Schlanke Prozesse im Massenkreditgeschäft
Markus, Lechner, Prozessmanagement, Kreditwesen, BMW Bank GmbHIm Rahmen der FinRep-Meldung (Financial Reporting) sind Finanzinformationen zu performing und non-performing exposures (NPEs) sowie forborne exposures (FBEs) durch Banken, aufgeschlüsselt nach Art des Instruments (z. B. Schuldverschreibungen, Darlehen und Kredite, Kreditzusagen) und der Gegenpartei (z. B. Kreditinstitute, Nichtfinanzielle Unternehmen, Haushalte), auf aggregierter Ebene an die Aufsicht zu melden.
Durch die mit der Kreditdatenstatistik „AnaCredit“ (Analytical Credit Datasets) verbundenen Meldeerfordernisse steigt die Granularität durch die Erhebung einer Vielzahl von Angaben auf Ebene der einzelnen Kreditnehmer und Kredite erheblich an.
SEMINARTIPPS
Forbearance Maßnahmen in der Kreditpraxis, 19.02.2019, Frankfurt/M.
Prüfung neue Forbearance-Prozesse & Engagement-Maßnahmen, 08.04.2019, Frankfurt/M.
Kreditrisiko-Steuerung nach neuem Risikotragfähigkeit(RTF)-Leitfaden, 09.04.2019, Frankfurt/M.
Prüfung §18/18a KWG-Prozesse: Neue (BauFi)Kreditwürdigkeitsanalyse, 20.05.2019, Frankfurt/M.
Auch die o. g. Finanzinformationen zu NPEs und FBEs bzw. FBLs (forborne loans) müssen als sog. dynamische Kreditdaten (Rechnungslegungsdaten) in die AnaCredit-Meldung einfließen. Angaben hierzu sind über die folgenden Attribute und deren mögliche Ausprägungen erstmalig per Stichtag 30.09.2018 an die Aufsicht zu übermitteln:

Prozessseitige Anforderungen und Umsetzung
Für eine genaue Datenerhebung insbesondere zum Stundungs- und Neuverhandlungsstatus werden die Kreditprozesse und -systeme stark beeinflusst. Den operativen Fachbereichen der Bank entsteht in Abhängigkeit der Umsetzung der Datenerhebungsprozesse ein zusätzlicher, unterschiedlich hoher Arbeitsaufwand. Die korrekte Datenerhebung erfordert einen Rahmen und Klarheit für die operativen Bereiche. Daher empfiehlt sich die Erarbeitung einer Art internen Leitfadens im Sinne der schriftlich fixierten Ordnung, innerhalb dessen v. a. die komplexe Forbearance-Thematik intern ausgelegt wird. Neben einer Interpretation der Klassifizierungskriterien zu NPEs, FBEs und renegotiated exposures, sollten auch die Prozesse sowie Verantwortlichkeiten für die Identifizierung, Kennzeichnung und Überwachung von FBEs klar geregelt werden.

Bei unterschiedlichen Geschäftsfeldern bzw. Kreditportfolien ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich (z. B. standardisiertes Mengengeschäft und Individualkreditgeschäft), um in diesem Kontext die jeweiligen Besonderheiten der Kredit- bzw. Forbearance-Praktiken zu berücksichtigen.
Das betreuungsintensive, nicht-standardisierte Individualkreditgeschäft spricht für einen manuellen Forbearance-Prozess, bei dem im Falle von Änderungen ursprünglicher Vertragsvereinbarungen z. B. die Marktfolge im Rahmen der Kreditanalyse (auf Basis von Jahresabschluss- bzw. unterjährigen wirtschaftlichen Unterlagen) das Vorliegen finanzieller Schwierigkeiten beurteilt und die Forbearance-Identifizierung, Kennzeichnung und anschließende quartalsweise Statusüberwachung übernimmt. Für die Identifizierung und Dokumentation von Forbearance-Fällen bietet sich z. B. eine Art Forbearance-Formular oder -Checkliste (als Anlage zur Kreditvorlage bzw. Kreditakte) an, auf deren Basis auch die quartalsweise Überwachung des aktuellen Status der gestundeten Kredite erfolgen kann. Die Forborearance-Klassifikation ist hierdurch auch für Dritte (z. B. interne/externe Prüfer) nachvollziehbar dokumentiert. Ob die Weiterleitung der gestundeten Kredite an das Meldewesen des Kreditinstituts manuell oder semi-manuell per Kennzeichnung im vertragsführenden System erfolgt, sollte von der Portfolio-Größe und potenziellen Anzahl von Forbearance-Fällen abhängig gemacht werden. Eine Kennzeichnung im System erfordert i. d. R. dessen Anpassung durch die Aufnahme entsprechender Datenfelder und die Datenweiterleitung über entsprechende Schnittstellen.
BUCHTIPP

