Mittwoch, 15. Juli 2020

Unternehmerische Direktbeteiligungen

Als Teil der Strategic Asset Allocation – von Start-ups bis Private Equity...

Peter Brock, Family Officer für zwei Unternehmerfamilien, Corporate Finance Banker und Leiter der Arbeitsgruppe Family Offices der Bundesinitiative Impact Investing

Dr. Patrick Peters, Berater für Unternehmenskommunikation und Publizist (Klare Botschaften)

 

I. Strategic Asset Allocation und Direktbeteiligungen – Definition / Einführung

Die Strategic Asset Allocation (SAA), also die Festlegung der Investitionskriterien über alle Assetklassen hinweg, ist einer der großen Werttreiber bei der Bewirtschaftung von Familienvermögen. Sie legt die langfristige Allokation des Vermögens und die dazugehörigen Benchmarks fest und bestimmt oftmals über 90 % der Portfolioentwicklung[1]. Auf Basis der SAA werden die Vermögensverwalter mit der Titelselektion und der Taktischen Asset Allocation beauftragt, die unterjährig im Rahmen der SAA für die Vermögensverwaltung verantwortlich sind.

Im Unterschied zu regelmäßigen Ad-hoc-Entscheidungen in der Vermögensverwaltung stellt die SAA einen integrierten und holistischen Strategieansatz dar, der zu einem professionellen und konsistenten Investmentprozess führt. Die SAA bezieht sich typischerweise über einen Investmenthorizont zwischen fünf und zehn Jahren und sorgt somit für die Abstimmung der langfristigen Ertragsziele mit der Risikobereitschaft des Vermögensinhabers.

Mit der SAA beurteilt der Vermögensinhaber für seine individuelle Anlagestrategie die jeweiligen Beiträge der Vermögensklassen für das Ziel des Vermögenserhalts oder der Vermögensvermehrung. So hilft die SAA bei der Vermeidung von unnötigen/nicht entlohnten Risiken und unterteilt beziehungsweise diversifiziert das Vermögen aus verschiedenen Gesichtspunkten wie geographische, steuerliche, zeitliche oder nach den unterschiedlichen Vermögensklassen[2]. Darüber hinaus leistet die SAA die prozentuale Aufteilung der Assetklassen mit einer Zielallokation gemäß Kriterien wie Liquidität/Fungibilität, Schutz vor Krisen und geopolitischen Risiken, Inflations-/Deflationsschutz, Risikoreduktion, Schutz vor Währungsrisiken, Cashflow-Gesichtspunkten und natürlich der erwarteten Rendite.

Die Taktische Asset Allocation (TAA) widmet sich dem aktiven Management der Assetklassen im Zeithorizont von 12–36 Monaten. Das Ziel der TAA ist es, eine mittelfristige Generierung einer Überrendite (Alpha) gegenüber der definierten jeweiligen Benchmark zu erzielen. Soweit der oder die Vermögensinhaber diese Aufgabe nicht selbst z. B. in einem Family Office übernehmen, wird man typischerweise Asset Manager für die unterschiedlichen Assetklassen für einen Zeithorizont von ca. sechs bis 18 Monaten nach einem „Best-in-Class“ Ansatz zur Befüllung der Anlagebausteine auswählen. 

Die Prinzipien der Strategic Asset Allocation können sowohl auf liquide/börsennotierte Anlageformen als auch auf illiquide/nicht-börsennotierte Anlageformen angewendet werden, wobei naturgemäß aber in den unterschiedlichen Bereichen andere operative Vorgehensweisen notwendig sind. So können bspw. Banken oder Vermögensverwalter für die Vermögensverwaltung in Aktien und Anleihen beauftragt werden, oder aber Private Equity Fonds für die Anlageklasse der nicht-börsennotierten Direktbeteiligungen. Oder in letzter Konsequenz kann ein Vermögensinhaber und/oder sein Family Office auch das direkte Management von unternehmerischen Beteiligungen selber betreiben, ohne externe Berater und Verwalter dafür zu mandatieren. 

Als Direktbeteiligungen werden hier Beteiligungen an Unternehmen oder Projekten verstanden, die direkt von den Vermögensinhabern oder deren Investment-Vehikeln gehalten werden und nicht über Fondsstrukturen. Eine direkte Einflussnahme auf das Investment, die sowohl operativ oder in der Rolle bspw. eines Aufsichtsrates erfolgen kann, ist ein deutliches Kennzeichen derartiger Beteiligungen, wobei aber zwischen Mehrheits- und Minderheitsbeteiligungen unterschieden werden muss. 

