Dienstag, 3. November 2020

Aktuelle Krise: Chancen & Risiken im Working Capital Management

Gerade in Krisenzeiten kommt es darauf an, das Working Capital Management eines Unternehmens fundiert aus Bankensicht beurteilen zu können.

Christoph Hoeren, Senior Risk Manager, KfW DEG Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft



 

In Zeiten einer Rezession kommt es für betroffene Unternehmen darauf an, neben der Rentabilität einen besonderen Fokus auf eine ausreichende Liquidität zu legen. Das Working Capital Management hat in diesem Kontext eine große Bedeutung, da abhängig von Branche und Geschäftsmodell ein hoher Spielraum zur Liquiditätsverbesserung bestehen kann. Für die externe Analyse gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Qualität des Working Capital Managements und das vorhandene Liquiditätspotential und dessen Nachhaltigkeit einzuschätzen. 

 

Regulatorischer Kontext

 

Bei der Bonitäts- und Ratinganalyse von Unternehmen hat das Working Capital Management in der Praxis der Unternehmensanalyse bereits einen hohen Stellenwert. Doch auch regulatorisch steigen die Anforderungen mit Bezug auf die Analyse des Working Capitals. So wird zum Beispiel in der neuen EBA-Guideline “Guidelines on loan origination and monitoring” sehr detailliert und mehrfach auf die erforderliche Analyse des Working Capital Analyse, des „Cash-Conversion Cycles“ oder auch die Anforderungen an die Informationsbeschaffung (wie z. B. Forderungslisten) verwiesen. Im Rahmen der Analyse und Berechnung der Kapitaldienstfähigkeit ist das Working Capital zwingend und – je nach Entwicklung – als liquiditätsbelastender oder auch freisetzender Posten mit einzubeziehen. 

 

Wichtige Kennzahlen in der Working Capital Analyse

 

Wichtig für die (externe) Working Capital Analyse ist die Betrachtung von mehreren Berichtsperioden (z. B. monatlich, vierteljährlich oder auch jährlich über die Jahresabschlüsse). Rein statische Werte haben nur einen sehr geringen Informationsgehalt. Ferner ist es wichtig, die saisonalen Schwankungen im Betriebsmittelbereich (z. B. Agrarindustrie oder Einzelhandel) eines Unternehmens zu kennen und je nach Bedeutung und Intensität bei der Analyse zu beachten. 

 

Nachfolgende Kennzahlen sollten sowohl in der historischen als auch zukunftsorientierten Betrachtung mit Bezug auf Trends und Vergleich mit der Branche analysiert werden:

 

  • Debitorenziel (Forderungen aus Lieferungen u. Leistungen x 360 Tage/Umsatz) 
  • Kreditorenziel (Verbindlichkeiten aus Lieferungen u. Leistungen x 360 Tage/Wareneinsatz)
  • Lagerumschlagshäufigkeit (Wareneinsatz, Warenbestand)

 

Die drei Kennzahlen können auch zusätzlich über eine Kennzahl verdichtet werden (sog. „Net Working Capital“ in Prozent zum Umsatz). Auch hierzu lassen sich gute nationale und internationale Vergleichs- bzw. Benchmarkwerte für unterschiedlichste Branchen finden. Mit diesen Kennzahlen können Tendenzen und Treiber identifiziert bzw. hinterfragt werden. Gleiches gilt für Planungsrechnungen und den zugrunde liegenden Annahmen zum Working Capital.  

 


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Working Capital Management in der Krise

 

In einer Krise können sehr schnell positive Liquiditätseffekte aus Umstellungen im Working Capital Management erzielt werden. Bei Umsatzeinbrüchen ergeben sich in der Regel je nach Geschäftsmodell “automatisch” positive Effekte durch einen geringeren Forderungsbestand. Diese sind jedoch nicht nachhaltig und sind zu ergänzen um konkrete Maßnahmen wie z. B. Änderungen im Warenlagermanagement, engeres Mahnwesen, längere Zahlungsziele mit Lieferanten. Der Maßnahmenkatalog kann nicht standardisiert gelten und hängt von vielen Faktoren wie z. B. Branche, Unternehmensstärke/Marktpositionierung und dem aktuellen Stand der Professionalisierung im Working Capital Management ab. Das Potential kann für Unternehmen mit Hilfe externer Unterstützung und Beratung gegebenenfalls noch effizienter identifiziert und umgesetzt werden.

 

Working Capital Maßnahmen können aber auch an ihre Grenzen kommen. Dies gilt zum Beispiel für die Frage, wie stark das Warenlager reduziert werden kann, ohne dass die Lieferfähigkeit beeinträchtigt wird. Ferner kann die Nachhaltigkeit von Maßnahmen im Zeitverlauf nachlassen, zum Beispiel bei Bonitätsverschlechterungen von Debitoren oder Rückkehr zu alten Zahlungsvereinbarungen mit den Lieferanten nach einer Krise.  

 

Informationsbeschaffung

 

Bezüglich der Informationsbeschaffung kann kein genereller Anforderungskatalog formuliert werden. Abhängig von Unternehmensgröße, Bonität und Liquiditätslage sind neben den Jahresabschlüssen und Zwischenzahlen weitergehende Informationen bezüglich Debitoren und Kreditoren sowie Einblicke in das Warenlagermanagement/-reporting geboten. Um saisonale Schwankungen einschätzen zu können, empfiehlt sich die Vorlage von Monatsplanungsrechnungen. Weitergehende Informationen mit Bezug auf Fristigkeit und Covenants zu Working Capital bedingten Finanzierungen (Betriebsmittellinien, Factoring, Warenlagerfinanzierungen, etc.) sind ebenfalls von Bedeutung. Die oben genannte neue EBA-Guideline gibt im Übrigen Empfehlungen bzw. Erwartungen zu einzuholenden Unterlagen, darunter zum Beispiel auch Forderungslisten. 

 

PRAXISTIPPS

 

  • Working Capital Management kann hohe Liquiditätspotentiale beinhalten, die gerade in der Krise wichtig sind und zur Stabilisierung der Liquidität beitragen kann. 
  • Die neue EBA-Guideline beinhaltet Anforderungen an die Analyse des Working Capitals im Rahmen der Bonitätsanalyse; von daher ist Überprüfung der bankinternen Richtlinien und Kreditprozesse geboten.
  • Über wenige trennscharfe Kennzahlen kann das Working Capital Management im Zeitvergleich in der Regel sehr gut eingeschätzt werden. 
  • Umfangreiche Maßnahmenkataloge zur Hebung von Liquiditätspotentialen sind möglich, jedoch nie standardisiert. Zudem ist immer die Nachhaltigkeit der Maßnahmen zu berücksichtigen. 

Beitragsnummer: 11936

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