Freitag, 6. Juli 2018

Widerrufsinformation trotz Abbedingung des § 193 BGB wirksam

Tilman Hölldampf, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner

Wie bereits in der Ausgabe April 2018 berichtet (Hölldampf, BTS Bankrecht 2018 S. 39), wird derzeit in der landgerichtlichen Rechtsprechung diskutiert, ob die Abbedingung des § 193 BGB in den zum Bestandteil des Darlehensvertrags gemachten Allgemeinen Kreditbedingungen Auswirkungen auf die inhaltliche Richtigkeit der erteilten Widerrufsinformation hat.

Mit dem Beschluss des OLG Stuttgart vom 13.06.2018, Az. 6 U 245/17, dem Beschluss des OLG München vom 20.02.2018, Az. 5 U 3380/17, sowie dem Beschluss des OLG Hamm vom 22.11.2017, Az. 31 U 41/17, liegen nunmehr mehrere obergerichtliche Entscheidungen vor, welche allesamt zu dem zutreffenden Ergebnis kommen, dass die inhaltliche Wirksamkeit der Widerrufsinformation von der Abbedingung des § 193 BGB unberührt bleibt.

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Das OLG Stuttgart weist zutreffend darauf hin, dass zu unterscheiden ist zwischen einer an den Verbraucher gerichteten Information auf der einen und einer vertraglichen Modifikation der Rechtslage auf der anderen Seite. Letztere stellt keine an den Verbraucher gerichtete Information dar. Zudem verweist das OLG Stuttgart genau wie auch das OLG München auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10.10.2017, Az. XI ZR 443/16, Rn. 25, wo der XI. Zivilsenat bereits klargestellt hat, dass eine formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen genügende Widerrufsbelehrung nicht dadurch undeutlich wird, dass die Vertragsunterlagen an anderer, drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten.

Das OLG Stuttgart macht diesbezüglich auch deutlich, dass dieselben Erwägungen auch hinsichtlich der Vereinbarung eines Aufrechnungsverbotes gelten. Zwar habe der Bundesgerichtshof mit Urt. v. 20.03.2018, Az. XI ZR 309/16 (vgl. Meier, BTS Bankrecht 2018 S. 63), festgehalten, dass die formularmäßige Vereinbarung eines Aufrechnungsverbotes im Hinblick auf die Erschwerung der Ausübung des Widerrufsrechts gegenüber Verbrauchern AGB-rechtlich unzulässig ist. Jedoch habe der Bundesgerichtshof hieraus in keinem der durch ihn entschiedenen Widerrufsfälle den Schluss gezogen, dass damit auch die erteilte Widerrufsbelehrung unzutreffend wäre.

Das OLG Hamm letztlich weist darauf hin, dass die Regelung des § 193 BGB kein zwingendes Recht ist und daher abbedungen werden kann, ohne dass hierdurch die Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 BGB verkürzt werde. Dies gelte im Falle des Verbraucherwiderrufs umso mehr vor dem Hintergrund, dass es hinsichtlich der Rechtzeitigkeit des Widerrufs allein auf dessen Absendung ankomme.

PRAXISTIPP

Die vorgenannten Entscheidungen ordnen die „Problematik“ der Abbedingung des § 193 BGB vollkommen zutreffend ein (vgl. hierzu auch zutreffend LG Stuttgart, Urt. v. 08.06.2018, Az. 14 O 23/18). Es ist zu differenzieren zwischen erkennbar an den Verbraucher gerichteten Informationen, wie der Widerrufsinformation, und einer vertraglich getroffenen Regelung. Der durchschnittlich verständige Verbraucher ist durchaus dazu in der Lage zu erkennen, ob an ihn eine Information gerichtet werden soll – wie im Falle der Widerrufsinformation –, oder ob eine vertragliche Regelung erfolgt. Soweit es um die Erteilung einer an den Verbraucher gerichteten Information geht, die zudem – wie die Widerrufsinformation – inhaltlich in sich geschlossen ist, nimmt der durchschnittlich verständige Verbraucher diese Information auch als solche abschließend wahr, ohne diese in eine Wechselwirkung zu einer rechtstechnischen Regelung, welche sich an völlig anderer Stelle im Vertragswerk findet, zu setzen.

Nichts anderes folgt aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.10.2017, Az. XI ZR 443/16, Rn. 25, sowie dem Umstand, dass der Bundesgerichtshof in keinem der ihm bereits vorgelegten Widerrufsfälle die Abbedingung des § 193 BGB oder ein vereinbartes Aufrechnungsverbot zum Anlass genommen hätte, die inhaltliche Wirksamkeit der erteilten Widerrufsbelehrung in Frage zu stellen. Dies hätte der Bundesgerichtshof jedoch tun müssen, da nach seiner eigenen Rechtsprechung das Gericht die erteilte Widerrufsbelehrung unabhängig von den durch den Verbraucher vorgetragenen Angriffen selbst umfassend auf deren Richtigkeit hin zu prüfen hat (BGH, Urt. v. 20.06.2017, Az. XI ZR 72/16, Rn. 28).

Dies belegt, dass es hinsichtlich der Frage der wirksamen Belehrung allein auf den Inhalt der erteilten Widerrufsbelehrung ankommt. Versuche, die Wirksamkeit der erteilten Belehrung mit außerhalb derselben liegenden Umständen anzugreifen, überzeugen nicht.



Beitragsnummer: 741

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