Dienstag, 8. Mai 2018

Kündigung und Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung

Thomas Wuschek, Rechtsanwalt, MBA, SanExpert-Rechtsanwalt

BGH, Urt. v. 22.11.2016, Az.: IX ZR 187/14

Der BGH hatte folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Der Kläger nimmt das Kreditinstitut S auf Zahlung eines gepfändeten und zur Einziehung überwiesenen Rechtes des Schuldners A in Anspruch.

A und S hatten 2002 einen Darlehensvertrag geschlossen. Das Darlehen wurde aufgrund Ratenrückständen durch S gekündigt. Das Kreditinstitut betrieb die Zwangsversteigerung und verrechnet auf den Versteigerungserlös u. a. Vorfälligkeitsentgelte von € 75.000,00.

Auch der Kläger hat die titulierten Ansprüche gegenüber A. Dieser pfändete gegen Rückzahlungsansprüche des Schuldners gegenüber dem Kreditinstitut S mit der Argumentation, das Kreditinstitut S hat zu viel erhalten, da ihr die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung nicht zustünde.

Beide vorhergehenden Instanzen wiesen die Klage des K ab.

Lösungsmöglichkeit

Verletzt ein Vertragspartner aus einem Vertrag seine vertraglichen Pflichten, so macht er sich gegenüber dem anderen Vertragspartner schadensersatzpflichtig.

Im Rahmen der Schadensersatzpflicht hat der vertragswidrig handelnde Vertragspartner dem anderen Vertragspartner den Schaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass es zu einer Erfüllung des Vertrages nicht mehr gekommen ist. Man nennt diesen Schadensersatzanspruch das Erfüllungsinteresse.


SEMINARTIPPS

Prüfung von Problemkrediten, 05.11.2018, Frankfurt/M.

Neues Insolvenzrecht für Unternehmensgruppen, 12.11.2018, Frankfurt/M.



Insoweit hatte das Kreditinstitut S gegenüber dem Schuldner A im Wege der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung ihre auf die Erfüllung des Darlehensvertrages gerichteten Interessen geltend gemacht und aus der Zwangsversteigerung einen weiteren Betrag von € 75.000,00 vereinnahmt.

Der Kläger K argumentierte dagegen, dass aus der Regelung des § 497 Abs. 2 BGB hervorginge, dass sich speziell bei Verbraucherdarlehensverträgen der Schadensersatzanspruch der Darlehensgeberin gegenüber der Darlehensnehmerin auf die in § 497 Abs. 1 genannten Verzugszinsen beschränkt.

Dem hat sich der Bundesgerichtshof nunmehr angeschlossen.

§ 497 Abs. 1 BGB enthalte eine spezielle Regelung zur Schadensberechnung bei notleidenden Krediten, die vom Darlehensgeber in Folge von Zahlungsverzug des Darlehensnehmers vorzeitig gekündigt werden.

Diese Regelung enthalte eine Sperrwirkung, die die Geltendmachung einer als Er-füllungsinteresse verlangten Vorfälligkeitsentschädigung neben dem dort geregelten Verzögerungsschaden ausschließe.

Ein Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung billige der Gesetzgeber dem Dar-lehensgeber nur in Fällen zu, in denen der Darlehensnehmer den Darlehensvertrag vorzeitig kündigt.

Auch dies könne im Wege des Umkehrschlusses zumindest als Hinweis darauf verstanden werden, dass ein solcher Anspruch im Anwendungsbereich des § 497 Abs.1 BGB ausgeschlossen sein soll.

Danach stand der Beklagten lediglich das zum Zeitpunkt der Kündigung offene Restkapital nebst den bis dahin angelaufenen Zahlungsrückständen und angefallenen Zinsen abzüglich der vom Schuldner nach Kündigung erbrachten Leistungen zu.

PRAXISTIPPS

  • Seit diesem BGH-Urteil ist bei Verbraucherdarlehen, die aufgrund von Ratenrückständen gekündigt wurden, die Vereinnahmung einer Vorfälligkeitsentschädigung nicht mehr möglich.
  • In der Kreditpraxis hat sich zwischenzeitlich folgende Vorgehensweise durchgesetzt: Das Kreditinstitut verzichtet auf die Darlehenskündigung und vollsteckt zunächst nur aus den Ratenrückständen in der Regel in das persönliche Vermögen des Schuldners.
  • Mit dieser Vorgehensweise – so die einhellige Literaturansicht – verliert das Institut nicht den Anspruch auf Erhalt einer Vorfälligkeitsentschädigung.


Beitragsnummer: 685

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