Freitag, 6. Juli 2018

Keine Individualabrede bei freier Wahl zw. zwei Entgeltvorschlägen

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt, Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

In dem vom Bundesgerichtshof mit Urt. v. 13.03.2018, Az. XI ZR 391/16, entschiedenen Fall hatte die beklagte Sparkasse ihrem klagenden Kunden, welcher zwingend eine Finanzierung benötigte, den Abschluss mehrerer grundpfandrechtlich abgesicherter Kredite angeboten. In diesem Zusammenhang wurden dem Kunden entsprechend der üblichen Vorgehensweise bei der Sparkasse zwei Darlehensvarianten mit jeweils gleich hohem Effektivzins zur freien Auswahl gestellt. Bei der ersten Darlehensvariante erhielt der Kunde auf das Darlehen einen günstigeren Nominalzins, ein jederzeitiges kostenloses Sondertilgungsrecht und musste zudem keine Bereitstellungszinsen bezahlen. Dafür musste der Kunde jedoch eine laufzeitunabhängige Bearbeitungsprovision entrichten. Bei der zweiten Darlehensvariante erhielt der Kunde kein jederzeitiges kostenloses Sondertilgungsrecht, musste gegebenenfalls Bereitstellungszinsen sowie einen um ca. 0,8 % höheren Nominalzins bezahlen. Dafür fiel bei dieser zweiten Darlehensvariante keine laufzeitunabhängige Bearbeitungsprovision an. Der Kunde, welcher die freie Wahl zwischen beiden Darlehensvarianten hatte, konnte zudem das von ihm begehrte Darlehen auf beide Fallvarianten entsprechend seinem Interesse aufteilen. Eine Wortlautverknüpfung insofern, als in den Darlehensverträgen ausdrücklich und schriftlich dargestellt wurde, dass bei der ersten Darlehensvariante die laufzeitunabhängige Bearbeitungsprovision für die Gewährung der Sondervorteile (günstigerer Nominalzins, keine Bereitstellungsprovision und jederzeitiges kostenloses Sondertilgungsrecht) bezahlt wird, erfolgte ebenso wenig wie der schriftliche Hinweis darauf, dass der Effektivzinssatz bei beiden Darlehensvarianten gleich hoch sei.

SEMINARTIPP

BauFi-Tage: Aktuelle Rechtsfragen rund um die Baufinanzierung, 13.11.2018, Frankfurt/M.


Diesen Sachverhalt zugrunde legend, entschied der Bundesgerichtshof in seinem Urt. v. 13.03.2018, dass allein die Einräumung der Möglichkeit, dass der Darlehensnehmer nach freiem Belieben sowie allein aufgrund seiner ureigenen Interessenlage zwischen zwei Darlehensvarianten mit und ohne laufzeitunabhängige Bearbeitungsprovision entscheiden kann, nicht ausreicht, um in Bezug auf die dann frei getroffene Entgeltvereinbarung von einer Individualvereinbarung zu sprechen. Vielmehr müsse – so der Bundesgerichtshof – auch in einem solchen Fall zur Annahme einer Individualvereinbarung der potentielle Darlehensnehmer und Vertragspartner des Klauselverwenders Gelegenheit erhalten, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung vorzubringen, was im konkreten Fall unstreitig nicht erfolgt war. Sodann hielt der Bundesgerichtshof fest, dass mangels Wortlautverknüpfung zwischen dem laufzeitunabhängigen Entgelt sowie den dem Darlehensnehmer bei der ersten Fallvariante unstreitig eingeräumten Sondervorteilen auch nicht von einem AGB-rechtlich nicht überprüfbaren Entgelt für weder gesetzlich noch vertraglich geschuldete Sonderleistungen gesprochen werden könne. Hiervon ausgehend stellte der Bundesgerichtshof sodann fest, dass die Vereinbarung eines laufzeitunabhängigen Entgelts sowohl gegen den Leitbildgedanken des § 488 Abs. 1 BGB verstößt, wonach für die Gewährung des Darlehens nur ein laufzeitabhängiger Zins verlangt werden kann, als auch gegen den Rechtsprechungsgrundsatz, wonach ein Entgelt für die Erbringung von Leistungen im eigenen Interesse nicht wirksam vereinbart werden könne, weswegen das streitgegenständliche laufzeitunabhängige Entgelt für AGB-rechtswidrig angesehen wurde.

PRAXISTIPP

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vermag, wie viele seiner Entgeltentscheidungen auch, nicht zu überzeugen (vgl. hierzu Bitter/Linardatos, ZIP 2018 S. 1.203, welche davon sprechen, dass der BGH „par ordre du mufti… die Vertragsfreiheit im Darlehensrecht endgültig zu Grabe trägt“, was einem „richterlichen Zwang zur Ineffizienz“ gleich komme). Denn nimmt man die Argumentation des Bundesgerichtshofs ernst, dann kommt eine Individualvereinbarung im Zusammenhang mit der Vereinbarung von laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgelten in keinem einzigen Fall in Betracht. Denn es ist schlichtweg keine einzige Fallvariante vorstellbar, bei welcher der Bundesgerichtshof eine Individualvereinbarung annehmen würde. Denn immerhin hatte die Sparkasse im konkreten Fall ihrem Kunden nachweislich die freie Wahl gelassen, zwischen einem Darlehensvertrag mit laufzeitunabhängigem Bearbeitungsentgelt mit geringerem Nominalzins und kostenlosem jederzeitigem Sondertilgungsrecht sowie einem Darlehen ohne laufzeitunabhängigem Bearbeitungsentgelt mit höherem Nominalzins sowie ohne Sondervorteile bei gleich hohem Effektivzinssatz auszuwählen. Insofern war der Kunde in seiner Entscheidung völlig frei, sich für eine der Darlehensvarianten zu entscheiden und die Vereinbarung eines Darlehens mit laufzeitunabhängigem Bearbeitungsentgelt zu vermeiden. Offenbar scheint der Bundesgerichtshof der Auffassung zu sein, eine Individualvereinbarung würde in solchen Fällen nur dann vorliegen, wenn die Sparkasse ihrem Kunden zusätzlich zu den beiden Alternativen auch die weitere Möglichkeit eingeräumt hätte, das Darlehen mit dem um ca. 0,8 % p. a. günstigeren Nominalzins sowie mit dem jederzeitigem kostenlosen Sondertilgungsrecht sowie ohne Zahlung etwaiger Bereitstellungszinsen auszusuchen, ohne dafür das als Kompensation für die Sondervorteile angedachte laufzeitunabhängige Bearbeitungsentgelt zahlen zu müssen, was abwegig ist. Denn das laufzeitunabhängige Entgelt wurde ersichtlich von der Bank gerade für die dem Darlehensnehmer eingeräumten Sondervorteile bei gleich hohem Effektivzins eingenommen. So wenig überzeugend man diese Entgelt-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs finden mag, seit vorstehendem Urt. v. 13.03.2018 muss man schlicht mit Bitter und Linardatos konstatieren, dass die Vertragsfreiheit bei der Vereinbarung von Entgelten bei Abschluss von Darlehensverträgen nicht mehr existiert, da allein noch der Bundesgerichtshof vorgibt, welche Gegenleistung die Bank für die Gewährung von Darlehen einzunehmen berechtigt ist.



Beitragsnummer: 751

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