Gemäß eines Praxisreport der WHU[3] wird über Direktbeteiligungen im Umfeld von Unternehmerfamilien folgendes berichtet: „SFOs (Single Family Offices) investieren in etwa der Hälfte der Fälle in unternehmerische Direktbeteiligungen. Wenn das ursprüngliche Familienunternehmen nicht mehr im Besitz der Familie ist, so neigen SFOs besonders häufig zu unternehmerischen Direktbeteiligungen. Diese Direktbeteiligungen werden dann nicht nur als Anlageobjekt angesehen, sondern auch als Mechanismus um das eigene Unternehmer-Gen wieder in die Wirtschaft einzubringen.  SFOs und PE-Firmen sind bei Direktbeteiligungen ähnlicher als allgemein angenommen. Fakt ist, dass viele der befragten PE-Firmen die jeweiligen Zielunternehmen nur für 4-7 Jahre halten, während einige SFOs die jeweiligen Zielunternehmen sogar an die nächste Familiengeneration übergeben möchten. Fremdkapital spielt bei PE-Firmen in der Tat fast immer eine relevante Rolle. Allerdings gilt nur bei einem Teil der SFOs, dass sie, wie allgemein angenommen, auf Fremdkapital verzichten. Der andere Teil der SFOs nutzt Fremdkapital sogar in einem zu PE-Firmen vergleichbaren Ausmaß. Weitere Mythen betreffen beispielsweise die Investment-Targets sowie die Rationalität der Entscheidungsfindung.“[4]

Hier wird deutlich, was die Autoren auch aus praktischen Erfahrungen berichten können. Direktbeteiligungen werden im Rahmen der Strategic Asset Allocation von unterschiedlichen Vermögensinhabern häufig sehr individuell gehandhabt und verwaltet. Eine Strategie für die Auswahl der Vorgehensweise kann in der Familienverfassung festgelegt werden.

 

II. Bedeutung der Family Governance bei Direktbeteiligungen und der SAA

Bei großen Familienvermögen ist für die Bestimmung der SAA und die Entscheidung, ob man signifikant in Direktbeteiligungen investieren will, von entscheidender Bedeutung, dass die Familie eine Familienverfassung erarbeitet. Dies nicht nur, um die (Vermögens-)Nachfolge erfolgreich über Generationen festzuschreiben und eine sinnvolle Governance-Struktur zu finden, sondern auch konkret, um in einer Investment Policy bzw. Anlagerichtlinie klare Rahmenbedingungen für Investitionsentscheidungen zu vereinbaren. 

Investmententscheidungen sind oftmals Konsensentscheidungen, die auf Basis eines möglichst guten Informationsstands getroffen werden sollten und das auf einer transparenten und verständlichen Entscheidungsgrundlage. Dadurch können dem oder den Vermögensinhabern die komplexen Finanzmärkte greifbarer und verständlicher gemacht werden, wobei die SAA sozusagen die Komplexität komprimiert und in klare Investmentstrategien zusammenfasst. Die Performance-Messung der so eingegangenen Investments ist nur möglich, wenn vorab auf derselben Basis eine Benchmark als Vergleichsindex definiert ist, mit dem der Erfolg oder Misserfolg von Investments klar gemessen werden kann.

In Bezug auf das Geschäft mit Direktbeteiligungen sind hier vor allem folgende Themen zu regeln:

  • Will man Direktbeteiligungen als Betätigungsfeld für operative unternehmerische Aufgaben eingehen, so dass Familienmitglieder gegebenenfalls im Management des investierten Unternehmens aktiv arbeiten, oder sieht man die Beteiligung eher als reines Finanzinvestment, bei dem man höchstens über den Aufsichtsrat oder Beirat strategische Themen bearbeiten?
  • Will man Mehrheits- oder Minderheitsbeteiligungen eingehen?
  • In welchen Branchen sollen die Direktbeteiligungen sein, um beispielsweise eigene Kompetenz einzubringen oder bewusst zu diversifizieren in Bereiche, in die das Vermögen sonst nicht investiert ist?
  • In welcher Phase des Unternehmens/einer Zielgesellschaft will man investieren? In Start-ups (also als Venture Capitalist), in die Wachstumsphase eines Unternehmens oder in reifere Unternehmen in einer späteren Phase der Entwicklung? Alle diese unterschiedlichen Phasen kann man grundsätzlich mit unterschiedlichen Risikoklassen in Verbindung bringen, und auch diese Frage sollte im Rahmen der Familienverfassung geklärt sein. 

