Donnerstag, 5. Juli 2018

Der Verbraucherbegriff im Verbraucherdarlehensrecht

Eine Abgrenzung im Einzelfall anhand von Beispielen der Rechtsprechung zur Verbrauchereigenschaft einer GbR und WEG

RA Christian Steiner, LL.M., Syndikusrechtsanwalt, Leiter Rechtsabteilung, MaRisk-Compliance Beauftragter, Niedersächsische Bürgschaftsbank (NBB) GmbH

Der Begriff des Verbrauchers im Verbraucherdarlehensrecht ist nur sehr schwer zu fassen. Dies zeigen die im Folgenden dargestellten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Az. XI ZR 445/17 vom 20.02.2018; Az. VII ZR 269/15 vom 30.03.2017, Az. VIII ZR 243/13 vom 25.03.2015) zur Frage der Verwaltung eigenen Vermögens, zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und zur Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG).

Verwaltung eigenen Vermögens (Urteil des BGH vom 20.02.2018, Az., XI ZR 445/17)

Nach § 13 BGB ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Verwaltung eigenen Vermögens grundsätzlich keine gewerbliche Tätigkeit (so BGH Urt. v. 23.10.2001, XI ZR 63/01, und Urt. v. 25.01.2011, XI ZR 350/08). Die Höhe der verwalteten Werte oder des Kreditbetrages ist dabei nicht maßgeblich. Handelt es sich um die Vermietung oder Verpachtung von Immobilien, so ist dementsprechend nicht deren Größe entscheidend, sondern Umfang, Komplexität und Anzahl der damit verbundenen Vorgänge. Ein ausgedehntes oder sehr wertvolles Objekt an eine geringe Anzahl von Personen zu vermieten, hält sich daher grundsätzlich im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung. Dagegen spricht die Ausrichtung auf eine Vielzahl gleichartiger Geschäfte für ein professionelles Vorgehen. Ob der mit der Vermögensverwaltung verbundene organisatorische und zeitliche Aufwand danach insgesamt das Bild eines planmäßigen Geschäftsbetriebes vermittelt, bleibt eine im Einzelfall zu beurteilende Frage.

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Im zum entscheidenden Sachverhalt des BGH vom 20.02.2018 waren B und N Eigentümer mehrerer Grundstücke. Die Grundstücke waren mit einem Wohn- und Gaststättengebäude, einem Apartmenthaus mit 12 Wohnungen, einem Mehrfamilienhaus mit sechs vermieteten Wohnungen und einem Einfamilienhaus mit Scheune bebaut. Betrieben wurde der Komplex u. a. von der GbR B&N. Zur Finanzierung der Immobilien hatten die Eigentümer bei der beklagten Bank in der Zeit von Februar 2007 bis April 2009 insgesamt vier Darlehen mit fester Laufzeit aufgenommen. Die Darlehen waren alle durch Grundschulden auf dem Grundbesitz der beiden Darlehensnehmer gesichert.

Die Tätigkeit der Darlehensnehmer B. und N. stellte nach Auffassung des BGH im vorliegenden Sachverhalt jedoch eine gewerbliche Verwaltung eigenen Vermögens dar. Beide Darlehensnehmer handelten bei Abschluss der Darlehensverträge nicht als Verbraucher. Entscheidend ist der Umfang der mit der Immobilienverwaltung verbundenen Tätigkeiten. Die Anzahl der einzelnen Vermietungs- und Verpachtungsobjekte (mindestens ein Pachtvertrag über eine Gaststätte nebst zwei Wohnungen, sieben Wohnraummietverträge und bis zu neun Kurzzeitmietverträge in dem Apartmenthaus) vermitteln aufgrund des Umfangs, der Komplexität und der Anzahl der damit verbundenen (Einzel-)Verträge das Bild eines planmäßigen Geschäftsbetriebs. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf den Abschluss und die buchhalterische wie auch tatsächliche Abwicklung der Kurzzeitmietverträge. Auch der Umfang der Buchführung belege dies.

GbR als Verbraucher (Urteil des BGH vom 30.03.2017, Az. VII ZR 269/15)

Eine als Außengesellschaft rechtsfähige GbR, deren Gesellschafter eine natürliche Person und eine juristische Person sind, ist unabhängig davon, ob sie lediglich zu privaten Zwecken und nicht gewerblich oder selbständig beruflich tätig ist, nicht Verbraucher i. S. d. § 13 BGB in der bis zum 13.06.2014 geltenden Fassung. Auch wenn das Urteil zur alten Gesetzeslage ergangen ist, kann dies auf die aktuelle Gesetzeslage übertragen werden (vgl. Weber, JA 2018 S. 307).