Heibel (Hrsg.), Kreditwürdigkeitsprüfung im Privatkunden- und Baufinanzierungsgeschäft, 2017.
Im großvolumigen, konstanten Massenkreditgeschäft, in dem standardisierte Forbearance-Maßnahmen zur Anwendung kommen, ist eine automatisierte Identifizierung und Überwachung von FBLs denkbar – einerseits auf Basis von existierenden Vertragsstatus bzw. -kennzeichen aus Systemen und Datenbanken zur Feststellung finanzieller Schwierigkeiten (z. B. Kennzeichen zu Überfälligkeiten, Ausfall), andererseits auf Basis von Vertragskennzeichen zur Ermittlung vertraglicher Anpassungen oder Vereinbarungen mit den Kreditnehmern (z. B. Ratenplanänderung, Refinanzierung oder Zahlungsaufschub).
Hierzu ist im Vorfeld eine vollständige Bestandsaufnahme der vom Institut durchgeführten möglichen Forbearance-Maßnahmen, relevanter Vertragskennzeichen sowie der Operationalisierung finanzieller Schwierigkeiten nötig. Auf dieser Grundlage kann die Forbearance-Identifizierung, Einstufung und Statusänderung mittels einer implementierten IT-Logik automatisiert werden. Jedoch kann sich hierdurch eine entsprechend komplexe Logik ergeben, die detailliert auf Funktionsfähigkeit zu testen ist.
Fazit und Ausblick
Letztlich muss bei der Prozessimplementierung den abstrakten aufsichtlichen Vorgaben und damit verbundenen Herausforderungen mit hohem Analyse- und Abstimmungsaufwand begegnet werden, um eine intern sinnvolle und greifbare Auslegung der Thematik zu erreichen. Für eine erfolgreiche und effiziente Prozessimplementierung ist es unabdingbar, von Anfang an Mitarbeiter aus den operativen Kreditbereichen mit guten Geschäfts- und Systemkenntnissen, im Rahmen von regelmäßigen Abstimmungen und Workshops, einzubinden.
Dass die Forbearance-Thematik nicht nur meldetechnisch von besonderer aufsichtsrechtlicher Bedeutung ist, sondern künftig auch internen Steuerungszwecken dienen soll, zeigt die im November 2017 veröffentlichte Novelle der MaRisk (5.0). Danach sind die Erkenntnisse aus Forbearance-Maßnahmen angemessen bei den Verfahren zur Früherkennung von Risiken (BTO 1.3), beim Risikoklassifizierungsverfahren (BTO 1.4) und bei der Bildung der Risikovorsorge (BTO 1.2.6) zu berücksichtigen.
PRAXISTIPPS
- Die Prozesse (inkl. Aufgaben und Verantwortlichkeiten) von der Identifizierung über die Überwachung bis zur Meldung von FBEs sollten innerhalb der schriftlich fixierten Ordnung eines Instituts festgehalten werden (z. B. im Rahmen von Arbeitsanweisungen).
- Für unterschiedliche Kreditportfolien bzw. Geschäftsfelder sind ggfs. separate Forbearance-Prozesse entsprechend den bestehenden Prozessgegebenheiten und Portfoliogrößen aufzusetzen.
Beitragsnummer: 957