Freitag, 23. November 2018

Sittenwidrigkeit von Arbeitnehmerbürgschaften

Eduard Meier, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner

Mit Urt. v. 11.09.2018, Az. XI ZR 380/16, hat der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung zur Wirksamkeit einer vom Arbeitnehmer für ein Darlehen des Arbeitgebers übernommene Bürgschaft (sog. Arbeitnehmerbürgschaft) bestätigt und in diesem Zusammenhang nochmals klargestellt, dass eine solche Bürgschaft nur dann als sittenwidrig angesehen werden könne, wenn sie den Arbeitnehmer krass überfordert und wenn dessen Inanspruchnahme im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme schon feststeht, weil sich der Arbeitgeber bereits zu diesem Zeitpunkt in einer wirtschaftlichen Notlage befindet. Das Berufungsgericht hatte noch angenommen, dass die Bürgschaft eines Arbeitnehmers am Leitbild eines Arbeitsvertrages zu messen sei, wonach der Arbeitnehmer nicht ohne Gegenleistung mit dem wirtschaftlichen Risiko des Arbeitgebers belastet werden dürfe, sodass Arbeitnehmerbürgschaften regelmäßig nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig seien.

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Dieser Rechtsauffassung, hat der Bundesgerichtshof nun eine klare Absage erteilt. Zwar sei in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit widerleglich zu vermuten, dass der Arbeitnehmer eine Bürgschaft alleine aus Angst um seinen Arbeitsplatz übernommen habe. Eine Sittenwidrigkeit der Übernahme läge aber – in Analogie zu Bürgschaften naher Angehöriger – nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer hierdurch auch finanziell krass überfordert würde. Denn alleine das Motiv des Arbeitnehmers, seinen Arbeitsplatz durch Übernahme einer unentgeltlichen Bürgschaft zu erhalten, sei für sich genommen schon deshalb für die Annahme einer Sittenwidrigkeit nicht ausreichend, da private Bürgschaften typischerweise unentgeltlich übernommen würden. Auch ein etwaiges „Leitbild des Arbeitsvertrages“ rechtfertige keine andere Betrachtung, da das Innenverhältnis zwischen Bürgen und Hauptschuldner grundsätzlich keine Auswirkungen auf den Bestand der Bürgschaft habe.

PRAXISTIPP

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes kommt nicht überraschend, da dieser auch bislang „arbeitsvertraglichen Besonderheiten“ bei der Frage der Wirksamkeit von Arbeitnehmerbürgschaften keine Bedeutung beigemessen hatte. In der Praxis gilt daher nach wie vor, dass bei der Einholung solcher Arbeitnehmerbürgschaften – wie auch bei der Einholung von Bürgschaften naher Angehöriger – (nur) auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Bürgen geachtet werden muss. Dem Ansatz einiger Oberlandesgerichte (so etwa des OLG Karlsruhe sowie des OLG Celle), eine Sittenwidrigkeit auch daraus herzuleiten, dass dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber – was regelmäßig der Fall gewesen sein dürfte – keine angemessene Gegenleistung für die Verbürgung gewährt wurde, hat sich der Bundesgerichtshof aus guten Gründen nicht angeschlossen.



Beitragsnummer: 964

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