In der Entscheidung vom 30.03.2017 hatte sich der BGH u. a. mit der Rechtsfrage auseinanderzusetzen, ob bzw. inwieweit die Vorschriften für Verbraucher auf eine GbR Anwendung finden, wenn neben einer natürlichen Person auch eine GmbH an dieser Gesellschaft beteiligt ist.

Die Klägerin, eine GbR, bestand aus einer natürlichen Person als Gesellschafter sowie einer als Vermögensverwaltungsgesellschaft fungierenden GmbH, deren Alleingesellschafter der Ehegatte der natürlichen Person war. Die Klägerin (GbR) schloss im Jahr 2015 mit der Beklagten einen Architektenvertrag. Im Rahmen einer streitigen Auseinandersetzung war u. a. streitentscheidend, ob eine haftungsbeschränkende Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 7b) BGB verstößt und deshalb unwirksam ist. Der streitgegenständliche Vertragstext war von der Beklagten einseitig gestellt worden.

Der BGH hat die Anwendung der Vorschriften für Verbraucher auf eine GbR jedenfalls dann grundsätzlich abgelehnt, wenn neben einer natürlichen Person auch eine GmbH an dieser GbR beteiligt ist (vgl. Wied, GWR S. 223). Seine ablehnende Entscheidung stützt der BGH auf den Wortlaut, die Systematik und die Entstehungsgeschichte des § 13 BGB. Dies sind allesamt Umstände, die nach Ansicht des BGH nicht dafür sprechen, dass neben den natürlichen Personen auch Gesellschaften „Verbraucher“ i. S. v. § 13 BGB sein können (vgl. Wied, GWR S. 223). Auch durch einen Vergleich mit den anderen europäischen Rechtsordnungen, die die hier zu Grunde liegende maßgebliche Richtlinie umgesetzt haben, bestätigt sich dies. Den Anwendungsbereich des Verbraucherschutzes auszudehnen, sieht der BGH nicht veranlasst und vertritt die Rechtsauffassung, dass eine GbR bereits dann nicht (mehr) als Verbraucher i. S. v. § 13 BGB angesehen werden kann, wenn neben natürlichen Personen auch (zumindest) eine juristische Person zum Gesellschafterkreis zählt. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der für Verbraucher gesetzlich geregelte Verbraucherschutz eingeschränkt wird; dies z. B. gilt für Bereiche:

  • Anwendbarkeit des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), § 310 BGB,
  • Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen, §§ 312c, 312g BGB,
  • Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, §§ 312b, 312 Buchst. g BGB,
  • § 288 Abs. 2 BGB, Höhe des Verzugszinses,
  • Anwendbarkeit des Verbraucherdarlehensrechts.
Bemerkenswert an der Entscheidung ist die Tatsache, dass der BGH in seiner Entscheidung vom 22.03.2015 (Az. VIII ZR 243/13) für die WEG noch anders entschieden hat. Die WEG, an der nicht gewerblich handelnde natürliche Personen beteiligt sind, könne unter den Schutzzweck der Vorschriften für Verbraucher fallen, selbst wenn auch gewerbliche Gesellschaften beteiligt sind. In seiner Entscheidung vom 30.03.2017 stellt der BGH ausdrücklich klar, dass seine zur WEG ergangene Rechtsprechung auf eine rechtsgeschäftlich begründete GbR nicht übertragbar ist, insbesondere weil die Besonderheit bei einer WEG darin besteht, dass mit dem Erwerb des Wohnungseigentumsanteils zwangsläufig der Erwerber kraft Gesetzes Gesellschafter der Eigentümergemeinschaft wird und sich daher – im Gegensatz zur rechtsgeschäftlich begründeten GbR – seine Mitgesellschafter gerade nicht selbst aussuchen kann.

WEG ist Verbraucher (Urteil des BGH vom 25.03.2015, AZ. VIII ZR 243/13 )

In Rechtsprechung und Literatur war die Frage heftig umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen eine WEG als Verbraucher bzw. Unternehmer anzusehen ist.

Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass die „WEG … im Interesse des Verbraucherschutzes der in ihr zusammengeschlossenen, nicht gewerblich handelnden natürlichen Personen dann einem Verbraucher … gleichzustellen [ist], wenn ihr wenigstens ein Verbraucher angehört und sie ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder einer gewerblichen noch einer selbständigen beruflichen Tätigkeit dient.“ Wohnungseigentümer sind i. d. R. Verbraucher. Eine natürliche Person verliert, so der BGH, ihre Schutzwürdigkeit nicht dadurch, dass sie als Wohnungseigentümer zwingend einer WEG (also dem Verband) angehört. Die WEG handelt beim Abschluss von Rechtsgeschäften mit Dritten i. d. R. zum Zwecke der privaten Vermögensverwaltung ihrer Mitglieder. Der Abschluss eines Energielieferungsvertrags durch eine WEG ist ein Geschäft der privaten Vermögensverwaltung.

Auch haftungsrechtliche Erwägungen sprechen aus Sicht des BGH für das Ergebnis: Die quotale Außenhaftung jedes Wohnungseigentümers (§ 10 Abs. 8 WEG) ermögliche jedem Gläubiger, neben oder statt des ihm haftenden Verbandes anteilig unmittelbar auch die Wohnungseigentümer in Anspruch zu nehmen. Deshalb sei es geboten, auch hinsichtlich der Verbrauchereigenschaft der WEG auf die mithaftenden Wohnungseigentümer abzustellen. Und wegen dieser quotalen Mithaftung sei die Verbrauchereigenschaft schon dann gegeben, wenn wenigstens ein Wohnungseigentümer beim Abschluss des Vertrags Verbraucher ist.

Der BGH stellt mit Hinweis auf eine Entscheidung des XI. Senats klar, dass die Verwaltung eigenen Vermögens nicht zu den gewerblichen Betätigungen gehört. Wohnungseigentümer verwalten i. d. R. eigenes Vermögen. Etwas anderes könne allenfalls dann gelten, wenn die WEG selbst gewerblich tätig wird und deshalb als Unternehmen am Rechtsverkehr teilnimmt, „etwa wenn in ihrer Anlage ein Hotel betrieben wird“.

Der BGH stellt ausdrücklich klar, dass eine Vertretung der WEG durch einen gewerblichen Verwalter nichts an der Verbrauchereigenschaft der Gemeinschaft ändert. „Denn für die Abgrenzung von unternehmerischen und privatem Handeln i.S. der §§ 13, 14 BGB kommt es im Falle einer Stellvertretung grundsätzlich auf die Person des Vertretenen an“.

Fazit

  1. Die Abgrenzung zwischen Verbraucher und Unternehmer ist schwierig. Es kommt dabei immer auf den Einzelfall an.
  2. Im Bereich der Verwaltung eigenen Vermögens gilt zunächst der Grundsatz, dass es sich hierbei nicht um eine gewerbliche Tätigkeit handelt. Daher handelt es sich zunächst um einen Verbraucher, wenn diese zur Finanzierung im Rahmen der Verwaltung eigenen Vermögens Darlehen aufnehmen. Nur in Ausnahmefällen kann eine Unternehmereigenschaft zu bejahen sein.
  3. Bei diesen kommt es aber nicht auf die Einzelwerte, Steuern o. ä. an, sondern darauf, ob ein kaufmännischer Betrieb hierfür erforderlich ist.
  4. Bei einer GbR kommt es einerseits auch darauf an, ob das eigene Vermögen verwaltet wird.
  5. Dies gilt aber dann nicht, wenn auch nur eine jur. Person an der GbR beteiligt ist. Dann infiziert diese die GbR.
  6. Die WEG ist grundsätzlich Verbraucherin. Daher reicht es wiederum aus, wenn eine natürliche Person an der GbR beteiligt ist.
  7. Ausnahme hiervon wiederum, wenn das Geschäft einem gewerblichen Zweck oder einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit dient.
PRAXISTIPPS
  • Eine GbR sollte zunächst als Verbraucherin eingestuft werden. Außer es ist eine jur. Person an ihr beteiligt oder das Geschäft dient einem gewerblichen Zweck oder einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit.
  • Die WEG ist Verbraucherin. Ausnahme hiervon wiederum, wenn das Geschäft einem gewerblichen Zweck oder einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit dient.
  • Die Verwaltung eigenen Vermögens führt grundsätzlich zu einer Verbrauchereigenschaft. Ausnahme hiervon: Sobald ein kaufmännischer Betrieb hierfür erforderlich ist. Hier ist eine klassische Einzelfallprüfung notwendig.
  • In Zweifelsfällen sollte hier eher die Verbrauchereigenschaften mit allen hieraus resultierenden Rechtsfolgen angenommen werden, um Haftungsrisiken zu vermeiden.


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