Freitag, 25. September 2020

Banken sollten sich für schwere Zeiten rüsten

Experten erwarten massive Kreditausfälle. Viele Banken verstärken ihre Rücklagen. Eine zusätzliche Absicherung kann die Zusammenarbeit mit alternativen Finanzierern sein.

Carl-Jan von der Goltz, geschäftsführender Gesellschafter Maturus Finance GmbH

In der ersten Jahreshälfte war die Lage auf dem Finanzierungsmarkt trotzt Pandemie und Lockdown noch relativ entspannt. Viele Banken blickten auf solide, manche sogar auf gute Ergebnisse zurück. Doch das könnte sich in den nächsten Monaten schlagartig ändern. Darauf deutet auch eine Studie der Unternehmensberatung Accenture hin (Quelle: https://newsroom.accenture.de/de/news/europ%C3%A4ische-banken-m%C3%BCssen-2020-kredite-in-h%C3%B6he-von-bis-zu-415-milliarden-euro-abschreiben.htm). Demnach könnten europäische Banken in 2020 bis zu 415 Milliarden Euro an Krediten abschreiben müssen. Ein wesentlicher Anteil dieser Ausfälle werde durch Unternehmen verursacht, die durch die Pandemie in Schieflage geraten sind. Die Experten sehen in Corona eine größere Herausforderung für die Banken als in der Finanzkrise 2008. Dass die Auswirkungen bisher noch nicht drastischer durchgeschlagen seien, liege zu großen Teilen an staatlichen Maßnahmen wie Förderkrediten, Kurzarbeitergeld oder der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Der Zahlungsaufschub, der vielen Unternehmen von ihren Finanzierern gewährt wird, trage ebenfalls dazu bei.

 

SEMINARTIPPS

Zwangsversteigerungen in der Praxis des Abwicklers, 12.10.2020, Frankfurt/M.

Leistungsgestörte Verbraucherkredite, 11.05.2021, Frankfurt/M.

 

 

Banken verstärken Risikomanagement

Auch wenn bisher noch eine trügerische Ruhe herrscht, sorgen viele Banken bereits vor. So analysierten die Experten von Accenture auch die Rückstellungen von insgesamt 117 Banken und konnten eine erhebliche Erhöhung feststellen. Lagen die gebildeten Reserven für Kreditausfälle 2019 noch bei 80 Milliarden Euro, rechnen die Studienmacher für 2020 mit bis zu 335 Milliarden zusätzlich. Viele Banken hätten sehr schnell sehr hohe Rückstellungen gebildet. Dieser Aktionismus verwundert kaum, wenn man bedenkt, dass etwa Accenture für dieses Jahr mit einer Ausfallquote bei den Krediten von 2,4 % rechnet. Zum Vergleich: In 2019 lag die Quote bei lediglich 0,7 %. Sie wird sich voraussichtlich also mehr als verdreifachen. Entsprechend erwarten die Studienmacher ein verstärktes Risikomanagement der Kredithäuser – Banken könnten vermehrt Kredite ablehnen. Das wird erfahrungsgemäß Unternehmen treffen, die ohnehin finanziell unter Druck stehen und über keine Top-Bonität verfügen – etwa, weil sie sich in einer Sondersituation wie einer Restrukturierung oder einer Nachfolge befinden. In der restriktiveren Vergabe sehen die Berater jedoch ein hohes Risiko, da anderseits der Finanzierungsbedarf weiter steigen werde. Somit liefen die Geldhäuser Gefahr, Kunden zu verlieren. Finden Banken einen Weg aus diesem Dilemma?


Häuser sollten auch Alternativen erwägen

Anstatt Kreditanfragen ihrer Firmenkunden abzulehnen, könnten Bankhäuser vermehrt mit Partnern aus der alternativen Finanzierung zusammenarbeiten. Denn diese Anbieter finden oft Lösungen in Situationen, die intern durch die meisten klassischen Kreditgeber nicht bedient werden können. Gerade in Krisenzeiten sind assetbasierte Modelle eine angemessene Wahl. Denn diese Ansätze legen ihren Fokus nicht auf die Bonität eines Unternehmens, sondern auf dessen Anlage- und Umlaufvermögen. Damit sind solche alternativen Ansätze zudem meist keine Konkurrenz zum klassischen Kreditgeschäft, sondern eine nützliche Ergänzung. Kann nämlich ein Berater seinen Kunden unter den momentanen Umständen nicht direkt bedienen, könnte er ihm dennoch einen alternativen Partner empfehlen. Damit verbessern sich für den Unternehmer die Lösungsaussichten und er wird seiner Bank sicher weiterhin gewogen bleiben. Zudem könnte sich die Bank Synergien durch die Zusammenarbeit mit einem alternativen Anbieter erschließen – von der Kooperation im Netzwerk über ein Provisionssystem sind unterschiedliche Szenarien denkbar. Doch welche assetbasierten Modelle sind derzeit erfolgversprechend?


Liquidität durch Innenfinanzierung – Sale & Lease Back

Der Ansatz unterstützt assetreiche mittelständische Produzenten dabei, Liquidität im Rahmen einer reinen Innenfinanzierung zu erzeugen. Dazu verkauft ein Unternehmen seine werthaltigen Maschinen-, Anlagen- oder Fuhrparks an einen Finanzierungspartner und least diese sofort im Anschluss zurück. Sale & Lease Back eignet sich für Unternehmen in Sondersituationen bis hin zu Sanierung oder Insolvenz, da es rein darauf abstellt, ob die jeweiligen Assets werthaltig, mobil und fungibel sind. Bei Maschinen und Ähnlichem darf es sich zudem nicht um Spezial- und Einzelanfertigungen oder Prototypen handeln. Auch lediglich einzelne Maschinen eines Typs zu besitzen, reicht als Finanzierungsgrundlage nicht aus – es benötigt eine ganze Reihe solcher Objekte. Neben der Bonitätsunabhängigkeit prädestiniert auch die Geschwindigkeit den Ansatz für schwierige Zeiten: Von der Anfrage bis zur Auszahlung des Betrages dauert es meist nur wenige Wochen.


Objektbasierte, Kurzfristkredite

Dieses assetbasierte Modell eignet sich gleichermaßen für Händler und Industriebetriebe. Denn hierbei können im Rahmen der Finanzierung sowohl Anlagevermögen wie Maschinen und Fuhrparks als auch handelsfähiges Umlaufvermögen aus dem Rohstoff- und Fertigwarenlagerbestand genutzt werden. Solche wertbeständigen und sekundärmarktfähigen Assets dienen im Rahmen der Finanzierung als Sicherheiten für Spezialkredite. Die Darlehen sind für kurzfristigen Kapitalbedarf optimiert. Finanzierungsanlässe sind etwa unerwartete Krisen- oder Saisoneffekte, notwendige Überbrückungsfinanzierungen, Wachstum, lohnende Skonti, anstehende Großaufträge, Materialeinkäufe, aber auch Sondersituationen wie Restrukturierungen oder Sanierungen.

 

PRAXISTIPPS

  • Experten erwarten schwerwiegende Kreditausfälle durch die Corona-Krise.
  • Banken reagieren mit massiven Rückstellungen und voraussichtlich restriktiver Vergabepolitik.
  • Um Kunden zu halten, kann der Verweis auf Alternativlösungen sinnvoll sein.
  • In der Krise haben sich vor allem assetbasierte Ansätze bewährt.
  • Sale & Lease Back erzeugt Liquidität aus gebrauchten Maschinen und Anlagen.
  • Assetbasierte Kredite stellen auf Anlage- und Umlaufvermögen als Sicherheit ab.

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