Rechtsmissbrauch bei vorbehaltsloser Erbringung von Sondertilgungen und Zins- und Tilgungsleistungen nach Ausübung des Widerrufsrechts
Dr. Heinrich Eva, Rechtsanwalt, Bankrecht, Thümmel, Schütze & Partner
In dem vom OLG Braunschweig mit Urt. v. 14.05.2018, Az. 11 U 1/18, entschiedenen Verfahren schlossen die Parteien im Jahr 2005 zwei Darlehensverträge, die dem Erwerb einer Immobilie dienten. Am 15.06./02.07.2015 schlossen sodann die Parteien jeweils eine Nachtragsvereinbarung zur Fortführung der Darlehensverträge. Die Wirksamkeit der Nachtragsvereinbarungen wurde unter die aufschiebende Bedingung gestellt, dass die Kläger die von der beklagten Bank zugesagten Sondertilgungen zu den Darlehen leisten sollten. Mit Schreiben vom 09.07.2015, also eine Woche nach Abschluss der Nachtragsvereinbarungen, erklärten die Kläger den Widerruf der vorgenannten Darlehensverträge. Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.09.2015 wiederholten die Kläger ihre Widerrufserklärung. Am 31.10.2015 leisteten die Kläger die vereinbarten Sondertilgungen an die Beklagte. In der Folgezeit leisteten Sie die vereinbarten Zins- und Tilgungsraten an die Beklagte. Erst im Sommer 2016 erhoben sie sodann Klage beim LG Braunschweig.
SEMINARTIPP
BauFi-Tage: Aktuelle Rechtsfragen rund um die Baufinanzierung, 13.11.2018, Frankfurt/M.
Das OLG Braunschweig hat entschieden, dass die vorbehaltslose Erbringung von Sondertilgungen zur Inkraftsetzung von Nachtragsvereinbarungen und anschließend von Zins- und Tilgungsleistungen für den Zeitraum von fast einem Jahr nach Erklärung des Widerrufs von Verbraucherdarlehensverträgen ein widersprüchliches Verhalten darstellt, so dass die Ausübung der Widerrufsrechte als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist.
PRAXISTIPP
Völlig zu Recht hat das OLG Braunschweig ein solches Verhalten als rechtsmissbräuchlich eingestuft. Nach den Feststellungen des Gerichts hatten die Kläger bereits bei Abschluss der Nachtragsvereinbarungen den Widerruf der Darlehensverträge geplant. Wenn die Kläger jedoch in Kenntnis von ihrem Widerrufsrecht nach ihren Wünschen gestalteten Nachtragsvereinbarungen schließen, liegt darin ein widersprüchliches Verhalten, weil ein Vertragspartner, der nicht mehr an einem Vertrag festhalten will, nicht noch dessen Umgestaltung nach seinen Wünschen verlangt. Darüber hinaus hatten die Kläger nach Erklärung des Widerrufs mit Schreiben vom 09.07. und 01.09.2015 die mit der Beklagten vereinbarten Sondertilgungen, die Voraussetzungen für das Inkrafttreten der Nachtragsvereinbarungen waren, geleistet und anschließend die Zins- und Tilgungsleistungen gemäß der Nachtragsvereinbarungen bis zur Einreichung der Klageschrift im Sommer 2016 ohne Vorbehalt erbracht. Auch dieses Verhalten stand nach Auffassung des OLG Braunschweig im massiven Widerspruch zu den von ihnen abgegebenen Widerrufserklärungen. Unter Abwägung dieser Umstände konnten sich die Kläger daher nicht mehr auf ihre Widerrufsrechte berufen.
Beitragsnummer: 739