt, dass die Formulierung in einem Verbraucherdarlehensvertrag, die Widerrufsfrist beginne „nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat“, für sich klar und verständlich über den Beginn der Widerrufsfrist informiert. Mit der Passage „nach Abschluss des Vertrags“ habe die Beklagte den Gesetzestext aus § 495 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a BGB a. F. übernommen. Eine weitere Präzisierung oder Paraphrasierung des dort gemeinten Zeitpunkts konnte von ihr nicht verlangt werden. Der Unternehmer müsse nicht genauer formulieren als der Gesetzgeber selbst[5]. Diese Sichtweise hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 04.07.2017[6] nochmals ausdrücklich bestätigt. [...]
Beitragsnummer: 6805

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