Mittwoch, 24. Juni 2020

Verfolgung von Datenschutzverstößen durch Verbraucherschutzverbände?

BGH leitet Vorabentscheidungsverfahren zu Frage ein, ob Verbraucherschutzverbände dazu befugt sind, Verstöße gegen das Datenschutzrecht zu verfolgen.

Max Kirschhöfer, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner

 

 

Die Datenschutzgrundverordnung ist seit rund zwei Jahren in allen europäischen Mitgliedstaaten unmittelbar anzuwenden. Von Anfang an umstritten ist die nun hoch relevant gewordene Frage, ob Verbraucherschutzverbände befugt sind, Verstöße gegen das Datenschutzrecht zu verfolgen. Eben diese Frage hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nunmehr dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt (Beschl. V. 28.05.2020, Az. I ZR 186/17), weswegen davon auszugehen ist, dass der EuGH sich in absehbarer Zeit zu dieser Frage äußern wird. Der Umstand, dass Beklagte in dem Vorabentscheidungsverfahren die Betreiberin eines der größten weltweit agierenden sozialen Netzwerke ist, wird somit fast schon zur Nebensache. Der klagende Verband leitet seine Klagebefugnis aus § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG ab. 

 

SEMINARTIPPS

Informationssicherheit & Datenschutz: Spannungsfeld & Schnittmengen, 08.10.2020, Köln.

Prüfung Datenschutz, 26.11.2020, Frankfurt/M.

 

Zwar hatte der EuGH mit Urt. v. 29.07.2019, Az. C-40/17, sich bereits einmal dahingehend geäußert, dass ein Verband durchaus gegen datenschutzrechtliche Verstöße vorgehen kann und dies bereits deshalb dem Unionsrecht nicht entgegenstehe, da ein kollektiver Schutz vor Datenschutzverstößen keinesfalls den europäischen Regelungen zum Datenschutz „abträglich“ sei (vgl. Rn. 51 und 59 des Urteils). Allerdings bezog sich die Entscheidung noch auf die durch die DSGVO abgelöste Datenschutzrichtlinie (RL 95/46). Der EuGH war in seiner Entscheidung vom 29.07.2019 auf die jetzt relevante Frage, ob ein Verband auch gegen Verstöße gegen die DSGVO vorgehen kann, nicht eingegangen. 

 

Konkret fragt der BGH den EuGH, ob die Vorschriften des 8. Kapitels der DSGVO (insbesondere Art. 80 Abs. 1 und 2 sowie Art. 84 Abs. 1 DSGVO) nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen Mitbewerber einerseits sowie Verbraucherschutzverbände und Kammern andererseits bei möglichen Datenschutzverstößen auch ohne eine Mandatierung durch eine betroffene Peron gegen den datenschutzrechtlich Verantwortlichen im Wege einer Verbandsklage bzw. einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage vor einem nationalen Zivilgericht vorgehen können. 

 

BUCHTIPPS

Duncker/Hallermann/Maull (Hrsg.), Bearbeitungs- und Prüfungsleitfaden: Neues Datenschutzrecht, 2019.

Göhrig/Maull/Petersen (Hrsg.), Managementleitfaden Datenschutz, 2019.

 


Streng genommen dürfte sich der EuGH in dem eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob auch Mitbewerber wegen (potenzieller) Datenschutzverstöße gegeneinander vorgehen werden. Dies deshalb, da diese Frage vorliegend nicht entscheidungsrelevant ist und der EuGH sich zu nicht entscheidungsrelevanten Fragen nicht äußern darf, noch sich in der Praxis zu solchen nicht relevanten Fragen äußert. Dennoch sollte den mit der Umsetzung datenschutzrechtlich relevanter Vorschriften verantwortlichen Personen geraten werden, den Verfahrensausgang genau zu beobachten, da die Entscheidung die Grundlinien für die rechtliche Aufarbeitung von Datenschutzverstößen in den kommenden Jahren vorgeben wird. 


Beitragsnummer: 9175

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