Je nachdem, wie sich die Familie entscheidet, wird man zunächst im Rahmen der SAA die entsprechenden Rendite-Risiko-Aspekte berücksichtigen und für die Umsetzung der SAA dann die notwendigen Ressourcen bereitstellen müssen. So braucht eine Unternehmerfamilie beziehungsweise deren Family Office z. B. für Investitionen in Start-ups andere Kompetenzen als bei der Umsetzung von spätphasigen Private Equity-Beteiligungen, bei denen typischerweise größere Investitionssummen gefordert sind, aber man per Definition eine geringere Diversifizierung wegen der geringeren Anzahl von Transaktionen erreicht. 

Wichtig dabei ist, sich mit dem Markt genau zu befassen. Denn das Beteiligungsgeschäft ist aufgrund der internationalen Konkurrenz kein Selbstläufer. Ein Grund dafür ist, dass die Private Equity-Branche über eine hohe Summe an sogenanntem Dry Powder verfügt: Das nicht investierte Kapital beträgt laut dem „Global Private Equity Report“ von Bain & Company rund zwei Bio. US-Dollar. Der Hintergrund: Die Bewertungen seien generell hoch, die Preise für Beteiligungen stiegen an, der Weltkonjunktur drohe eine Abkühlung und der Wettbewerb um verfügbare Anlagen sei enorm. Diese Faktoren seien dafür verantwortlich, dass die Private Equity-Fonds weniger Käufe stemmen als noch in der Vergangenheit. 2018 zählte die Unternehmensberatung dementsprechend 13 % weniger Buy-outs als im Vorjahr. Ihr Gesamtwert dagegen erhöhte sich um zehn Prozent auf 582 Mrd. US-Dollar[5]. 

Und bei Venture Capital-Unternehmungen durch private Investoren beziehungsweise Vermögensverwalter und Family Offices gilt die Maßgabe, dass Unternehmen proaktiv in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung gefördert werden sollten. Die finanzielle Ebene wird damit um operative Kompetenzen ergänzt, die aber allein dazu genutzt werden, den Unternehmenswert maßgeblich zu erhöhen und auf diese Weise einen erfolgreichen Exit für den Kapitalgeber möglich zu machen. Das betonen beispielsweise Bengtsson und Hsu: „Because value-adding assistance from VC partners is likely to be factored into pricing in a competitive market, it should be demanded more by founders who do not possess a given capability themselves. Hence, a founder with weak operational expertise should realize larger synergies with a VC partner with strong operational expertise as compared with a founder who himself has strong operational expertise.“[6]  

Die Infrastruktur im Family Office für die Umsetzung der jeweiligen Investitionsstrategie muss entsprechend angepasst sein. Das gilt beispielsweise dann, wenn sich Familienmitglieder aktiv/operativ in der Direktbeteiligung einbringen wollen oder wenn die Familie entschieden hat, große Teile der Wertschöpfungskette im eigenen Family Office abdecken zu wollen. Die Kompetenzen der Mitarbeiter des Family Office unterscheiden sich grundlegend, wenn diese Asset Manager/Vermögensverwalter auswählen und kontrollieren sollen oder deren Aufgabe darin besteht, unternehmerische Direktbeteiligungen eigenständig managen und kontrollieren zu müssen. 

Und überhaupt muss vorab klargestellt werden, welche Ziele überhaupt mit den Beteiligungen verfolgt werden sollen: Soll eine langfristige Beteiligung eingegangen werden, geht es um schnelle Renditeoptimierung oder vielleicht um unternehmerische Synergien? Man darf eines schließlich nicht vergessen: Venture Capitalists und Private Equity-Manager zielen auf eine unternehmerische Rendite aus der Portfoliooptimierung und dem Verkauf der Anteile an dem Zielunternehmen beziehungsweise aus dem Börsengang desselben ab. Es handelt sich bei den Investments um zeitlich begrenzte Arrangements, die eine Rendite über dem durchschnittlichen Kapitalmarktzins zum Ziel haben. Die Beweggründe dieser Finanzierer unterscheiden sich damit fundamental von denen klassischer strategischer Investoren, zu denen beispielsweise auch Family Offices gehören: „Im Gegensatz zu Private Equity-Investoren haben Family Offices nur in seltenen Fällen ein Interesse, die Motivation der Geschäftsführung mittels Kapitalbeteiligungen am Portfolio-Unternehmen zu erreichen. Das Family Office investiert Familiengelder als langfristige Kapitalanlage. Das Portfolio-Unternehmen repräsentiert also ausgelagertes Vermögen der Familie. Eine Konstellation, in der für nicht familienzugehörige Minderheitsgesellschafter kein Platz ist.“[7]


