Stephan Zirch, Senior Manager, Forensic, Risk & Compliance, BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Hintergrund
In den letzten Jahren gab es immer wieder Schlagzeilen über Bilanzskandale von großen und international tätigen Unternehmen. Doch nicht nur diese Fälle führten zu einem hohen gesamtwirtschaftlichen Schaden. Betrachtet man das aktuelle Bundeslagebild zu dem Thema Wirtschaftskriminalität so sind die Anzahl der Fälle und die Schadenshöhe (Wirtschaftskriminalität bei Betrug) rückläufig. Doch die Praxis zeigt, dass dieses Thema nach wie vor und insbesondere bei mittelständischen Unternehmen präsent ist und diese Fälle oftmals nicht zur Anzeige gebracht werden.
Häufig sind die Fremdkapitalgeber (u. a. Banken) die Leidtragenden, da die Forderungen nicht mehr bedient werden und ggf. bestehende Sicherheiten nicht mehr so wie geplant verwertet werden können. In gleichem Maße gilt dies auch für Private Equity-Gesellschaften sowie die Durchführung von Mergers & Acquisitions-Transaktionen, also überall dort, wo Unternehmen Kapital zur Verfügung gestellt wird.
SEMINARTIPPS
Früherkennung Bilanzmanipulationen, 11.09.2018, Frankfurt/Offenbach.
Betrugsfälle in Kontoführung & Zahlungsverkehr erkennen und verhindern, 24.09.2018, Frankfurt/M.
Kredit-Jahrestagung 2018, 12.–13.11.2018, Berlin.
Ursachen
Vom Grundsatz her möchte jedes Unternehmen produktiv, rentabel und liquide sein. Denn insbesondere die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens beeinflusst u.a. die Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten; z. B. bei den finanzierenden Banken.
Mit steigendem Druck von außen (z. B. durch Aktionäre, Banken) und innen (z. B. Erwartungen an das Management) bestimmte Ziele bzw. Kennzahlen zu erreichen, steigt bei Unternehmen die Gefahr, dass bei der Bilanzierung von Transaktionen falsche Anreize gesetzt werden. Dies kann dazu führen, dass durch die Manipulation der Rechnungslegung (z. B. falsche Angaben im Jahresabschluss) Empfänger dieser Informationen (z. B. Fremdkapitalgeber) dazu verleitet werden, Entscheidungen auf Basis falscher Annahmen zu treffen.
Bilanzgestaltung versus Bilanzmanipulation
Dass einzelne Kennzahlen, die die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens nach außen so aussehen lassen, wie es die Unternehmensleitung gerne hätte, kann wie folgt erreicht werden:
Hierbei geht es um die Ausnutzung eines nach den einschlägigen Bilanzierungsregelungen (z. B. HGB, IFRS) möglichen Handlungsspielraum (sogenannte „Bilanzpolitik“). Dies ist in den meisten Fällen legal, bewegt sich aber nicht selten am Rande der Legalität.
Bei dieser Art der Beeinflussung des Rechnungswesens geht es darum, dass absichtlich gegen Gesetze, Standards oder vertragliche Vereinbarungen verstoßen wird. Es handelt sich hierbei immer um illegale Handlungen.
Steht bei der Bilanzgestaltung im Vordergrund, dass das berichtete Ergebnis nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens entspricht (Verstoß gegen „True and Fair View“), sind die Grenzen zur Bilanzmanipulation im engeren Sinn fließend.
Die Möglichkeiten das Rechnungswesen zu manipulieren sind vielfältig. In der Praxis sind häufig folgende Konstellationen anzutreffen:
- Fiktive oder nicht periodengerechte Umsätze (z. B. durch Scheinverkäufe)
- Zeitlich versetzte Buchungen (z. B. notwendige Einzelwertberichtigungen auf zweifelhafte Forderungen werden erst nach dem Bilanzstichtag gebucht)
- Verschleierte Verbindlichkeiten oder Aufwendungen (z. B. Ausgaben werden nicht erfolgswirksam gebucht, sondern als Investitionen aktiviert)
Hinweise zum Erkennen von BilanzmanipulationDoch es gibt Möglichkeiten, die Manipulation des Rechnungswesens zu erkennen. Nachfolgend sind exemplarisch Auffälligkeiten (sogenannte Red Flags) aufgeführt:
- Unplausible Veränderung der Umsatzerlöse, insbesondere überdurchschnittlicher Anstieg in Geschäftsfeldern ohne starkes Wachstumspotenzial oder in einem schwierigen gesamtwirtschaftlichen Umfeld
- Hohe Stornoquoten zu Beginn eines Geschäftsjahres
- Auffällige Altersstruktur von Forderungen oder Verbindlichkeiten
- Plötzliche Zunahme der Profitabilität (im Vergleich mit Vorjahresdaten oder mit Branchendaten)
- Negativer Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit bei gleichzeitiger Zunahme des Gewinns
- Ungewöhnliche Veränderungen des Verhältnisses zwischen Anlagevermögen und Abschreibungen
- Nicht zwingend notwendige Änderung der Unternehmensstruktur hin zu einer extrem komplexen Organisationsstruktur mit ungewöhnlichen rechtlichen Einheiten und nicht prüfungspflichtigen Gesellschaften
PRAXISTIPPS
- Analysieren Sie die Jahresabschlüsse selber oder mit Hilfe externer Spezialisten; vertrauen Sie nicht alleine auf Analysten; es besteht die Gefahr, dass diese eigene Ziele verfolgen könnten.
- Scheuen Sie sich nicht, an Ihre Kreditnehmer kritische Fragen zu stellen, wenn Sie bei Ihrer Analyse der Jahresabschlüsse „Red Flags“ identifiziert haben.
- Lassen Sie sich bei Antworten auf Ihre Fragen nicht mit allgemein gültigen Aussagen „abspeisen“; insbesondere dann wenn der Kreditnehmer versucht, wiederholt fehlerhafte Rechnungslegung mit dem Verweis auf die Wesentlichkeit zu rechtfertigen.
Beitragsnummer: 705