Donnerstag, 21. Juni 2018

Aufklärungspflicht der Bank

Thomas Wuschek, Rechtsanwalt, MBA, SanExpert-Rechtsanwalt

Aufklärungsfälle, also Fälle bei denen es um die Frage geht, ob die Bank ihre Aufklärungspflichten eingehalten hatte, hat es in der Vergangenheit bei BGH-Entscheidungen immer wieder gegeben.

Der Bundesgerichtshof ist zwar der Rechtsauffassung, dass grundsätzlich bei Abschluss eines Darlehensvertrages der Darlehensnehmer selbst dafür verantwortlich ist, zu klären, inwieweit die Aufnahme des Darlehens und die Finanzierung des finanzierenden Geschäftes für ihn wirtschaftlich sinnvoll sind oder nicht.

Allerdings hat der BGH als Nebenpflicht zum Abschluss eines Darlehensvertrages auch dann eine Aufklärungspflicht der Bank statuiert, wenn die Bank gegenüber dem Kunden einen Wissensvorsprung hat.

Nach Rechtsauffassung des BGH liegt ein Wissensvorsprung dann vor, wenn die Bank von Tatsachen Kenntnis hat, von denen diese ausgeht, dass der Kunde diese Kenntnis nicht hat.

SEMINARTIPPS

Baufi-Tage: Aktuelle Rechtsfragen rund um die Baufinanzierung, 13.11.2018, Frankfurt/M.

Baufi-Tage: Beleihungswertermittlung, 14.11.2018, Frankfurt/M.


Letztlich muss die Bank noch davon ausgehen, dass der Kunde das Geschäft bei Kenntnis der Umstände nicht abschließen würde.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist es für einem Kunden in jedem Fall von Interesse, wenn der verkaufte und finanzierte Gegenstand weniger als die Hälfte des Kaufpreises wert ist.

Auf Grundlage dieser Nebenpflicht erging folgende Entscheidung:

BGH, Urt. v. 18.10.2016, Az.: XI ZR 145/14

Kunde K kaufte im Jahr 2005 eine Wohnung bei V zu einem Kaufpreis von € 134.000,00. Der Kaufpreis wurde vollständig über die Bank B finanziert.

Die Immobilie war vermietet. Es gingen geringe Mietzinsen ein. Dies allerdings nur bis zum Jahr 2007. Danach stand die Immobilie leer. Zwischen 2007 und 20012 verfiel die Immobilie zusehends.

Aufgrund der fehlenden Mieteinnahmen stellte K die Zahlung der Darlehensraten bei Bank B ein. Die Bank B betrieb die Zwangsvollstreckung in das Grundstück und in das persönliche Vermögen des K.

K wehrte sich gegen die Zwangsvollstreckung mit einer Vollstreckungsabwehrklage und der Argumentation der Kaufvertrag sei sittenwidrig. Er habe einen Schadensersatzanspruch gegen die Bank B.

Im nachfolgenden Prozess attestierte ein 2013 beauftragter Gutachter, die Wohnung habe unter Berücksichtigung der Mängel einen Wert von lediglich € 45.000,00.

Lösungsmöglichkeit

Es besteht eine Nebenpflicht der Bank B gegenüber dem Kunden K, wenn diese einen Wissensvorsprung hatte.

Nach der regelmäßigen BGH-Rechtsprechung ist ein solcher Wissensvorspring in jedem Fall dann gegeben, wenn die Bank B Kenntnis davon hatte, dass die zu finanzierende Immobilie weniger als die Hälfte des tatsächlich gezahlten Kaufpreises wert ist.

Im vorliegenden Fall hatte K argumentiert, die in den Jahren 2007 bis 2012 auftretenden Schäden seien schon im Jahr 2005 vorhanden gewesen.

Daneben hätte die Bank B erkennen müssen, dass die Immobilie keine € 134.000,00 wert war, weil diese die monatliche Miete kannte. Durch eine simple Addition dieser Mieten hätte es sich der Bank B aufdrängen müssen, dass die Immobilie deutlich überteuert gewesen ist.

Der BGH schloss sich dieser Argumentation nicht an.

Zum einen wies der BGH darauf hin, dass die Feststellung von Mängeln in den Jahren 2007 bis 2012 keinen Rückschluss darauf zuließe, ob diese Mängel bereits bei Abschluss des Kaufvertrages im Jahr 2005 vorhanden gewesen seien.

Darüber hinaus führte der BGH aus, dass im Rahmen der Aufklärungspflicht wegen Wissensvorsprung grundsätzlich die Bank B nicht verpflichtet sei, sich Wissen zu erarbeiten.

Nur positiv vorhandenes Wissen müsse weitergegeben werden (BGH, Urt. v. 18.11.2003, Az.: XI ZR 322/01).

Es sei daher der Argumentation des Klägers nicht zu folgen, die Beklage habe anhand der ihr vorliegenden Angaben zur monatlichen Bruttokaltmiete für die zu finanzierende Eigentumswohnung eine einfache Überschlagsrechnung im Wege des „vereinfachten Ertragswertverfahrens“ durchführen müssen.

Daraus hätte sich dann die Sittenwidrigkeit des vereinbarten Kaufpreises aufdrängen müssen. Ein in dieser Weise pauschaliertes Verfahren zur Ertragswertermittlung sei rechts-fehlerhaft.

Eine Multiplikation der für die Immobilie vertraglich vereinbarten Miete mit einem frei-gegriffenen Faktor sei nicht geeignet, eine Aussage zum Verkehrswert der Immobilie zu treffen.

Ein Schadensersatzanspruch des K gegenüber der Bank B bestand daher nicht. K war gegenüber der Bank B zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet.

PRAXISTIPPS

  • Der BGH hat mehrfach betont, dass im Rahmen der Aufklärungspflicht wegen Wissensvorsprung grundsätzlich die Bank B nicht verpflichtet sei, sich Wissen zu erarbeiten.
  • Nur positiv vorhandenes Wissen der Bank müsse weitergegeben werden, wenn z. B. der verkaufte und finanzierte Gegenstand weniger als die Hälfte des Kaufpreises wert ist.


Beitragsnummer: 756

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