III. Fazit 

Direktbeteiligungen für vermögende Privatpersonen und Familien/Family Offices, auch über die Instanz des Beraters (Vermögensverwalter, Private Banker, Family Office) gesteuert, müssen professionell organisiert werden. Nicht nur, weil eine M&A- oder PE-Transaktion umfassende Kompetenzen in steuerlicher, rechtlicher und strategischer Hinsicht erfordert. Sondern auch, weil Beteiligungen in die Strategic Asset Allocation und den Kontext des Gesamtvermögens passen müssen: In welcher Relation steht die geplante Beteiligungsquote zu den anderen wesentlichen Assetklassen? Richtet sich der Blick nur auf inländische oder auch auf internationale Unternehmen? Müssen Vermögenswerte liquidiert werden, um die Beteiligung zu erwerben? Sind genügend Kompetenzen und Ressourcen vorhanden, um die Beteiligung nicht nur unter vermögensstrategischen Gesichtspunkten zu steuern, sondern auch auf Gesellschafter- oder sogar operativer Ebene? Welche Berater können Transaktionen steuern und über welche Netzwerke verfügen sie? Und sollen es Mehrheits- oder Minderheitsbeteiligungen sein?

Das sind nur einige der Fragen, die unbedingt vorab geklärt werden müssen, damit das Beteiligungsgeschäft auch wirklich erfolgreich gestaltet werden kann. Das Beteiligungsmanagement kann und sollte sogar ein wesentlicher Bestandteil der SAA sein, um eine weitere Portfoliodiversifizierung zu erreichen und sich von typischen kapitalmarktorientierten Anlageklassen unabhängiger zu machen.

 

 PRAXISTIPPS

  • Vermögende Unternehmerfamilien sollten im Rahmen ihrer Familienverfassung von den Familienwerten bis hin zu den Anlagerichtlinien konsistente Prinzipien verfolgen, um den Vermögenserhalt beziehungsweise -aufbau über Generationen erfolgreich zu sichern.
  • Im Rahmen einer solchen Familienverfassung muss die Strategic Asset Allocation ganzheitlich alle Assetklassen berücksichtigen und v. a. auch (unternehmerische) Direktbeteiligungen, sowohl Venture Capital als auch Private Equity.
  • Die Umsetzung von Investitionen in Direktbeteiligungen muss professionell auf die individuelle Situation der Vermögensinhaber abgestimmt sein und entsprechende Ressourcen für eine erfolgreiche Beteiligungsstrategie bereitstellen.

[1] Brinson, Singer & Beebower, Financial Analysis Journal 1991.

[2] Marcard, Stein & Co. Bankiers, Strategische und taktische Asset Allocation 2018, Platow Forum Family Office, Königstein, 29.08.2018.

[3] Family Office, Family Equity und Private Equity, Praxisreport, WHU Otto Beisheim School of Management, Institute of Family Business, Juli 2018.

[4] Family Office, Family Equity und Private Equity, Praxisreport, WHU Otto Beisheim School of Management, Institute of Family Business, Juli 2018.

[5] Bain & Company (2019): Global Private Equity Report 2019, https://www.bain.com/contentassets/2792a2cbcdcf4e94acfddc077a85c5ea/bain_report_private_equity_report_2019.pdf

[6] Bengtsson, Ola, Hsu, David H. (2010): „How Do Venture Capital Partners Match with Startup Founders?“, Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=1568131

[7] Schulz, Jörn-Christian (2019): „Rechtlicher Rahmen des Beteiligungserwerbs“, in: Maximilian A. Werkmüller (Hrsg.): Family Office Management. 4. Aufl. 2019. Heidelberg, S. 467–494.


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